MÜnster. . „Wir wollen auch mit der Landwirtschaft sprechen“, betont Nabu-Landeschef Tumbrinck. Positive Signale kommen von Grünen und SPD.

Der Naturschutzbund (Nabu) sucht in Nordrhein-Westfalen Partner für ein Artenschutz-Volksbegehren, wie es in Bayern erfolgreich war. Positive Signale kommen von den Grünen und von der SPD. Der Nabu will weitere Umweltverbände mit ins Boot holen, ebenso z. B. Imker oder Fischer. „Wir wollen auch mit der Landwirtschaft sprechen“, betonte Landeschef Josef Tumbrinck gegenüber der Redaktion.

Die Bauern betreffe es ja am meisten, sagte Tumbrinck am Samstag am Rande einer Insekten-Fachtagung in Münster mit über 200 Teilnehmern. Pestizid-Einsatz, Überdüngung und Monokulturen werden wesentlich dafür verantwortlich gemacht, dass es weniger Insekten gibt.

Forscher aus Krefeld hatten in bundesweit beachteten Untersuchungen nachgewiesen, dass die Insektenmasse binnen 30 Jahren stellenweise um mehr als 75% zurückgegangen ist. Für die Rückgänge werden aber auch Ursachen jenseits der Landwirtschaft gesehen – etwa die massenhaften künstlichen Lichtquellen nachts in Städten, die Insekten verwirren.

Volksinitiativen, Volksbegehren, Volksentscheid

  • Ein erfolgreiches Volksbegehren läuft auf einen Volksentscheid zu. Die Bürger werden also dann zur Wahl gerufen: „Das, was dann bei der Wahl entschieden wird, ist dann Gesetz“, erklärt Alexander Trennheuser vom Verein Mehr Demokratie. Die Erfolgshürde für ein Volksbegehren liegt in NRW bei 8% der Wahlberechtigten – also etwa 1,2 Mio Menschen.
  • Hinzu kommt, dass die Formulierung bei einem Begehren klug gewählt werden muss. Über Finanzfragen kann nicht entschieden werden („Finanzausschluss“). In NRW gab es bisher erst einen erfolgreichen Volksentscheid. Das war die Annahme der Verfassung im Jahr 1949.
  • Eine Volksinitiative hingegen ist so etwas wie eine Massenpetition. Mit ihr lässt sich erreichen, dass sich der Landtag mit einem Thema befasst. Die Hürde liegt hier bei 0,5% der Wahlberechtigten – etwa 66.000 Menschen.
  • In NRW laufen aktuell zwei Volksinitiativen. Der ADFC und viele Mitstreiter machen sich unter dem Motto „Aufbruch Fahrrad“ für die Verkehrswende und ein eigenes Fahrradgesetz stark. Der Steuerzahlerbund wirbt für eine Abschaffung der Straßenausbaubeiträge und hat nach eigenen Angaben schon über 300.000 Unterschriften

Beim Volksbegehren in Bayern hatten sich 1 745 383 Wahlberechtigte in Unterstützerlisten eingetragen – fast 750.000 mehr als eigentlich nötig gewesen wären. Im einwohnerstärkeren NRW wären knapp 1,2 Millionen Unterstützer erforderlich. Beim Nabu zeigt man sich entschlossen, ein solches Begehren auf den Weg zu bringen: „Wir wollen das machen, da gibt es ein klares Signal“, sagte Tumbrinck in Münster. Ein Begehren freilich will gut vorbereitet sein, nicht zuletzt geht es auch um Kosten in sechs- oder siebenstelliger Euro Höhe.

Notwendig sei es in NRW allemal, ist Tumbrinck überzeugt. Beim Nabu verweist man auf die Situation der Insekten und vieler Vogelarten. Hinzukomme, dass die schwarz-gelbe Landesregierung „eine naturschutzfeindliche Agenda“ habe. Umweltministerium Ursula Heinen-Esser (CDU) nimmt Tumbrinck ausdrücklich aus. Sie sei sehr engagiert, könne sich aber auch nicht über den Koalitionsvertrag hinwegsetzen.

Unterstützung von Bundesministerin Schulze

„Wir stehen dem Anliegen positiv gegenüber und freuen uns auf Gespräche mit den Verbänden“, sagte Grünen-Landesvorsitzende Mona Neubaur auf Nachfrage der Redaktion. Die Landes-SPD hat dem Vernehmen nach einen positiven Präsidiumsbeschluss gefasst. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), die in Münster wohnt, sagte am Rande der Tagung am Samstag: „Ich würde ein solches Begehren persönlich sehr begrüßen, das Thema trifft einen Nerv.“

Der Rückgang der Insektenmasse um mehr als 70% sei ein „Alarmruf für uns alle“, so Schulze weiter. Die Ministerin selbst will ihr Maßnahmenprogramm für den Artenschutz so schnell wie möglich an den Start bringen. Derzeit befinde es sich in der Abstimmung mit den anderen Bundesministerien.

„Ich würde mich sehr freuen, wenn es in Nordrhein-Westfalen mal wieder ein erfolgreiches Volksbegehren gäbe“, sagte Alexander Trennheuser vom Verein Mehr Demokratie auf Nachfrage der Redaktion. Ein Begehren sei „so etwas wie eine demokratische Bildungsveranstaltung“, weil sich auf breiter Front mit einem Thema auseinandergesetzt werde.

Verein: „Hürden für Begehren sind zu hoch“

Bei der Tagung in Münster: Bundesumweltministerin Svenja Schulze, eingerahmt von Nabu-Landesvize Christian Chwallek und Schmetterlingsfachfrau Sarah Bölke.
Bei der Tagung in Münster: Bundesumweltministerin Svenja Schulze, eingerahmt von Nabu-Landesvize Christian Chwallek und Schmetterlingsfachfrau Sarah Bölke. © Königs/Nabu

Zuletzt waren im Jahr 2017 in NRW die G 9-Befürworter mit ihrem Bürgerbegehren gescheitert. Sie forderten eine Rückkehr zum Abitur erst nach 13 Schuljahren, bekamen aber nicht genügend Unterstützer zusammen. Wesentliche ihrer politischen Forderungen hat die Landespolitik mittlerweile aber dennoch erfüllt.

Der Verein Mehr Demokratie hält die Hürden für Volksbegehren für zu hoch: „Unserer Auffassung nach würden auch zwei oder drei Prozent der Wahlberechtigten als Unterstützer reichen“, sagte Trennheuser. Auch der sogenannte „Finanzausschluss sei“ nicht nötig.

>>> RHEINISCHE BAUERN ZURÜCKHALTEND

  • Der Rheinische Landwirtschafts-Verband (10.000 aktive Bauern) lässt in einer ersten Stellungnahme durchblicken, dass er ein Volksbegehren für nicht nötig hält: Naturschutz und Landwirtschaft könnten „im konstruktiven Dialog gemeinsame Lösungen finden“, erklärte der rheinische Bauernpräsident Bernhard Conzen. Die Vereinbarung zu Streuobstwiesen etwa sei ein gutes Beispiel dafür, was umgesetzt werden könne, wenn beide Seiten aufeinander zugingen.
  • Bauern hätten erkannt, dass zu einer zukunftsfähigen Landbewirtschaftung auch mehr Struktur in der Landschaft gehöre; daher setze man verstärkt auf Stilllegungsflächen und Blühstreifen, so Conzen weiter. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode habe man eine Vereinbarung zur Förderung der biologischen Vielfalt auf dem Land beschlossen.