Zeeland. Eine „monumentale“ Radtour, ein klobiger Turm und jede Menge Natur: Das haben wir in der beliebten Ferienregion Zeeland erlebt. Ein Reisebericht.
Nur noch einmal links abbiegen, schon kann ich ihn in der Ferne erkennen. Der Plompe Toren, ein jahrhundertealter Kirchturm im spätgotischen Baustil, liegt auf der Insel Schouwen-Duiveland in der niederländischen Provinz Zeeland. Das Besondere: Um den Kirchturm herum gibt es kein Dorf, nicht mal ein Kirchenschiff erstreckt sich unterhalb. Das hat jedoch einen einfachen Grund. Er ist das letzte Überbleibsel des Dorfes Koudekerke, das Ende des 16. Jahrhunderts nach einem Deichbruch versunken ist. Dieses Schicksal haben in Zeeland zwischen 1475 und 1650 mindestens 15 weitere Dörfer geteilt. Nicht umsonst gibt es im niederländischen Südwesten die Redewendung „das Wasser nimmt und das Wasser gibt“. Davon darf ich mich auf meiner Reise durch die wasserreiche Provinz gleich mehrmals überzeugen.
Frische Seeluft
Heute ist der „klobige Turm“, wie er ins Deutsche übersetzt heißt, eine weithin sichtbare Landmarke, die in früheren Zeiten auch für Schiffe ein wichtiger Orientierungspunkt war. Das spüre ich auch auf meiner Radtour. Denn so nah wie der Turm scheint, so weit ist er doch noch entfernt. Der Weg dorthin ist allerdings mehr als nur eine Entschädigung. Bei strahlendem Sonnenschein fahre ich auf dem Deich entlang, der die Insel Schouwen-Duiveland vor dem Wasser der Oosterschelde, einem Meeresarm der Nordsee, schützt.
Eine leichte Brise frischer Seeluft umgibt mich. Für zeeländische Verhältnisse gleicht das fast einer Windstille. Trotzdem freue ich mich über die Unterstützung des Elektromotors an meinem Fahrrad, denn so kann ich beinahe mühelos über den Deich gleiten und die wunderschöne Aussicht auf die ruhige Oosterschelde zu meiner Rechten und die weite Ebene Schouwen-Duivelands zu meiner Linken genießen.
Der Plompe Toren erscheint immer größer und als ich ihn schließlich erreicht habe, ragt er vor mir 23 Meter in die Höhe. Heute befindet sich hinter den Turmmauern ein Informationszentrum, in dem die Besucher etwas über verschiedene auf der Insel befindliche Natur- und Kulturdenkmäler erfahren können. Zudem kann er auch bestiegen werden und bietet eine prächtige Aussicht.
Rund eine Stunde zuvor habe ich mich an meinem Startpunkt am Schloss Moermond in Renesse auf den Sattel geschwungen und einen Teil der Themenroute „Monumentaal Fietsen“ in Angriff genommen, die viele Highlights Schouwen-Duivelands vereint: zahlreiche Denkmäler und historische Gebäude, die saftig grüne Natur und malerische Ortskerne sowie den Blick auf Nordsee und Oosterschelde.
Nachdem ich den Ortsausgang Renesses passiert habe, finde ich mich schlagartig in der Natur wieder. Der Sand-Radweg schlängelt sich unter einem noch leicht wolkenverhangenen Himmel durch das naturbelassene grüne Hinterland. Besonders von den kleinen Hügeln, über die ich immer wieder fahre, habe ich teils einen hunderte Meter weiten Ausblick. Besonders imponiert mir, dass keine Häuser, Straßen oder Autos zu sehen sind. Und als ich einen Moment innehalte, merke ich, dass außer gelegentlichem Vogelgezwitscher keine Geräusche zu hören sind. Ungewohnt, aber wunderschön und entspannend, dem üblichen Alltagslärm einmal gänzlich zu entfliehen.
Prägende Bauwerke
Nach rund sechs Kilometern habe ich das kleine Dörfchen Haamstede erreicht, das zusammen mit Burgh die Ortschaft Burgh-Haamstede bildet. Prägend sind das Schloss Haamstede aus dem 13. Jahrhundert und die Mühle De Graanhalm, in dem sich ein Pfannkuchenrestaurant befindet.
Typisch Zeeland: Binnen kürzester Zeit haben sich die Wolken verzogen und die Sonne lacht vom blauen Himmel. Vorbei am kleinen Dorf Burghsluis passiere ich schließlich den Plompe Toren und das Naturreservat Schelphoek, ehe ich mich quer über die Insel auf den Weg zurück nach Renesse mache. Den Rest dieser Themenroute werde ich bestimmt irgendwann noch einmal absolvieren. Aber heute steht zunächst noch eine zweite Radtour auf dem Programm.
Unbekannte Strände
Dazu mache ich mich mit dem Auto auf den Weg ins rund 15 Kilometer entfernte Zierikzee. In der Hafenstadt steht nochmal ein E-Bike für mich bereit. Ich hole es am erst vor wenigen Monaten eröffneten Hotel Mondragon ab und verlasse die Stadt entlang des mit prachtvollen Schiffen besetzten Hafenbeckens. Schon aus einiger Entfernung kann ich die Oosterschelde, an der ich mich nun wieder befinde, riechen. Da sich das Wasser wegen der Ebbe ein wenig zurückgezogen hat, steigt mir ein Geruch „gestrandeter“ Meeresbewohner und Wasserpflanzen in die Nase – gewöhnungsbedürftig, aber nicht unangenehm. Oben auf dem Deich fallen mir einige kleine, nur wenige Meter breite Strände auf, die abseits der Touristenhotspots fast schon als Geheimtipps gelten dürften. Vornehmlich Einheimische scheinen sie zu nutzen, um zu entspannen, ihrem Hund eine Abkühlung zu bieten oder ihr Stand-up-Paddle-Board zu Wasser zu lassen.
Wenige hundert Meter vom Deich entfernt liegt das Dorf Ouwerkerk, dessen Kirchturm schon von Weitem erkennbar ist. Es ist das älteste Dorf der ehemaligen Insel Duiveland, die nun mit Schouwen verwachsen ist. Rundherum liegen zahlreiche Campingplätze, die vor allem zum Familienurlaub einladen und sich in perfekter Lage befinden: Ruhe pur, die Oosterschelde vor Augen und Radwege, die in alle Himmelsrichtungen führen.
Von Ouwerkerk aus fahre ich weiter ins Inselinnere; ich überquere einen Binnendeich, radle entlang grüner Wiesen und folge dem kinderleichten Knotenpunktsystem zurück nach Zierikzee. Eine Stadt, deren Besuch sich absolut lohnt – doch mehr dazu erzähle ich in einem anderen Teil der Serie.