An Rhein und Ruhr. Bislang hatten sich die Schädlinge auf Fichten konzentriert. Am Möhnesee jedoch flogen Borkenkäfer nun auch andere Bäume an.

Mit Milliarden und Abermilliarden gefräßiger Einzeltiere ist die Borkenkäferplage in den nordrhein-westfälischen Wäldern ins dritte Jahr gegangen. Besorgniserregende Nachrichten kommen vom Möhnesee am Nordrand des Sauerlandes: Experten des Landesbetriebes Wald und Holz haben beobachtet, dass die Käfer eben nicht nur Fichten befallen, wie es bislang hieß. "Wir haben da eine neue Situation", sagte Landesbetriebssprecher Michael Blaschke an diesem Freitag (3. Juli 2020).

Am Möhnesee hat die Borkenkäfer-Unterart Buchdrucker einen Kiefernbestand sterben lassen. Die Käfer flogen die Bäume an, frässten sich in die Rinde, legten Eier und bildeten den Nachwuchs auch aus. Eine Douglasie hätten die Käfer ebenso angegriffen, berichtete Wald-und-Holz-Experte Dr. Mathias Niesar. Der Baum habe die Attacke jedoch abgewehrt - der Käfer-Nachwuchs wurde "lethal verharzt", wie Niesar berichtete.

Sowohl mit Kiefer wie auch Douglasie verbinden Förster in Zeiten des Klimawandels eigentlich Hoffnungen. Beide Nadelbaumarten gelten als Alternative ausgerechnet zur Fichte, die mit warmen Dürreperioden noch schlechter zurecht kommt. Dass aber nun vom Douglasien-Anbau abgeraten werden muss, glaubt Experte Niesar nicht.

1948 flogen Borkenkäfer auch Laubbäume an

Der Landesbetrieb will nun prüfen, wie es in anderen NRW-Regionen ausschaut. Kiefern in größerer Menge gibt es zum Beispiel auf den sandigen Böden von Niederrhein und Senne. Vom Niederrhein gibt es Meldungen über abgestorbene Kiefernbestände - ob die aber aufs Konto von Borkenkäfern gehen, ist laut Wald und Holz bislang nicht untersucht. Experte Niesar kündigte zudem Forschungen an, ob auch Laubbäume betroffen sind. Entsprechende Berichte gibt es von der letzten großen Borkenkäferplage aus dem Jahr 1948.

Die Plage jetzt hat sich nach dem Sturm Friederike Anfang 2018 während der beiden heißen Dürresommer entwickelt und ist laut Fachleuten ungleich heftiger als jene nach dem Zweiten Weltkrieg. Nachdem bereits im vergangenen Jahr 15,6 Millionen Festmeter "Käferholz" in NRW angefallen waren, befürchten Förster auch für 2020 Schlimmes. Die Borkenkäfer sind gut über den Winter gekommen, zwischen 78% und 93% der Tiere haben in der Fichtenrinde überlebt.

Förster hoffen auf einen verregneten Sommer

Untersuchungen zu Jahresbeginn hatten ergeben, dass je nach Standort pro Hektar hochgerechnet zwischen 300.000 und 10 Millionen (!) Käfer den Winter überstanden haben. Nach die Förster von Wald und Holz bereits im vergangenen Jahr in ihren Fangkörben schon doppelt so viele Borkenkäfer wie 2018 gefundne hatten, ist der Befall nun zwölf Mal so hoch wie in 2018. Damit man einen Eindruck hat: "Schon 200 Käfer können eine Fichte töten", sagt Wald-und-Holz-Sprecher Blaschke.

Fachleute befürchten, dass die Käfer dem Wald in NRW noch bis 2023 zusetzen. Bei nasskaltem Wetter allerdings sind die Schädlinge weniger aktiv. Experte Niesar hofft deshalb auf einen kühlen und verregneten Sommer: "Dann werden zwar viele Menschen depressiv - aber die Borkenkäfer noch viel mehr."

Land ändert Förderrichtlinie

Die NRW-Landesregierung hat derweil ihre Unterstützung für die Bewältigung der Schäden in den Wäldern angepasst. An diesem Freitag trat die geänderte Förderrichtinie "Extremwetterfolgen" in Kraft, wie das Umweltministerium mitteilte. 21 Millionen Euro stehen über sie für Waldbauern zur Verfügung. Der jährliche Höchstförderbetrag wurde auf 30.000 Euro verdoppelt. Fortan werden über die Richtlinie auch Maßnahmen zur Wiederaufforstung, zur bestands- und bodenschonenden Flächenräumung sowie zur Aufarbeitung abgestorbener Nadelbäume gefördert, teilte das Ministerium mit. "Unsere Wälder müssen aus der aktuellen Krise gestärkt hervorgehen", meinte Ministerin Ursula Heinen-Esser (CDU).