Am Niederrhein/Ostwestfalen. . Rund um den Truppenübungsplatz Senne bei Bielefeld mehren sich seit Juni die Wolfsnachweise. Jungwölfe ziehen eigentlich erst wieder im Dezember.

Seit dem 1. Oktober gibt es am Niederrhein offiziell das erste „Wolfsgebiet“ in Nordrhein-Westfalen. Die Wölfin mit der wissenschaftlichen Kennung GW954f hat sich - wie berichtet - offenbar in der Region niedergelassen. Aber, gibt es möglichwerweise noch einen zweiten sesshaften Wolf in NRW? Seit Juni mehren sich die Nachweise in Ostwestfalen. Der bei Bielefeld gelegene, britische Truppenübungsplatz Senne gilt in Fachkreisen als heißer Kandidat für ein Wolfsrevier.

Das Landesumweltamt (Lanuv) bestätigte an diesem Freitag, dass das Bild einer Wildkamera vom 23. Oktober aus Schloss Holte-Stutenbrock (Kreis Gütersloh) einen Wolf zeigt. Zudem hätten DNA-Proben aus Speichelresten in Kadavern von Damwild ergeben, dass am 27. Juli und am 1. September das Wild gerissen hatte. In dem einem Fall vom Juli konnten die Experten des Senckenberg-Institutes die Speichelprobe individualisieren. Sie stellten fest, dass es sich um einen weiblichen Wolf (eine sogenannte Fähe) handelt, der bisher nicht in Erscheinung gertreten war und gaben ihm die Kennung GW1044f.

Wilde Spekulationen über „eingeschleuste“ Tiere

Seit Juni gibt es damit im laufenden Jahr fünf Wolfsnachweise in Ostwestfalen – davon schon vier im näheren und weiteren Kreis der Senne, wenn man Schloss Holte-Stutenbrock dazu zählt, und einen am 3. Juni im Kreis Höxter. Ein Lanuv-Sprecher betonte gestern auf NRZ-

Natur pur: die Senne in Ostwestfalen.
Natur pur: die Senne in Ostwestfalen. © Tornede/Nabu

Nachfrage, dass man die Häufung wohl registriert habe. Von einem weiteren, standorttreuen Wolf könne man aber erst bei mehreren individualisierten Hinweisen binnen eines halben Jahres sprechen: „Wir beobachten das.“

Bemerkenswert freilich: Die jüngsten Nachweise aus Ostwestfalen liegen - ganz genau wie am Niederrhein - außerhalb der Zugzeit der Jungwölfe, die eigentlich erst im Dezember wieder beginnt.

Die häufige Sichtung von Einzeltieren rief zuletzt Spekulationen im Internet aber auch bei NRZ-Leserbriefschreibern hervor: So kursiert die Theorie, die Wölfe seien von Naturschützern aus Polen über die Grenze geschleust und heimlich ausgesetzt worden.

Lanuv-Sprecher Wilhelm Deitermann weist solche Spekulationen zurück: „Absurd. Von unserer Seite liegen keine Hinweise vor, dass Wölfe ausgesetzt werden. Niemand kann beeinflussen, wo und wann ein Wolf durchstreift.“ Auch über das Rudel klärt die Umweltbehörde auf: Dieses besteht immer aus den beiden Eltern- und den Jungtieren. Sobald die Jungwölfe geschlechtsreif sind, suchen sie sich jeder ein neues Territorium, um ein neues Rudel zu gründen.

Der Landesjagdverband beteiligt sich nicht an den wilden Spekulationen. „Der Wolf hat eine Populationsdynamik, die eine solche natürliche Ausbreitung wahrscheinlich macht“, sagt der Sprecher des Jagdverbandes NRW, Andreas Schneider. Der Sprecher des BUND im Kreis Wesel, Günther Rinke, erklärt: „Solche Vorwürfe sind uns nicht unbekannt.“ Er verweist weiter auf die wissenschaftlichen Analysen des Senkenberg-Instituts. Das Landesumweltministerium deutet zudem auf die erste Sichtung in Deutschland vor 18 Jahren hin, eine lange Zeit, bis der Wolf in NRW nun angekommen ist. „Wäre der Wolf ausgesetzt worden, wäre er viel früher und zahlreicher in NRW aufgetaucht“, so Sprecher Peter Schütz.

Gut, dass der Wolf wieder bei uns heimisch wird...? – Ein Pro und Contra 

Pro – „Im Leben gibt es viele Gefahren. Der Wolf gehört sicher nicht dazu.

Die Wahrscheinlichkeit, vom Hund eines überforderten Herrchens gebissen zu werden, ist für jeden Jogger höher als einen Wolf auch nur zu sehen. Freilaufende Hunde sind übrigens bislang die Schafe-Killer Nr.1, das nur nebenbei. Wir sollten uns freuen, dass ein für das ökologische Gleichgewicht so wichtiges Raubtier in unsere Wälder zurückkehrt, die im Übrigen vor einer anderen Spezies nur so strotzen, die hohe Aggressivität, kaum Scheu vor Menschen und 15 Zentimeter lange Hauer mitbringt. Haben Sie persönlich deshalb Angst vor Wildschweinen?“ (Cornelia Färber)

Contra – „Haben Sie den Wolf bisher bei Ihren Waldspaziergängen vermisst?

Ich nicht. Wir leben in einer der am dichtesten besiedelten Regionen Europas. Wohnviertel, Schienenstränge und Autobahnen passen nun mal nicht in ein Wolfsrevier – da ist der Konflikt programmiert. Es ist ja eine hübsche romantische Vorstellung, dass wir im Einklang mit wilden Tieren leben könnten. Das wird nicht gehen. Der Wolf wird auf Suche nach Nahrung in die Siedlungen vorrücken, im Müll wühlen und Haustiere verspeisen – nicht nur Schafe. Und spätestens dann ist der Retter aus unseren Märchenbüchern gefragt: der Jägersmann.“ (Peter Toussaint)