Berlin. Bei Beziehungskrisen kann eine Paartherapie helfen. Eine Expertin beantwortet die wichtigsten Fragen zu Therapeutensuche, Kosten und Ablauf.

  • Paartherapie kann ein Rettungsanker sein. Wann es wirklich Zeit für professionelle Hilfe ist.
  • Zweifel an Paartherapie? Warum der richtige Therapeut den Unterschied machen kann.
  • Erfolgschancen für die Beziehung: Was Paare wissen müssen, bevor sie zur Therapie gehen.

Streits bleiben in einer Beziehung nicht aus. Ist die Phase der rosaroten Brille vorbei, wechseln sich Höhen und Tiefen im Idealfall ab. Bei kleineren Konflikten reichen teils schon kleine Anpassungen und offene Gespräche, um wieder auf Kurs zu kommen. Doch was, wenn die Herausforderungen größer sind und das Miteinander leidet? Genau hier kann eine Paartherapie helfen. Aber was genau passiert in einer Paartherapie? Welche Methoden gibt es und wie findet man den richtigen Therapeuten? Antworten auf die wichtigsten und häufigsten Fragen.

Beziehung: Wann sollte man eine Paartherapie machen?

Darauf eine pauschale Antwort zu geben, ist schwierig. Die Berliner Psychologin und Paartherapeutin Anna Wilitzki rät Paaren, spätestens dann über externe Hilfe nachzudenken, wenn sie das Gefühl haben, sie kommen alleine nicht mehr aus einer Diskussionskommunikationsschleife heraus. „Das merkt man meist daran, dass Konflikte nicht abgeschlossen werden, sondern über Wochen und Monate bestehen und immer mehr Themen dazukommen“, erklärt Wilitzki. Streits und Anspannung würden immer häufiger und größer. „Sind Paare irgendwann genervt oder gestresst voneinander, selbst wenn sie nicht miteinander streiten oder gar nicht beieinander sind, ist der Punkt erreicht, an dem es eine dritte Person und aus eingefahrenen Mustern auszubrechen“, weiß die Therapeutin aus Erfahrung.

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Wie findet man den richtigen Therapeuten oder die richtige Therapeutin?

Über Therapeutenverzeichnisse und Suchmaschinen können sich Paare einen guten Überblick über das Angebot in der Region verschaffen und von Klientenbewertungen und geteilten Erfahrungen profitieren. Auch Empfehlungen von Freunden oder Bekannten können hilfreich sein, genau wie ein Blick auf Ausbildung und Qualifikation, Standort und Kapazität. Wichtig zu bedenken: Nicht jede Paartherapie und jeder Therapeut passt zu jedem Paar gleich gut. Wilitzki rät, sich mehrere Therapeuten anzuschauen und dabei gut auf das eigene Bauchgefühl zu hören.

„Neben der Therapieform muss unbedingt auch die Wellenlänge stimmen“, betont die Paartherapeutin. „Es kann sein, dass sich ein Paar gegen einen Therapeuten entscheidet, weil er zu jung, zu alt oder weiblich ist.“ Auch das sei legitim. Eine offene Kommunikation sei hier wichtig, denn mitunter könnte dann auch ein vielleicht passenderer Kollege empfohlen werden. Sie selbst mache nie nach der ersten Sitzung gleich einen weiteren Termin aus: „Alle müssen das Gespräch erstmal sacken lassen.“ Dann könne man noch einmal telefonieren und entscheiden, „passt der Therapeut zu uns und wir als Paar zum Therapeuten.“

Welche Unterschiede gibt es bei der Paartherapie?

Paartherapeuten, arbeiten nach verschiedenen Ansätzen. Jedes Paar sollte sich laut Wilitzki im Vorfeld informieren und überlegen, welcher Ansatz in der Paartherapie gut zu ihnen passen könnte. Die vier wichtigsten Methoden sind:

  • Verhaltenstherapie: Diese konzentriert sich auf das Verhalten und die Interaktionen zwischen den Partnern.
  • Emotionsfokussierte Therapie: Diese konzentriert sich auf die emotionale Verbindung zwischen den Partnern und deren individuellen Bindungserfahrungen.
  • Systemische Therapie: Diese betrachtet vorrangig die Beziehung im Kontext des gesamten sozialen Umfelds.
  • Psychoanalytische Paartherapie: Diese konzentriert sich auf die tieferliegenden, unbewussten Motive und Konflikte der beiden Partner.

Zudem arbeiten einige Paartherapeuten im Team mit einem Mann und einer Frau. Andere bieten neben Präsenzsitzungen auch digitale Online-Angebote oder Kompakttermine am Wochenende an. Wieder andere sind auf bestimmte Beziehungsprobleme spezialisiert – etwa Untreue, Sexualleben oder kulturell bedingte Konflikte.

Wer bezahlt eine Paarberatung? Wird diese von der Kasse übernommen?

Paartherapie ist eine Privatleistung und wird von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen. In seltenen Ausnahmefällen erstatten einzelne Privatversicherer einen Teil der Kosten. „Darum müssen sich die Paare jedoch selbstständig bemühen“, erklärt Anna Wilitzki. „Wir Psychotherapeutinnen und -therapeuten setzen uns schon lange dafür ein, dass auch Paartherapie in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen wird, aber die Krankenkassen lehnen dies jedes Jahr aufs Neue ab.“ Dabei würden Studien zeigen, dass sich durch gelöste Eheprobleme und gut funktionierende Beziehungen auch psychische Probleme wie etwa Depressionen verringerten und weniger Einzelsitzungen gebraucht würden.

Paartherapeutin Anna Wilitzki erklärt, was man über eine Paartherapie wissen muss.
Paartherapeutin Anna Wilitzki erklärt, was man über eine Paartherapie wissen muss. © Nathalie Sundl

Was zahlt man für eine Paartherapie?

Dies lässt sich pauschal nicht beantworten. „Die Kosten hängen sehr stark davon ab, in welcher Region man lebt“, erklärt Wilitzki und nennt einen Orientierungsrahmen von etwa 180 Euro bis 300 Euro pro Sitzung. „Auch wenn dies zunächst nach viel Geld klingen mag, muss man bedenken, dass hiervon auch Raummiete, eigene Versicherungen, Vor- und Nachbereitungszeit sowie alle weiteren Nebenkosten mitgetragen werden müssen.“

Studierenden oder Paaren mit starken finanziellen Einschränkungen rät die Paartherapeutin immer auch nach einem ermäßigten Preis zu fragen. Dafür gäbe es bei ihr, genau wie bei vielen ihrer Kolleginnen und Kollegen, meist ein kleines Kontingent. Alternativ können die überwiegend kostenfreien Angebote der Familienberatungsstellen genutzt werden, etwa von kirchlichen Trägern. „Hier arbeiten zwar selten ausgebildete Psychologen, aber natürlich haben die Paarberater auch hier entsprechende Weiterbildungen gemacht“, so Wilitzki. „Das kann in jedem Fall ein sinnvoller Start sein.“

Wie viele Sitzungen hat eine Paartherapie?

Sue Johnson etwa, die die Emotionsfokussierte Paartherapie entwickelt hat, nach der auch Anna Wilitzki arbeitet, geht von acht bis 20 nötigen Sitzungen aus. „Ich würde aber sagen, dass acht Sitzungen reichen, ist eher sehr, sehr selten“, so Wilitzki. Generell lässt sich laut der Psychologin sagen: Je mehr Bereitschaft und Energie abseits der Therapie ein Paar aufbringe und je mehr emotionale Intelligenz diese mitbringen, desto weniger Sitzungen seien nötig.

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Was macht man in der Paartherapie?

Anna Wilitzki betont, dass niemand Angst haben müsse, niedergemacht zu werden, etwa weil er eine Affäre hatte. Im Gegenteil: „Eine Paartherapie gibt beiden die Zeit und den Raum, sich zu äußern und auch gehört zu werden.“ Die erste Sitzung sei zunächst dafür da, eine Allianz beider Partner und der Therapeutin oder des Therapeuten zu schaffen, so Wilitzki. „Da geht es viel ums Kennenlernen, erste Probleme ansprechen, aber auch um die Kindheit: Sind die Eltern noch zusammen und haben sich viel und wie ist man als Kind damit umgegangen? Gab es zwar keine Streits, aber passive Aggressivität?“

Das Schönste für sie sei jedoch, wenn die Paare dann auch von ihrem Kennenlernen berichten. Studien hätten gezeigt, dass dies die Zufriedenheit von Paaren steigere und auch die Paartherapeutin erlebt, dass es ihren Klienten das Sprechen über Probleme im Anschluss erleichtere. In den nachfolgenden Sitzungen würden dann negative Muster in der Beziehung aufgespürt, analysiert und gemeinsam Lösungswege erarbeitet.

Für wen lohnt sich eine Paartherapie?

„Eigentlich für jedes Paar“, meint Wilitzki. Aus ihrer Sicht wäre es im Grunde optimal, gleich zum Start einer Beziehung eine Paartherapie zu machen. „So könnten gleich zu Beginn Kommunikationsprobleme, negative Verhaltensmuster und Bindungsschwierigkeiten aufgedeckt und bearbeitet werden.“ Das sei hilfreich, um Streits konstruktiv zu klären und den Partner nicht immer für eigene negative Gefühle verantwortlich zu machen.

Manchmal ist es laut Wilitzki aber auch schon hilfreich, dass Paare passende Podcasts zum Thema hören oder Bücher lesen. „Das muss nicht gemeinsam sein, aber wichtig ist, dass beide etwa auf dem gleichen Wissensstand sind und sich immer gegenseitig abholen“, betont Wilitzki. Wenn eine Partei in der Beziehung anfange, Probleme zu analysieren und dem anderen Lösungswege vorzuschreiben, werde es kritisch. Sätze wie „Siehst du, daran sieht man gerade genau, dass du toxisch bist“ seien Alarmsignale, die sie bei Paaren in Sitzungen aber immer wieder höre. „Wichtig ist, dass beide Partner das Gefühl haben, sie kommunizieren auch in Stress- und Streitsituationen auf Augenhöhe.“

Wann ist es zu spät für eine Paartherapie?

Es gibt Sitzungen, da zeigt sich, dass es eigentlich auf eine Trennungsbegleitung herausläuft, erklärt Wilitzki. „Hat eine Partei, die Beziehung schon komplett abgeschrieben und sieht keinerlei Perspektive, bringt es nichts, sie vom Gegenteil zu überzeugen“, sagt die Paartherapeutin. Sie erlebt, dass die Paare über eine Trennung noch gar nicht gesprochen haben müssen und es dennoch keine Chance auf eine Rettung der Beziehung gibt.

„Es gibt immer wieder Fälle, da hat sich etwa die Frau bereits seit gut einem Jahr überlegt, sich zu trennen, diskutierte zuvor Probleme sehr lange laut mit dem Partner und ging dann in die Resignation, hat begonnen nur noch leise mit sich im Kopf zu diskutieren“, berichtet Wilitzki. Laut Wissenschaft könne das die gleichen Körperreaktionen wie erhöhte Herzrate, Stressreaktion, Kortisolausschüttung auslösen, genau wie wenn wir uns aktiv mit unserem Partner oder unserer Partnerin streiten würden. „Kommt es dadurch zu einer festgeschriebenen Trennungsentscheidung, will ich auch nichts mehr dagegen machen und niemanden dann überreden, die Beziehung doch weiter zu wollen“, so Wilitzki.

Wann ist eine Paartherapie zum Scheitern verurteilt?

Auch wenn beide Partner die Beziehung zunächst weiterhin wollen, ist nicht gesagt, dass eine Paartherapie Erfolg hat. Damit dies gelingen kann, ist laut der Expertin wichtig ist, dass beide einer Paartherapie grundsätzlich offen gegenüberstehen. „Wenn ich nach der dritten Sitzung immer noch das Gefühl habe, eine Partei öffnet sich gar nicht“, so Wilitzki, „oder betont, dass Paartherapie nicht das ist, was sie braucht oder will, dann würde ich immer abbrechen.“ Paartherapie sei nichts, was man erzwingen könne.

Lassen sich beide Partner auf eine Paartherapie ein, sind laut der Expertin drei Faktoren entscheidend:

  • Bereitschaft
  • Energie
  • Zeit

„Es braucht Bereitschaft, auch unangenehme Dinge zu besprechen, ehrlich zu sein, Tipps umzusetzen und auszuprobieren, gemeinsam als Paar zu arbeiten und zu wachsen“, betont die Psychologin. All das koste Energie und Zeit – Ressourcen, die Paare in Krisen ohnehin kaum hätten. „Sind Paar bereit, all das aufzubringen, ist es meist egal, wie groß die Liebe zum Start der Therapie noch ist oder ob es ein, zwei oder gar drei Affären gab“, so Wilitzki. „Aber wenn beide Seiten wirklich etwas verändern wollen und bereit sind, sich dafür einzusetzen, dafür ein, zwei Stunden Zeit die Woche freizuräumen, dann hat jede Beziehung eine Chance.“