Berlin. Problemen in der Beziehung aus dem Weg zu gehen, klingt nach einer leichten Lösung. Doch das rächt sich, warnt eine Paartherapeutin.
Unseren Problemen mit dem Partner aus dem Weg zu gehen, ist manchmal sehr viel leichter, als sich ihnen direkt zu stellen. Zu wenig Kommunikation, zu wenig Nähe, zu wenig Sex – alles halb so wild. Bestimmt wird es besser. Das reden wir uns so lange ein, bis die Bedürfnisse sich nicht mehr unterdrücken lassen. Und plötzlich ist die Beziehung in Gefahr.
Elena Rüden, Paartherapeutin aus Köln, weiß aus Erfahrung, welche Auswirkungen das Verdrängen von Problemen auf Paare haben kann, wie sie sich davon lösen können – und in welchen Fällen Verdrängen mitunter sogar hilfreich ist.
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„Das Verdrängen ist eine automatische Reaktion unserer Psyche, um uns zu schützen“, erklärt Rüden. Vergangene schmerzhafte Erfahrungen, aus Erziehung oder früheren Beziehungen beispielsweise ließen sich damit aushalten. So können wir im Alltag funktionieren.
Folgende drei Anzeichen sind laut Rüden ein gutes Indiz dafür, dass Menschen ihre Probleme ständig verdrängen, statt sich ihnen zu stellen und ihnen auf den Grund zu gehen:
- Energielosigkeit
- Gereiztheit
- ständiges Lügen
![Das Verdrängen ist eine Schutzreaktion unserer Psyche, so die Erklärung von Paartherapeutin Elena Rüden. Young beautiful couple lying in bed turned back to back, arms crossed in anger and resentment. Relationship problems.Top view.](https://img.sparknews.funkemedien.de/408102122/408102122_1738830506_v16_9_1200.jpeg)
Verschiedene schlechte Erfahrungen können das Verdrängen verstärken und dafür sorgen, dass wir diesen Schutzmechanismus immer wieder anwenden. Kommen wir erfolgreich damit durchs Leben, nutzen wir ihn weiterhin. Langfristig sei das Verdrängen jedoch weder im Alltag noch in der Beziehung eine permanente Lösung.
Irgendwann platzt es und dann kommt die Trennung
„Das Verdrängen kann negative Folgen haben“, erklärt Rüden. „Die Gefühle und Erfahrungen stauen sich in einem an und irgendwann platzt es heraus.“ Das könne schnell zum Bruch der emotionalen Verbindung und zum Auseinanderleben führen. Und letztendlich eben auch zur Trennung. „Die emotionale Verbindung erlischt auf Dauer, weil man mit sich selbst die Probleme gelöst hat und nicht mit dem Partner“, so Rüden. „Und dann ist es schwierig, wieder zueinander zu finden und die Probleme gemeinsam zu lösen.“
![Die Kölner Paartherapeutin Elena Rüden weiß genau, welche Auswirkungen das Verdrängen von Gefühlen in einer Partnerschaft haben kann. Elena Rüden Paartherapeutin](https://img.sparknews.funkemedien.de/407814777/407814777_1735554568_v16_9_1200.jpeg)
Ein Paar suchte vor kurzem ihre Hilfe, weil der Mann eine Affäre hatte. Im Gespräch habe sich herausgestellt, dass der Mann immer wieder die Nähe seiner Frau gesucht und sich ständig von ihr abgelehnt gefühlt habe, so die Aussage der Paartherapeutin. Das sprach er nicht an, habe sich stattdessen abgelenkt und sich mehrere Monate lang „in sich versteckt“, wie Rüden es ausdrückt. Die Kommunikation zwischen den beiden wurde weniger und auch die emotionale Verbindung dadurch fragiler. Schlussendlich suchte der Mann in der Außenbeziehung Nähe, um sein Bedürfnis zu befriedigen.
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Auch in kleinen Alltagssituationen kommt das Verdrängen zum Einsatz
Verdrängung passiert nicht immer nur bei großen Problemen, auch bei kleineren Alltagssituationen, können wir mit diesem Schutzmechanismus reagieren. Kommt beispielsweise ein Vorwurf, eine Kritik oder ein Ratschlag ungelegen, sagt man das nicht immer direkt, sondern zieht sich häufig beleidigt zurück.
„Bei einem anderen Paar gab es immer wieder Vorwürfe, dass die Frau zu wenig Zeit mit dem gemeinsamen Kind verbringt und dass sie den Haushalt zu sehr vernachlässigt. Anstatt darüber zu sprechen hat die Frau immer weiter versucht, den Erwartungen des Mannes zu genügen und scheiterte immer wieder, weil er trotzdem unzufrieden war“, erklärt Rüden. „Auf ihrer Seite führte das zur Frustration. Mit der Zeit hat sich viel angesammelt, sodass es zum großen Streit gekommen ist und Beziehung infrage gestellt wurde.“
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![Sexy legs on lesbian couple in the bed Close up of lesbian couple](https://img.sparknews.funkemedien.de/405382463/405382463_1728831157_v1_1_200.jpeg)
Die Lösung sei in diesem Fall Kommunikation. „Ich empfehle kleine Schritte“, sagt Rüden. „Man sollte über die eigenen Bedürfnisse und Gefühle sprechen, Ich-Botschaften senden.“ Vorher müsse man natürlich genau überlegen: Was fehlt mir? Was genau ist mein Bedürfnis? Wenn man selbst nicht wisse, was man brauche, könne man das auch dem Partner nicht offen mitteilen.
Bei einer Sache kann Verdrängung auch helfen
Doch laut Rüden ist das Verdrängen nicht immer etwas Schlechtes. „Als kurzfristige Lösung kann es nützlich sein“, betont sie. „Tritt das Problem nur einmal auf, hilft das Verdrängen dabei, weiter zu funktionieren. Erst wenn es sich ständig wiederholt, kann es zur großen Belastung werden.“
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Auch hier hat die Paartherapeutin ein konkretes Beispiel aus ihrem Praxisalltag im Sinn: So sei bei einem Paar, das sie begleitet hat, das Verdrängen ein gutes Mittel gewesen, um eine Fehlgeburt zu überstehen. „Obwohl das ein sehr schmerzhaftes Ereignis war, haben die beiden trotzdem immer weiter versucht, ein Kind zu bekommen“, sagt Rüden. Die beiden nutzten also das Verdrängen, um die Kraft zu haben, weiterzumachen und sich den Traum der Elternschaft zu erfüllen.
Zusammenfassend ist also zu sagen: Als Schutzmechanismus für einmalige Probleme, ist das Verdrängen ein nützliches Hilfsmittel. Treten dieselben Probleme häufiger auf, hilft nur die Kommunikation mit dem Partner.