Dinslaken. . Den eigenen Matchball vergab der MTV Rheinwacht Dinslaken in Korschenbroich. Weil auch Ratingen in Essen nicht gewann, durfte der MTV jubeln.
Vom Jammertal zum emotionalen Gipfel – der MTV Rheinwacht Dinslaken erlebt am letzten Spieltag in der Handball-Regionalliga ein Gefühlschaos. Nach der schallenden 26:34-Niederlage beim TV Korschenbroich am Samstag schien der Traum von der Meisterschaft und einem möglichen Aufstieg in die 3. Liga geplatzt.Keine 24 Stunden später sieht die MTV-Welt mit einem Mal ganz anders aus.
Ein Spieltag in Momenten.
18.31 Uhr. Sonntag, Essen.
29:28 – TuSEM Essen schlägt die SG Ratingen, den punktgleichen Verfolger der Dinslakener. Der MTV ist Meister.
Kopfschüttelnd stand er inmitten einer Jubeltraube. Marco Banning konnte es so recht noch gar nicht fassen. „Jetzt haben wir es irgendwie doch geschafft“, sagte der MTV-Torhüter mit einem glücklichen Funkeln in den Augen. Meister! Gehofft hatten es die vielen Dinslakener, darunter neben Banning auch zahlreiche weitere Spieler, die am Sonntagnachmittag die halbe Tribüne in der Sporthalle auf der Essener Margarethenhöhe geentert hatten. So richtig daran geglaubt hatte aber niemand. „Das ist der Wahnsinn! Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Ratingen das noch verspielt“, jauchzte Philipp Tuda. Die favorisierten Löwen nutzten die Steilvorlage des MTV aber nicht, auch weil das junge Essener Team ein sehr starkes Spiel machte. So konnte sich MTV-Spieler und Fans doch noch jubelnd in die Arme fallen.
Keine 24 Stunden zuvor hatte das noch ganz anders ausgesehen.
21 Uhr. Samstag, Korschenbroich.
Das Spiel ist aus. Weinende Fans, am Boden zerstörte Spieler – es scheint, als sei der Titeltraum geplatzt.
Auch in Korschenbroich wurden Umarmungen verteilt – vornehmlich jedoch, um Trost zu spenden. Nach einem verkorksten Abend versuchte sich Harald Jakobs in so etwas wie Zweckoptimismus. „Jetzt waren wir eine ganze Serie vorne. Vielleicht . . .“ Aber auch der MTV-Trainer hatte in diesem Moment nicht mehr damit gerechnet, dass sich die Lage am Sonntag noch einmal ändern könnte. Gefasst analysierte Jakobs die Partie gegen den TVK. Das Spiel hatte wahrlich wenig Anlass geboten, um diese über weite Strecken furiose Saison mit positiven Worten zu beschließen. Jakobs schaffte es dann doch: „Die Euphorie, die wir entfacht haben, kann uns niemand mehr nehmen.“
21.44 Uhr. Samstag, Korschenbroich.
Laut und klar hallt es durch die kühle Korschenbroicher Frühlingsluft: „Forza MTV!“
Die von Jakobs beschworene Euphorie rund um den MTV war auch im Moment der Niederlage deutlich zu spüren. Der schwache Auftritt ihrer Mannschaft war gerade erst beendet, da schwenkten die tapferen Anhänger des MTV schon wieder ihre rot-weißen Fahnen, versuchten ihre geknickten Lieblinge mit lauten Schlachtrufen aufzuheitern und verabredeten kurzerhand Fahrgemeinschaften nach Essen. Ein kleiner Funke Hoffnung glimmte noch in diesem Moment.Das Bild unterschied sich nur wenig von jenem, das sich den Beobachtern knapp zwei Stunden zuvor auf der linken Tribünenseite der Waldsporthalle geboten hatte. Einziger Unterschied: Zu diesem Zeitpunkt war die Hoffnung des MTV riesengroß. Es brauchte nur noch diesen einen Sieg. Die Dinslakener hatten es selbst in der Hand.
20.05 Uhr. Samstag, Korschenbroich.
Fabian Gorris trifft zum 12:12 (25. Minute). Der MTV wittert seine Chance.
Nur in wenigen Momenten blitzte die spielerische Klasse des MTV auf. Die Last des „Gewinnenmüssens“ schien dem Tabellenführer bleischwer auf den Schultern zu liegen. Schon in den ersten Minuten schossen die Dinslakener Korschenbroichs Keeper Max Vitz auf Betriebstemperatur. Vitz, zumeist nur zweite Wahl hinter Felix Krüger, machte sein letztes Spiel für den TVK und sollte mit unzähligen Paraden letztlich zum Helden avancieren. Das lag aber vor allem auch daran, dass die Mannschaft von Harald Jakobs im Angriff kaum zu ihrem Spiel fand und fast durchgängig einem Rückstand hinterherhechelte. Trotzdem ging es mit einem erträglichen Zwei-Tore-Rückstand (13:15) in die Pause. So war noch alles drin.
20.36 Uhr. Samstag, Korschenbroich.
22:18-Führung für Korschenbroich. Der MTV gibt das Spiel nun vollkommen aus der Hand.
„Wir haben es in der zweiten Halbzeit gar nicht mehr geschafft, für Druck aus dem Rückraum zu sorgen. Das hat total gefehlt“, bemühte sich Harald Jakobs, die bittere Niederlage zu analysieren. Der TVK traf gegen die löchrige Abwehr des MTV fast nach Belieben und setzte sich nun Tor um Tor ab. Die letzte Patrone der Gäste, die Umstellung auf eine offenere Deckung (5:1 und später 4:2), verfehlte auch das Ziel. „Das war ja sogar kontraproduktiv“, seufzte Jakobs.
18.20 Uhr. Sonntag, Essen.
Der TuSEM legt gegen Ratingen vier Minuten vor Spielende wieder eine Führung (26:25) vor. Die angereisten Dinslakener hält es nicht mehr auf den Sitzen. TuSEM! TuSEM! schallt es durch die Halle.
20 Sekunden vor Schluss kamen die Ratinger noch einmal in Ballbesitz. Die Nerven der Fans (in beiden Lagern) waren da ohnehin schon längst bis aufs Äußerste strapaziert. 29:28 war auf der rot leuchtenden Anzeigetafel zu lesen. Ein Tor hätte dem MTV-Verfolger gereicht. Auszeit. Der Sekundenzeiger tickte erbarmungslos. Die letzte Aktion blieb erfolglos. Riesenjubel in Dinslaken. „Der absolute Hammer! 1000 Dank an Essen“, freute sich Philipp Tuda.