Am Niederrhein. Ausgerechnet ein Bruder aus dem Rudel in Niedersachsen hat den Weg zu Wölfin “Gloria“ an den Niederrhein gefunden. Partnerschaft nicht unmöglich.

Zwischen Schneverdingen in der Lüneburger Heide, wo die Eltern mit ihrem Rudel leben, und Schermbeck im Kreis Wesel liegen gut 250 bis 300 Kilometer. Wölfe nehmen nie den geraden Weg. Und dennoch ist jetzt ein junger Rüde von dort ausgerechnet am Niederrhein gelandet, wo mit der "Gloria" genannten Wölfin bereits seit dem Jahr 2018 eine Schwester von ihm lebt.

"Das dürfte Zufall sein", erklärte ein Sprecher des Landesumweltamtes (Lanuv) an diesem Freitag (8. Mai 2020) auf Anfrage der Redaktion. Den Weg des Rüden vermögen Experten nicht zurückzuverfolgen, das Tier mit der wissenschaftlichen Kennung GW1587m ist im bundesweiten Monitoring erstmals aufgetaucht. Wissenschaftler hatten bei Schermbeck aufgefundene Kotspuren eindeutig einem männlichen Wolf zuordnen können, der laut Genetik wie "Gloria" aus dem Rudel Schneverdingen stammt.

Schafhalter sind in Sorge

Die Behörden sprechen von "einem möglichen Wolfspaar" am Niederrhein, seit eine Anwohnerin am 11. April dieses Jahres morgens in Hünxe beobachtete, wie zwei Wölfe gemeinsam einen Hirsch bedrängten. Schon zuvor, aber auch danach hatte es Hinweise aus der Bevölkerung gegeben, dass "Gloria" wohl nicht mehr allein ist.

Laut bundesweiten Standards wird offiziell erst von einem Wolfspaar gesprochen, wenn ein Rüde und eine Fähe - beide geschlechtsreif - über mindestens vier Wochen in einem Gebiet nachgewiesen wurden. Schafhalter am Niederrhein sind in großer Sorge. "Mit Mit einem zweiten Wolf in der Region steht die ohnehin bedrohte Weidetierhaltung vor noch größeren Herausforderungen", hatte der rheinische Bauernpräsident Bernhard Conzen gewarnt.

"Gloria" ist vermutlich geschlechtsreif

Beim Rüden ist offen, ob er geschlechtsreif ist, bei "Gloria" (Kennung: GW954f) wird es vermutet. Dass sich bei Wölfen Geschwister verpaaren und ein Rudel gründen, gilt als sehr ungewöhnlich. Gänzlich ausgeschlossen ist es freilich nicht. Laut dem Lanuv-Sprecher sind seit dem Jahr 2000 bundesweit insgesamt sechs solcher Verpaarungen bekannt.

Zumindest fürs laufende Jahr scheint Nachwuchs zunehmend unwahrscheinlich: "Wenn, dann wären die Welpen jetzt schon da", sagte Katharina Stenglein, Wolfsexpertin beim Naturschutzbund (Nabu) in Nordrhein-Westfalen. Das Bundesamt für Naturschutz war zum Jahreswechsel 2019/2020 von deutschlandweit 105 Wolfsrudeln ausgegangen. Die Behörde hatte vor wenigen Tagen zu Wölfen eine Lebensraumstudie veröffentlicht.

Wälder und offene Landschaft

Mit Blick auf die Kriterien in der Studie erscheint der Niederrhein nicht als ideales Revier, hat aber durchaus seine Qualitäten: "Der Wechsel von offener Landschaft und Wäldern kommt Wölfen sehr entgegen", so Nabu-Expertin Stenglein. Mit Rehen, Rotwild und Wildschwein-Frischlingen gebe es ausreichend Nahrung.

Der Landesvorsitzende des Umweltverbandes BUND, Holger Sticht, findet es "sehr positiv", dass ein zweiter Wolf am Niederrhein unterwegs ist: "Es ist wichtig, dass irgendwann auch mal wieder die Möglichkeit besteht, dass sich Wölfe in NRW vermehren." Bislang hatten sich im Bundesland nur Einzeltiere angesiedelt.

Bestmögliche Unterstützung für Schäfer

Für Weidetierhalter forderte Sticht eine "unbürokratische und bestmögliche" staatliche Unterstützung beim Schutz ihrer Herden: "Dann ist der Weg frei für eine unproblematische Koexistenz von Mensch und Wolf." Die EU hatte vor Kurzem grünes Licht dafür gegeben, dass NRW ohne finanzielle Obergrenze Herdenschutz fördern kann. Das dürfte insbesondere die Anschaffung speziell ausgebildeter Hunde erleichtern.