Minden. Katja Viebranz und Sven Meyer aus Essen erkunden mit ihrer Tochter Minden, wo sie ursprünglich herkommen. Ostwestfalen hat jede Menge zu bieten.

Annika ist die perfekte Reisebegleiterin: Das sieben Monate alte Baby schläft seelenruhig an der Brust ihres Vaters oder schaut neugierig in der Gegend herum, lässt sich weder vom Dauerregen noch von den Gesprächen stören. „Nach drei Monaten Koliken am Anfang ist sie jetzt das pflegeleichteste Baby, das wir uns vorstellen können“, erzählt Katja Viebranz. Für sie und ihren Partner Sven Meyer ist das super, so können sie quer durch Minden laufen, Freunde und Verwandte besuchen und den ersten Urlaub mit Kind genießen. Die beiden Essener kommen ursprünglich aus der ostwestfälischen Kreisstadt an der Weser, seit 20 Jahren leben sie nicht mehr hier. Und eigentlich hatten sie für die Sommerferien ganz andere Pläne als nach Minden zu fahren. Nach Nordengland und Schottland sollte es gehen, um Annikas Patentante zu besuchen und mit dem Camper die Gegend zu erkunden.

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Corona machte dieser Reise einen Strich durch die Rechnung, genau wie der Fahrt nach Texel in den Osterferien und der geplanten Taufe. „Wir haben aber schnell umgedacht und auch im Ruhrgebiet einiges unternommen, alte Zechen angesehen und das Moerser Schloss besichtigt“, erzählt Katja Viebranz, die gerade in Elternzeit ist und bei einer Essener Transfergesellschaft arbeitet. In ihre Heimatstadt kehren die beiden immer gerne zurück, zumal die kleine Annika jetzt endlich Opa und Uropa kennenlernen kann. „Das ging während der Coronazeit leider nicht“, erklärt Viebranz.

Airbnb-Wohnung in der alten Garnisonsstadt Minden

Bistros und kleine Läden sind in den Fachwerkhäusern in der historischen Altstadt Mindens untergebracht.
Bistros und kleine Läden sind in den Fachwerkhäusern in der historischen Altstadt Mindens untergebracht. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Zu dritt wohnt die Familie nun in einer Airbnb-Ferienwohnung in Minden und machen Ausflüge in die Umgebung, auch Hündin Nala ist immer mit dabei. Sven Meyer kennt die schönsten Ecken der Stadt besonders gut: „Hier hat eigentlich alles ganz viel Geschichte. Am meisten lohnt sich das Schnurrviertel in der oberen Altstadt“, erzählt der 46-Jährige, während wir durch die kleinen Gassen laufen. Fachwerkhäuser gibt es hier viele, dazu kleine Cafes und Läden. „Und das älteste Steinhaus Westfalens steht hier“, sagt Meyer und deutet auf ein imposantes Gebäude aus dem Jahr 1260, in dem nun das Restaurant „Alte Münze“ ist. Auch der Dom in der unteren Altstadt ist für Besucher sehenswert. „Minden war früher Bischofssitz“, erklärt er.

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Und nicht nur das: Nach dem westfälischen Frieden von 1648 wurde Minden preußische Garnisonsstadt. Bis 1873 sicherten ihre ausgebauten Festungswälle die Provinz Westfalen gegen das Königreich Hannover ab. „Davon gibt es hier heute noch viele Spuren zu sehen“, so Meyer. In einer ehemaligen Kaserne ist das Preußen-Museum untergebracht, wo zahlreiche Originale aus dieser Zeit lagern. Viele weitere große militärische Bauten prägen das Stadtbild, wie das Garnisonslazarett, die Heeresbäckerei oder das Proviantmagazin.

Wanderwege, Radrouten, Schlösser und Denkmäler

Die „Alte Münze“ ist das älteste Steinhaus Westfalens. Das Gebäude wurde 1260 errichtet.
Die „Alte Münze“ ist das älteste Steinhaus Westfalens. Das Gebäude wurde 1260 errichtet. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Außerhalb Mindens wollen die Essener auf jeden Fall zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Porta Westfalica. „Es lohnt sich sehr, dort hoch zu wandern, oben gibt es auch einen Ausstellungsraum und ein Restaurant“, erklärt Meyer. „Rundherum sind die Wanderwege sehr empfehlenswert.“ Für die Familie steht aber noch mehr Kultur auf dem Programm: „Zum Schloss Bückeburg, das schon in Niedersachsen liegt, fahren wir immer gerne“, sagt Viebranz. Auf dem Stammsitz des Fürstenhauses Schaumburg-Lippe finden auch regelmäßig Mittelalterfestivals statt. „Die besuchen wir normalerweise in ganz Deutschland sehr gerne, auch in der passenden Kleidung“, so die 47-Jährige.

Auch diese Veranstaltungen sind aber der Coronakrise zum Opfer gefallen. Ostwestfalen hat aber glücklicherweise viele abgelegene Ecken, um genügend Abstand halten zu können. Zum Beispiel das Hiller Moor, das größte Hochmoor Westfalens. „Da können Sie stundenlang wandern und begegnen kaum einem Menschen.“ Oder die Mühlenroute, ein Radrundweg im Kreis Minden-Lübbecke, der darauf angelegt ist, die 43 heimischen Mühlen auf einem Kurs von rund 320 Kilometer miteinander zu verbinden.

Stippgrütze und Pfannkuchen sind westfälische Spezialitäten

Hoch oben über der Stadt thront das Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Besucher können hochwandern oder fahren und oben eine Ausstellung besichtigen oder ins Restaurant gehen.
Hoch oben über der Stadt thront das Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Besucher können hochwandern oder fahren und oben eine Ausstellung besichtigen oder ins Restaurant gehen. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Bei soviel Bewegung dürfen auch die westfälischen Spezialitäten zur Stärkung nicht fehlen. Pfannkuchen und Stippgrütze, auch Wurstebrei genannt, gehören dazu. „Und ein Besuch bei unserem Lieblingsspanier, den es schon ewig gibt, darf auch nie fehlen“, sagt Viebranz. Bevor die kleine Annika zur Welt kam, war das Paar, das sich 1996 während der Ausbildung kennengelernt hat, oft für längere Zeit in den unterschiedlichsten Ländern unterwegs. „In Europa haben wir mit unserem umgebauten Bulli schon viel gesehen, auch durch Kanada und Neuseeland sind wir gereist“, erzählt die Essenerin.

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Während der Corona-Zeit ging es nun ruhiger zu. „Wir haben das sogar ziemlich genossen, wenn man das so sagen darf“, sagt Viebranz. Annika war gerade erst geboren und Sven Meyer, der als Vertretungslehrer an einer Grundschule arbeitet, blieb wegen der Schulschließungen auch zuhause. „Wir hatten viel Ruhe und eine schöne gemeinsame Kennenlernzeit“, sagt Meyer. Nach den Sommerferien kehrt bei der reiselustigen Familie wieder etwas mehr Alltag ein. Vorher genießen sie aber noch den Besuch in der alten Heimat und ein paar Tage in Ostfriesland am Meer.