Sydney. Resistente Keime stellen ein immer größeres Gesundheitsrisiko dar. Australische Forscher haben nun ein Mittel gefunden, das helfen könnte.

Auf den ersten Blick sind Austern unauffällige Lebewesen: Gut getarnt „kleben“ die Muscheln an Felsen in Flüssen und Küstenbereichen, wo sie rund um die Uhr das Wasser filtern und so als „Nieren“ für ganze Ökosysteme dienen. Die schmackhafte Delikatesse ist jedoch noch nützlicher als bisher schon bekannt war. So fand eine Studie der Southern Cross University in Australien heraus, dass die Tiere auch im Kampf gegen Superbakterien zum Einsatz kommen und damit helfen könnten, ein weltweites Problem zu lösen: antibiotikaresistente Bakterien.

Die im Fachmagazin „Plos One“ veröffentlichte Forschungsarbeit zeigt, dass ein Protein im Blut einer Sydney Rock Oyster (Saccostrea glomerata) nicht nur Bakterien abtötet, sondern auch die Wirksamkeit einiger herkömmlicher Antibiotika gegen eine Reihe von Bakterien erhöht. Ein vielversprechender Fund, denn die Keime haben aufgrund der übermäßigen Verabreichung von Medikamenten Resistenzen gegen viele herkömmliche Antibiotika entwickelt.

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Superkeime, die gegen bestehende Antibiotika resistent sind, sind schon heute ein weltweites Gesundheitsproblem, das jedes Jahr fast fünf Millionen Menschenleben kostet. Schätzungen gehen davon aus, dass diese Zahl in den kommenden Jahren um ein Vielfaches ansteigen und bis 2050 schätzungsweise 40 Millionen Todesfälle auf resistente Keime zurückzuführen sein werden.

Australien: Austern werden seit Jahrtausenden in der Heilkunde genutzt

In einigen herkömmlichen Arzneimitteln werden Austern seit Langem verwendet, so beispielsweise in der traditionellen chinesischen Medizin: Hier werden verschiedene Präparate aus Austern für die Behandlung von Atemwegsinfektionen und entzündlichen Erkrankungen empfohlen. Austern spielen zudem seit Jahrtausenden auch eine wichtige Rolle für die Gesundheit der indigenen Bevölkerung Australiens.

Eine Frau hält in einem weißen Kittel und blauen Handschuhen eine Auster und ein Metallgegenstand in der Hand
Das Blut der Schalentiere weist antivirale Fähigkeiten auf. © Southern Cross University | Southern Cross University

Bereits in früheren Forschungsarbeiten konnten Wissenschaftler aufzeigen, dass das Blut („Hämolymphe“) der Schalenweichtiere eine antibakterielle Wirkung aufweist. „Die meisten Organismen verfügen über natürliche Abwehrmechanismen, um sich vor Infektionen zu schützen“, erklärte Kirsten Benkendorff, eine Professorin für Meereswissenschaften an der australischen Universität und Mitautorin der Studie. „Austern filtern ständig Bakterien aus dem Wasser.“ Daher seien sie „ein guter Ort, um nach potenziellen Antibiotika zu suchen“.

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Stoff in Austern kann Bakterien abtöten

In einer Presseerklärung der Universität hieß es, dass Bakterien, die Infektionen verursachen, Antibiotika und dem Immunsystem oft entkommen würden, indem sie sogenannte Biofilme bilden. Letztere sind Gemeinschaften von Mikroorganismen, die sich an Oberflächen festsetzen und von einer klebrigen, schützenden Matrix umgeben sind.

Mit ihrer neuen Studie konnten die Forschenden nun aber nachweisen, dass Austernblut bakterielle Krankheitserreger in diesen Biofilmen abtöten kann. Die Proteine in der weißlichen bis bläulichen Hämolymphe können zudem die Bildung von Biofilmen verhindern und diese sogar zerstören, sodass die Bakterien auch bei geringeren Dosen für Antibiotika verfügbar bleiben. Das Blut der Sydney Rock Oyster würde damit die Wirksamkeit von Antibiotika verbessern, heißt es vonseiten der Universität.

Forscherin empfiehlt Austern für ein starkes Immunsystem

Auch wenn ein neues, aus Austernblut entwickeltes Antibiotikum noch nicht in Planung ist, weckt die Entdeckung Hoffnung auf natürliche Alternativen zur Behandlung von Infektionen. Die Forscherin Kirsten Benkendorff empfiehlt in der Zwischenzeit „das Schlürfen von Austern, um Atemwegsinfektionen fernzuhalten“.

Eine Frau in weißem Kittel lächelt in die Kamera während sie vor einem Mikroskop eine Auster mit Werkzeug untersucht
Forscherin Kirsten Benkendorff von der Southern Cross University in Australien empfiehlt den Verzehr von Austern, um dem Immunsystem etwas Gutes zu tun. © Southern Cross University | Southern Cross University

Austern enthalten ungesättigte Fettsäuren, Vitamine und Zink, ein Spurenelement, das für den gesamten Stoffwechsel von großer Bedeutung ist. Es stärkt das Immunsystem und ist am Zellwachstum beteiligt. Ein Mangel an Zink kann sich beispielsweise nachteilig auf unser Fortpflanzungssystem auswirken. Denn das Mineral hilft dabei, den Testosteronspiegel zu steigern. Von letzterem Fakt rührt vielleicht auch der Mythos her, dass Austern ein Aphrodisiakum seien.

Meeresfilter im Ozean: Austern gelten als Umweltretter

Für die Natur sind die Muscheln besonders wichtig, da sie nicht nur Wasser filtern und dabei eigene Nährstoffe aufnehmen, sondern gleichzeitig auch Partikel ansaugen. Diese werden im Anschluss zum Meeresboden befördert. Auf diese Weise wird die Wasserqualität wie auch die Klarheit des Wassers verbessert. Klareres Wasser lässt mehr Sonnenlicht hindurch. Gleichzeitig entsteht in Regionen, in denen Austern leben, durch die Ablagerung von Austernkot ein nährstoffreicher Meeresboden. Diese Kombination ermöglicht das Gedeihen von Seegras und dies wiederum fördert Muschelarten, Würmer und Krabben.

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Austern sind bei all dem so effizient, dass schwedische Forscher sie in einer Studie aus dem Jahr 2011 einst als kostengünstige Alternative zu Kläranlagen bewertet haben. Wie wichtig Austern sind, zeigte sich einst in der Chesapeake Bay, der größten Flussmündung an der Ostküste Nordamerikas, wo der Verlust der Austernriffe ein Ökosystem mit zuvor klarem, fischreichen Wasser in eine trübe, algenübersähte Brühe verwandelte.