Am Niederrhein. Tierhalter zieht vors Verwaltungsgericht. Der Kreis Wesel hatte seinen Antrag auf “Entnahme“ der Niederrhein-Wölfin abgelehnt.
Nach zahlreichen Nutztierrissen beschäftigt Niederrhein-Wölfin "Gloria" nun die Juristen. Ein Schäfer aus dem Kreis Wesel geht über seinen Anwalt beim Verwaltungsgericht Düsseldorf dagegen vor, dass der Kreis seinen Antrag auf Abschuss oder Vergrämung der Wölfin abgelehnt hat. Eine Gerichtssprecherin bestätigte an diesem Montag (3. August 2020) auf Nachfrage der Redaktion, dass eine Klageschrift eingegangen ist.
Die Klage mit dem Aktenzeichen 28K4055/22 ist den Angaben zufolge bereits am 15. Juli eingegangen. "Der Kreis Wesel hat nun Gelegenheit zur Erwiderung", erklärte die Gerichtssprecherin. Schriftsätze zum Verfahren seien angefordert worden. Ein Termin für eine Verhandlung sei noch nicht abzusehen. Von einem Eilverfahren ist - zumindest bisher - nicht die Rede. Einen Abschuss der Wölfin mit der wissenschaftlichen GW954f hatte die Kreisverwaltung im Juni nach Rücksprache mit NRW-Umweltministerium und Landesumweltamt als "nicht gerechtfertigt" abgelehnt.
Herde des Schäfers mehrfach betroffen
Wölfe sind durch das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Mit der Klage soll erreicht werden, dass die seit mindestens Frühjahr 2018 in den Wäldern rund um Schermbeck ansässige Wölfin per Ausnahmeregelung "entnommen" oder zumindest vergrämt werden kann. Es hatte in der Region seither zahlreiche Angriffe auf Nutztiere gegeben; die Herde des Schäfers war mehrfach betroffen. Zuletzt waren solche Attacken seltener geworden. Allerdings wurden vergangene Woche zwei gerissene Schafe aus Bottrop-Kirchhellen gemeldet.
Der Kreis Wesel bestätigte auf Nachfrage den Eingang der Klageschrift, wollte sich aber mit Blick auf das laufende Verfahren nicht weiter äußern. Ebenso äußerte sich der Schäfer auf Nachfrage nicht. Im Hintergrund laufen ganz offenbar weiterhin Gespräche, ob und wie die Herde dort besser zu schützen ist. Der Kreis Wesel hatte da bereits im Juni erklärt, dass er weitere Schutzmaßnahmen für zumutbar hält und die Anschaffung eigens ausgebildeter Schutzhunde angeregt. Zudem habe man dem Schäfer einen Stallneubau genehmigt.
Bauernpräsident: "Problemwölfe" entnehmen
Nach Ansicht des rheinischen Bauernpräsidenten Bernhard Conzen machen es sich Behörden und Politik aber zu einfach, wenn sie immer wieder auf Herdenschutzmaßnahmen verweisen. „Mit jeder neuen Sichtung oder gar Nutztier-Rissen wächst die Sorge unserer Tierhalter“, erklärte Conzen. Erfahrungen aus Niedersachsen zeigen, dass „Problemwölfe“ konsequent entnommen werden müssten. Der Bauernpräsident betonte, es gehe nicht darum, dass Landwirte pauschal etwas gegen den Wolf hätten – „doch es ist schwer zu ertragen, dass das Wohl eines einzelnen Tieres über das vieler Weidetiere gestellt wird“.
Als eine solche "Problemwölfin" wird die Niederrhein-Wölfin von Experten des Landesumweltamtes, die jeden gemeldeten Nutztierriss begutachtet haben, jedenfalls bislang nicht gesehen. Stattdessen solle der Herdenschutz weiter ausgebaut werden - die Anschaffung hoher elektrischer Zäune sowie speziell ausgebildeter Hunde. Ein Förderdeckel war unlängst auf NRW-Antrag von der EU gekippt worden.
Wölfin mit Nachwuchs im Rhein-Sieg-Kreis
"Gloria" hatte sich 2018 als erster Wolf in NRW wieder niedergelassen. Mittlerweile wird von mehreren sesshaften Wölfen ausgegangen, verteilt verschiedene Landesteile. Bei Eitorf im Rhein-Sieg-Kreis war vor einigen Wochen erstmals eine Wölfin mit Nachwuchs gesichtet worden. Bei "Gloria" am Niederrhein war im April ein Begleiter gesichtet worden - laut genetischen Nachweis ein männliches Tier, das wie die Wölfin selbst ursprünglich aus einem Rudel im niedersächsischen Schneverdingen stammt, ein "Bruder" also. Ob er noch vor Ort ist, war zuletzt ungewiss. Dass Wolfsgeschwister gemeinsam Nachwuchs zeugen, gilt als unwahrscheinlich, aber nicht als ausgeschlossen.