Berlin. Er zeigt keine Gefühle? Eine Psychologin erklärt, warum das gefährlich für die Beziehung sein kann und wie Sie richtig darauf reagieren.
- Auch in glücklichen Beziehungen fällt es manchen Menschen schwer, ihre Gefühle zu zeigen
- Doch im schlimmsten Fall kann das ernste Konsequenzen für die Liebe haben
- Eine Paartherapeutin erklärt, wie sie auf einen emotional distanzierten Partner reagieren sollten
Manchen fällt es schwer, andere schießen manchmal übers Ziel hinaus: Die Rede ist von der Art und Weise, wie man seine Gefühle nach außen trägt. Gerade in Beziehungen spielt der Ausdruck von Gefühlen eine wichtige Rolle. Er hilft nicht nur, Zuneigung zu zeigen, sondern erleichtert auch die Kommunikation.
Noch schwieriger wird es, wenn die Gefühle für den Partner oder die Partnerin schwanken. Hinzu kommen Bindungsängste und Verlustängste, die Gefühle unterdrücken können. Eine Paartherapeutin und eine Psychologin beantworten die wichtigsten Fragen zum Umgang mit Gefühlen.
Wie wichtig sind Gefühle in einer Beziehung?
Ob im Beruf, im Freundeskreis oder in der Liebe: Manchen Menschen fällt es schwer, ihre Gefühle zuzulassen, geschweige denn, sie zu zeigen oder darüber zu sprechen. Sie empfänden Emotionen als Störfaktor, der vor allem Probleme mit sich bringt, so die Erklärung von Experten.
Die Realität sieht jedoch anders aus. Überall, wo Menschen miteinander zu tun haben, spielen Gefühle eine wichtige Rolle. „Gefühle sind unsere Signalgeber für unser Wohlbefinden und den Grad der Befriedigung unserer seelischen und körperlichen Grundbedürfnisse“, sagt die Psychologin und Coachin Linda-Marlen Leinweber. „Sie sind wie Warnlampen im Auto – ignorieren wir sie, kann es für uns unangenehm werden.“
Wer seine Gefühle unterdrücke, bleibe im emotionalen Dauerstress stecken. Das Nervensystem werde unbewusst und dauerhaft in Alarmbereitschaft versetzt, so Leinweber. Auf Dauer kann die Verdrängung von Gefühlen und Emotionen womöglich sogar zu körperlichen Krankheiten führen, wie Nachwuchsforscherinnen und -forscher der Universität Jena nachweisen konnten. Die Henne-Ei-Frage konnte jedoch nicht abschließend geklärt werden.
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Die Berliner Paartherapeutin Birgit Fehst hält vor allem das Ausleben zweier Gefühle mit Blick auf Partnerschaften für wesentlich: „Einerseits sind es die Liebe und die Anziehung, die man füreinander empfindet. Ohne diese Emotionen werden die meisten kein Paar.“ Zweitens sei es wichtig, das Gefühl der Geborgenheit zu teilen. „Sonst zerstört das ewige Auf und Ab auf Dauer auch die Liebe“, sagt Fehst.
Wenn man zum Beispiel nie mit dem Partner oder der Partnerin über die eigene Gefühlslage spricht, könnte er oder sie den Eindruck bekommen, dass man unglücklich sein könnte. „Gefühlskälte kann manchmal sogar den Eindruck erwecken, dass die Liebe einseitig ist, weil der oder die andere nie über die eigenen Gefühle spricht und innerlich verschlossen wirkt“, so die Expertin. Paare brauchen demnach Gefühle, um zu wissen, was sie empfinden, und um sich einander näher zu fühlen.
Welche Strategien gibt es, dem Partner die eigenen Gefühle zu zeigen?
Schon in der Kindheit lernen wir, wie und ob wir Gefühle zeigen. Unsere Eltern bringen uns bei, wie wir Anziehung, Liebe, Nähe oder auch Ärger und Distanz ausdrücken. Wie und ob wir Gefühle zeigen ist also erlernbar – und das laut der Experten auch noch im Erwachsenenalter. Diese Tipps können helfen, Gefühle zu erforschen und zu teilen:
1. Mit dem Partner über Gefühle sprechen
Ob Wut, Trauer, Angst, Hoffnung, Freude oder Liebe – Gefühle müssen kommuniziert werden, damit sie für andere sichtbar werden. „Niemand kann die Gedanken des anderen lesen und den Grund für die Gefühle erahnen – egal, wie gut man sich kennt und wie lange man schon zusammen ist“, sagt Psychologin Leinweber. Sie rät deshalb, das anzusprechen, was einen beschäftigt. Wer offen über seine Gefühle spreche, erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass sein Gegenüber auf die eigenen Bedürfnisse eingeht. Und das Beste: Der offene Dialog eröffne auch neue Wege der Veränderung, sagt sie.
2. Wenn Gefühle schwer zu fassen sind – ins Fühlen kommen
Gefühle leben davon, dass man sie zeigt. Um ins „Fühlen“ zu kommen, empfiehlt Paartherapeutin Fehst, sich regelmäßig über Paarthemen auszutauschen. Am besten einmal pro Woche zu einem festen Termin – sei es bei einem Spaziergang oder auf dem Sofa. Diese „Gefühlsstunden“ könnten helfen, die emotionale Bindung zu stärken und das Sprechen über Gefühle zur Gewohnheit zu machen, so Fehst. Auch Küssen kann ein guter Zugang für Paare sein.
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3. Die eigene Sprache der Liebe entdecken
Der Sachbuchautor und Beziehungsberater Gary Chapman entwickelte in den 1990er Jahren die fünf Sprachen der Liebe. Ihm zufolge können Menschen ihre Liebe auf fünf verschiedene Arten ausdrücken: entweder durch Lob und Anerkennung, Zweisamkeit, Geschenke, Hilfsbereitschaft oder Zärtlichkeit. Wenn ein Paar nicht so oft über seine Gefühle spricht, kann das auch daran liegen, dass es diese eher durch Taten als durch Worte ausdrückt.
Vor diesem Hintergrund ist es laut Paartherapeutin Fehst besonders wichtig, die verschiedenen Sprachen der Liebe als Zeichen der Zuneigung zu erkennen. Gleichzeitig sollten Paare die Sprache des anderen lernen, um ihre Liebesbedürfnisse zu befriedigen.
Können sich die Gefühle in einer Beziehung ändern?
Fest steht: Liebe ist meist kein Wunder, dass sie wie von Zauberhand da ist und für immer bleibt – auch wenn manche Serien, Filme, Gedichte oder Lieder uns das glauben lassen wollen. Was uns gerade in Romanzen oft vorgespielt wird, sieht im wirklichen Leben in der Regel doch etwas komplizierter aus.
Auch wenn gerade am Anfang einer Beziehung das Gehirn Achterbahn fährt und von Glückshormonen überschwemmt wird, hält dieser Ausnahmezustand nicht ewig an. So schön das Verliebtsein auch sein mag – für den Körper ist es auf Dauer extrem anstrengend, erklären die Experten. Daher sei es durchaus normal, dass die Gefühle in einer Beziehung bis zu einem gewissen Grad schwanken.
„Beziehungen durchlaufen oft verschiedene Phasen – Phasen, in denen man sich mehr verbunden fühlt als in anderen“, sagt Leinweber. Hier sei es wichtig über die Gefühle zu sprechen: Wer braucht gerade was? Und welche Optionen gibt es gerade diese Sehnsüchte und Bedürfnisse zu erfüllen?
Auch äußere Einflüsse können die Gefühle beeinflussen. „Faktoren wie Konflikte, Stress oder Kinder wirken sich sowohl auf das eigene Gefühlsleben als auch auf das der Beziehung aus“, sagt Paartherapeutin Fehst. Zeiten, in denen man den Partner vorübergehend nicht liebt, schließt die Expertin nicht aus. „Deshalb sind Kompatibilität im Alltag, aber auch in Bezug auf Werte, Ziele und Visionen sowie eine gute Kommunikationskultur wichtig“, so Fehst.
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An welchen Gefühlen merkt man, dass man in einer Beziehung unglücklich ist?
Und dass es mal nicht läuft, scheint normal. Offenbar sind im Schnitt sechs von zehn Paaren mit dem Zustand ihrer Beziehung unzufrieden. Das ist zumindest das Ergebnis einer britischen Umfrage einer Dating-Plattform mit 3000 Teilnehmern.
Vor allem das Fehlen positiver Gefühle sei ein Zeichen dafür, dass Paare unglücklich sind, sagt Paartherapeutin Birgit Fehst. „Man freut sich nicht mehr auf den anderen, hat keine Lust mehr, Zeit miteinander zu verbringen oder fühlt sich mit dem Partner nicht mehr sicher“, beschreibt Fehst.
Zum anderen beobachtet die Paartherapeutin bei vielen Paaren eine Art „Grundgroll“. „Es gibt kaum noch Wohlwollen, und das Handeln des anderen wird sehr negativ bewertet“, so Fehst. Die Spitze des Eisbergs sei dann ein Gefühl, das der bekannte amerikanische Paartherapeut John Gottman zu Recht als sehr gefährlich beschreibt: Verachtung. „Von der Verachtung führt kaum ein Weg zurück in eine glückliche Beziehung“, sagt die Paartherapeutin.
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Gefühle zeigen: Diesen Menschen fällt es besonders schwer
Egal wie schwierig es sei, solle eine Beziehung funktionieren, sei es wichtig, die eigenen Gefühle zu zeigen und diese nicht aus Angst vor Ablehnung zu verbergen. Viele Liebende hätten jedoch Angst, den anderen durch ehrliche Gefühlsäußerungen zu verletzen und damit die Beziehung zu gefährden, so Leinwebers Erfahrung.
„Paare halten ihre Gefühle zurück – in der stillen Hoffnung, dass sie sich von selbst auflösen“, erklärt sie. Das passiere aber leider selten, und so distanzierten sich die Paare unbewusst weiter voneinander und schadeten der Beziehung, ohne es zu wollen.
Bindungsangst oder Verlustangst: Wo liegen die Unterschiede?
Ob jemand Gefühle zurückhalte, autonom sei und Distanz wahre oder ob jemand mehr Nähe suche und sich anpasse, könne auch von Bindungs- oder Verlustangst herrühren, beschreibt Paartherapeutin Fehst. „Grob verallgemeinert haben bindungsängstliche Menschen Angst vor Nähe und verlustängstliche Menschen Angst vor dem Verlust von Nähe“, so Fehst.
Beide Ängste gehen meist auf frühkindliche Erfahrungen mit der ersten Bezugsperson und den dabei entwickelten Bindungsstil zurück. „Erfährt ein Kind von seiner Mutter, seinem Vater oder anderen wichtigen Bezugspersonen keine bedingungslose Liebe und kann es kein Urvertrauen von „Ich bin okay, so wie ich bin, und ich werde geliebt“ aufbauen, nimmt es die Angst vor Nähe- oder Liebesverlust mit ins weitere Leben und in jede Beziehung, die es als Erwachsener führt“, erklärt die Psychologin und Coach Linda-Marlen Leinweber. Aber auch frühe Trennungserfahrungen durch die Scheidung der Eltern sind bekannte Ursachen.
Anzeichen von Bindungsangst:
- Verlust des Interesses an der Person, sobald die Beziehung ernster wird
- Gefühl, eingeengt und nicht frei zu sein
- aktive Kontrolle von Nähe und Distanz in der Beziehung durch On/Off-Phasen (häufige Trennungen gefolgt von Annäherungen und Versöhnungen)
- Konfliktscheu und Vermeiden negativer Emotionen
Anzeichen von Verlustängsten:
- Angst, nicht genug zu sein
- Angst, verlassen zu werden
- Tendenz, den Partner in der Hoffnung auf Sicherheit zu kontrollieren
- innere Unruhe und Angst, wenn der Partner physisch abwesend ist, mit Sorgen und Gedankenkreisen
- starke Eifersucht
Wie können Bindungsängste oder Verlustängste überwunden werden?
„Ob Bindungsangst oder Verlustangst – beides sind Bindungsstörungen, die durch negative Bindungserfahrungen in der Kindheit entstanden sind, und keine Störungen mit Krankheitswert“, sagt die Paartherapeutin Birgit Fehst. Dennoch können sie für die Betroffenen und ihre Beziehung sehr belastend sein.
Fehst empfiehlt einen differenzierten Umgang mit den beiden Angststörungen: „Bei Verlustängsten ist es sinnvoll, sich mehr auf sich selbst zu konzentrieren und das eigene Selbstwertgefühl zu stärken.“ Menschen mit Bindungsängsten rät die Expertin, zu kommunizieren, wenn sie Raum für sich brauchen. Außerdem sollte dem Partner oder der Partnerin vermittelt werden, dass die Angst vor Nähe nichts mit ihm oder ihr zu tun hat. „Wenn der Betroffene für sein Rückzugsverhalten nicht kritisiert wird, fällt es ihm auch leichter, wieder auf den anderen zuzugehen“, erklärt Fehst.
Leinweber ergänzt: Sind die Ängste so stark, dass sie das eigene Denken und Handeln bestimmen, kann eine therapeutische Aufarbeitung der frühkindlichen Erfahrungen sinnvoll sein. So können alte Wunden heilen.
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