Am Niederrhein. Weidetierhalter am Niederrhein sind in Sorge. Naturschützer setzen darauf, dass konsequente Herdenschutzmaßnahmen greifen.

Wird Wölfin „Gloria“ angesichts von neuen Schafsrissen zum „Problemwolf“, gegen den kein Herdenschutzzaun mehr hilft? Umweltschützer vom Naturschutzbund (Nabu) zeigen Verständnis für die wachsenden Sorgen von Weidetierhaltern rund um Schermbeck. Nabu-Landesvize Christian Chwallek mahnt aber auch: „Ein Abschuss kann nur die Ultima Ratio, also die allerletzte Möglichkeit, sein.“ Wölfe stehen unter strengem Naturschutz.

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Bei einer Veranstaltung an diesem Samstag (27. Juli 2019) in Hamminkeln präsentierten die Naturschützer zusammen mit der Stiftung Dingdener Heide moderne Elektrozäune, die Wölfe von Herden fernhalten sollen: 1,20 Meter hoch, oben nach außen geklappt und mit vorgelagerter Elektrolitze am Boden als Untergrabschutz. Die Naturschützer stellten auch sogenannte Data-Logger vor – Geräte, welche die Spannung am Elektrozaun unablässig kontrollieren und die Schäfer bei einem etwaigen Spannungsabfall per SMS informieren.

„An fachgerechtem Herdenschutz führt kein Weg vorbei“

20 solcher Data-Logger hat der Nabu jetzt angeschafft. Sie sollen Schäfern in den drei nordrhein-westfälischen Wolfsgebieten kostenlos und unkompliziert zur Verfügung gestellt werden, die Beantragung soll über die Schafzuchtverbände erfolgen. Allein 12 Geräte sind für Niederrhein vorgesehen, wo die „Gloria“ genannte Wölfin seit Juni 2018 ansässig ist. Dort gab es die bisher meisten Übergriffe auf Herden, etwa 20 werden „Gloria“ zugeordnet. Sechs Data-Logger sollen im Bereich Eifel/Hohes Venn eingesetzt werden, wo sich ein Wolfsrüde niedergelassen hat. Zwei Geräte gehen nach Ostwestfalen in die Senne, wo eine weitere Wölfin sesshaft geworden ist.

Schäfer Achim Koop stellte in Hamminkeln einen von ihm gebauten Drahtzaun vor, der zum Teil elektrisch gesichert ist. Der Zaun steht neben seiner Weide in der Dingdener Heide, wo vor drei Jahren einige seiner Tiere von einem Wolf gerissen wurden.
Schäfer Achim Koop stellte in Hamminkeln einen von ihm gebauten Drahtzaun vor, der zum Teil elektrisch gesichert ist. Der Zaun steht neben seiner Weide in der Dingdener Heide, wo vor drei Jahren einige seiner Tiere von einem Wolf gerissen wurden. © dpa | Arnulf Stoffel

Wichtig aus Sicht von Nabu-Vize Chwallek: Sollte es dennoch zu einem Nutztierriss kommen, gäben die Data-Logger Rechtssicherheit, dass der Zaun tatsächlich unter Strom war. „An flächendeckendem, fachgerechtem Herdenschutz in Wolfsgebieten führt Weg vorbei“, sagt Thomas Pusch, Nabu-Wolfsexperte. Die Naturschützer kritisieren, dass der Herdenschutz im Wolfsgebiet Schermbeck zu langsam, zu bürokratisch aufgebaut worden sei. Christian Chwallek im Gespräch mit der Redaktion nennt als Beispiel, dass zunächst 90 Zentimeter Zaunhöhe vorgegeben wurden, die später auf 1,20 Meter korrigiert wurden.

Niederrhein-Wölfin ernährte sich monatelang von Wild

Die Anschaffung von Herdenschutzzäunen wird in Wolfsgebieten zu 100% gefördert. Das NRW-Umweltministerium hatte jüngst Zahlen genannt. Im Wolfsgebiet Schermbeck nebst Pufferzone habe es in diesem Jahr 30 Anträge gegeben plus weitere 26 in der Pufferzone (Vorjahr: 46), in der Senne plus Pufferzone seien 51 gewesen und in der Pufferzone zum rheinland-pfälzischen Wolfsgebiet Stegeskopf 25. Noch keine Zahlen wurden zum erst vor wenigen Wochen ausgerufenen Wolfsgebiet Eifel genannt. Insgesamt seien Herdenschutzmaßnahmen seit dem Jahr 2017 mit 43.528,31 Euro gefördert worden.

Mit Blick auf Wölfin „Gloria“ am Niederrhein liegt Christian Chwallek sehr an einer sachlichen Diskussion. Der Nabu-Vize erinnert daran, dass in der Region zwischenzeitlich auch monatelang überhaupt keine Nutztierrisse gegeben hatte: „Da hat sich die Wölfin offenkundig ausschließlich von Wild ernährt.“ Grundsätzlich sei die Rückkehr von Wölfen auch zu begrüßen, weil sie Teil des hiesigen Ökosystems seien. Sie seien „ein Regulativ für den Überbestand an Rehen und Hirschen in unseren Wäldern.“