An Rhein und Ruhr. „Insekten retten, Artenschwund stoppen“: Nabu, BUND und LNU wollen ab Frühjahr Unterschriften für eine konsequente NRW-Umweltpolitik sammeln.

Umweltverbände erhöhen den Druck auf die NRW-Landesregierung: Ab Frühjahr werde man Unterschriften für eine Volksinitiative „Insekten retten, Artenschwund stoppen“ sammeln, kündigten BUND, Nabu und Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) an diesem Montag (27. Januar 2020) an. Ein Thema soll der Kampf gegen den in Nordrhein-Westfalen weiter ungebremsten Flächenverbrauch sein.

Tag für Tag müssen in NRW etwa zehn Hektar für die Natur und Artenvielfalt wichtige Freifläche weichen - für Gewerbegebiete, Straßen und Rohstoffabbau. Das Ziel, den Flächenverbrauch auf fünf Hektar zu begrenzen, hatte die schwarz-gelbe Koalition beim neuen Landesentwicklungsplan gestrichen. „Das Credo der Landesregierung, die Wirtschaft zu entfesseln, forciert geradezu den Verlust von Lebensräumen und Artenschwund“, klagt der BUND-Landesvorsitzende Holger Sticht. Aus Sicht der Umweltverbände muss der Flächenverbrauch „perspektivisch auf Null“ gesenkt werden.

„Aufbruch Fahrrad“ als erfolgreiches Vorbild

Die Ankündigung der Volksinitiative erfolgt im Vorfeld einer von SPD und Grünen beantragten Landtagsanhörung zum Artenschwund in NRW an diesem Mittwoch. Die konkreten Forderungen ließen die Verbände noch offen, wie auch den genauen Starttermin. Mit der Volksinitiative wählen die NRW-Verbände ein kleineres Instrument als Umweltschützer in Bayern, wo im vergangenen Jahr ein Volksbegehren zum Artenschutz erfolgreich war.

Mitgliederstarke Verbände

Hinter der geplanten Volksinitiative „Insekten retten, Artenschwund stoppen“ stehen starke Verbände: Der Nabu kommt in NRW auf rund 100.000 Mitglieder, der BUND auf 35.000, die LNU zählt als Dachverband den Angaben zufolge 100 Vereinigungen des ehrenamtlichen Naturschutzes mit insgesamt 300.000 Mitgliedern (z. B. Alpenverein und Sauerländischer Gebirgsverein, Heimatbünde). (dum)

Für ein Begehren wären in NRW rund 1,2 Millionen Unterschriften nötig gewesen, entsprechend kostspielig wäre der Aufwand. Damit sich der Landtag mit den Forderungen einer Volksinitiative befasst, sind hingegen nur etwa 66.000 Unterschriften nötig. Im vergangenen Jahr war in NRW die Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“ von ADFC, Radkomm und anderen Mitstreitern überaus erfolgreich – die Umweltverbände haben für ihre Unterschriftensammlung also ein Vorbild.

„Teils Stillstand, teils Rückschritt“

Wichtig sei, dass sich in der Umweltpolitik grundlegend etwas ändern. „NRW muss an vielen Stellschrauben drehen“, forderte Nabu-Landeschefin Heide Naderer. Vom Nabu war der Anstoß einer basisdemokratische Initiative in NRW gekommen. „Seit Regierungsantritt von CDU und FDP herrscht teils Stillstand, teils Rückschritt“, klagte LNU-Chef Mark vom Hofe. Mit der Initiative wolle man die Landesregierung zum Handeln antreiben.

Nach Auffassung der Umweltverbände ist die Bedrohung der Artenvielfalt „dramatisch“. Beispiel Insekten: Bundesweit beachtete Untersuchungen von Krefelder Forschern hatten nachgewiesen, dass die schiere Masse an Insekten binnen weniger Jahrzehnte örtlich um über 70% zurückgegangen ist. Ein Blick in die (schon nicht mehr ganz aktuellen) Roten Listen zeigt überdies, dass 52% aller Wildbienenarten in NRW ausgestorben oder gefährdet sind, bei den Tagfalterarten sind es 71% der Arten.

Ministerium will alle Gruppen einbinden

Das NRW-Umweltministerium reagierte auf die Ankündigung der Verbände nicht beleidigt, im Gegenteil. Man sehe „sich durch die Volksinitiative in seiner Arbeit zum Schutz der biologischen Vielfalt in Nordrhein-Westfalen unterstützt“, teilte ein Sprecher von Ministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) auf Nachfrage der Redaktion mit. Zusammen mit den Folgen des Klimawandels stelle der Verlust der biologischen Vielfalt die gegenwärtig größte ökologische, aber auch ökonomische Bedrohung dar.

Die mit der Ankündigung der Initiative angesprochenen Themen seien „auch für die Landesregierung wichtige Anliegen“, versicherte der Sprecher. Man wolle diese aber „nicht bilateral mit den Naturschutzverbänden erörtern“, sondern alle gesellschaftlichen Gruppen einbinden. Der Sprecher erinnerte daran, dass man als erstes Bundesland derzeit die Ursachen des Insektenrückganges per Langzeitstudie erforschen lasse. Ein Flächensparprogramm habe man erarbeitet; es befinde sich derzeit aber noch in der regierungsinternen Abstimmung.

Auch Bauern beklagen den Flächenfraß

„Ordnungsrecht schützt Insekten nicht! Am Ende zählt das, was tatsächlich für sie getan wird“, sagte Andrea Hornfischer von den Rheinischen Bauern. Sie verwies darauf, dass die Landwirte schon seit Jahren Blühstreifen anlegten und Zwischenfrüchte anbauten, um Insekten und Wildpopulationen zu helfen. Man wolle da auch noch besser werden, das Problem des Insektenschwundes aber lasse sich nur gesamtgesellschaftlich lösen. Der Verlust von Freiflächen sei auch für die Bauern ein Riesen-Problem.