Dinslaken. Am letzten Spieltag benötigten die Handballer des MTV Dinslaken Schützenhilfe von Tusem Essen. Das Erfolgsrezept: Teamgeist, Euphorie und Wille.
Es war ein besonders stimmungsvoller Donnerstagabend in der bis auf den letzten Platz gefüllten Dinslakener Douvermannhalle. Am 20. Dezember 2018 besiegten die gastgebenden Handballer des MTV Rheinwacht die TSV Bonn nach großem Kampf mit 31:30 und bejubelten als Aufsteiger anschließend mit ihren euphorisierten Fans die völlig überraschende Herbstmeisterschaft in der Regionalliga Nordrhein. Über drei Tage erstreckten sich die Feierlichkeiten, denn das, da waren sich auch die Protagonisten dieses Coups einig, war nicht mehr zu toppen. Sie sollten sich alle irren. Keine fünf Monate später stand die Mannschaft von Harald Jakobs auch nach dem Ende der Rückrunde ganz oben.
Tuda fiel mit Mittelhandbruch aus
„Das Erlebnis mit dem Bonn-Spiel war schon grandios. Wir haben den Moment genossen, aber gleichzeitig gedacht, dass es im neuen Jahr sicher nicht so weitergehen würde. Doch dann kamen ja noch einige Highlights“, erinnert sich MTV-Akteur Philipp Tuda. Als allererstes fällt dem Rückraumspieler da der 23:22-Auswärtssieg gegen die SG Ratingen ein, auch wenn die extrem umkämpfte Partie beim Ratinger Starensemble für Tuda mit einem Mittelhandbruch und anschließender zweimonatiger Pause endete. Den nächsten ganz großen Auftritt seines Teams erlebte der 28-Jährige dann also nur von der Tribüne mit. In heimischer Halle lieferte der MTV im Spitzenspiel gegen den TuS Opladen sein Bravourstück ab, ließ dem Gast aus Leverkusen beim 27:19 überhaupt keine Chance. „Da haben wir eine unserer allerbesten Leistungen gezeigt. Das war überragend“, erinnert sich auch Harald Jakobs gerne an diese Begegnung zurück, bei der 45 Minuten vor dem Anwurf schon kein Platz mehr auf der Tribüne frei war.
Harald Jakobs musste das Training dosieren
Spätestens mit dieser Vorstellung war Rheinwacht vom krassen Außenseiter zum ernsthaften Titelanwärter avanciert, doch die neue Rolle schien die Mannschaft in der Folge auch ein wenig zu hemmen. Zudem schwanden im recht kleinen Kader mehr und mehr die Kräfte, fast alle Spieler klagten mittlerweile über Blessuren, Jakobs musste auch bei den Übungseinheiten immer mehr dosieren. „Wir hatten so viele enge Spiele, bei denen wir immer wieder ans Limit gehen mussten. Das hat sich dann ein bisschen gerächt“, erklärt Tuda.
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Eine Woche nach dem Sieg über den Verfolger aus Leverkusen verloren die Dinslakener trotz einmal mehr großartiger Unterstützung ihrer Auswärtsfans knapp in Bonn-Beuel. Ein Heimerfolg über den designierten Absteiger Königshof und ein Zittersieg bei der HSG Siebengebirge bescherten dem MTV dann aber zwei Matchbälle – die der Aufsteiger beide ausließ. Zu Hause gegen Tusem Essen II war für die große Feier schon alles vorbereitet, doch das Spiel ging mit 27:28 verloren. Am Samstag darauf lief beim TV Korschenbroich gar nichts mehr zusammen. Beim 26:34 war Dinslaken chancenlos. Den Titel hatte der MTV dem Konkurrenten aus Ratingen damit quasi auf dem Silbertablett serviert.
Punkt in Essen hätte Ratingen gereicht
Ein Punkt in Essen hätte der SG gereicht, doch die im Mittelfeld befindliche Tusem-Reserve, für die es ja eigentlich um nicht mehr viel ging, hängte sich noch einmal voll rein, was nicht zuletzt auch an der Unterstützung von den Rängen lag, für die zahlreiche an die Margarethenhöhe gereiste Dinslakener Fans und Spieler sorgten. „Wir sind dann natürlich alle nach Essen gefahren, hatten aber eigentlich keine große Hoffnung mehr. Doch die wurde dann im Laufe der Partie immer größer. Das Spiel schien ewig zu dauern“, weiß Philipp Tuda noch. Die Schlussphase war an Spannung kaum zu überbieten.
Mit dem letzten gehaltenen Ball des Essener Keepers standen Tusem-Sieg und MTV-Titel schließlich fest. Der Jubel im Dinslakener Block kannte keine Grenzen. In der Stammkneipe „Maaß“ wurde anschließend eine spontane Meisterfeier arrangiert, zu der zu späterer Stunde sogar auch noch einige Tusem-Akteure mit dem Taxi vorgefahren kamen. Tuda: „Es war zwar ein Sonntagabend, aber das hat da keinen mehr wirklich interessiert.“
Philipp Tuda: „Kampfgeist in engen Spielen“
Doch womit hat es sein Team – abgesehen von der Essener Schützenhilfe – vor etwas mehr als einem Jahr überhaupt geschafft, als Aufsteiger die gesamte Konkurrenz zu düpieren? Philipp Tuda muss nicht lange überlegen und sagt dann bestimmt: „Das sind für mich genau drei Dinge: Teamgeist, Euphorie und Wille. Ich habe noch nie in einer Mannschaft gespielt, in der sich alle dermaßen aufeinander verlassen konnten. Hinzu kamen die immer größer werdende Unterstützung der Fans und die Tatsache, dass wir uns in den engen Spielen immer auf unseren Kampfgeist verlassen konnten.“
Dass dem Überraschungsmeister am Ende der Sprung in die dritthöchste Spielklasse verwehrt blieb, weil wegen einer Ligenreform nur zehn der insgesamt zwölf Titelträger aufsteigen durften, ist eine andere, weniger erfolgreiche Geschichte. „Aber auch das war eine riesen Erfahrung“, sagt Tuda.