Berlin. Viele Suchtkranke scheitern an Therapien. Weil Ärzte bei ihnen drei Ursachen ignorieren, sagt unsere Expertin. Etwa dieses „Wunder“-Vitamin.

Wer erfolgreich eine Sucht loswerden will, hat einen herausfordernden Weg vor sich. Was läge da näher, erst einmal dafür zu sorgen, dass es einem zumindest körperlich so richtig gut geht? Das allerdings kommt in der heutigen Suchtbehandlung leider noch immer zu kurz. Dabei kann man dafür so viel tun:

  • Wichtige Nährstoffe auffüllen,
  • die Schilddrüse oder den Hormonstatus checken,
  • auch unser Schlaf spielt eine wichtige Rolle.

Der Clou dabei: Die Forschung weiß heute eigentlich schon längst, dass all das die Chancen auf einen gelungenen Suchtausstieg deutlich steigert.

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Alkohol: Diese Vitamine können beim Suchtausstieg helfen

Von Vitamin A bis Z wie Zink: Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und Co. machen gesund, fröhlich und schön. Steht in jeder Gazette beim Friseur und ist mittlerweile ja schon wirklich Allgemeinwissen. Auch der Umkehrschluss leuchtet ein: Fehlen sie, sackt die Laune schnell in den Keller. Das ist auch klar, denn der Körper braucht Nährstoffe, um den Stoffwechsel im Schwung zu halten. Auch wichtige Nervenbotenstoffe kann er nicht bilden, wenn ihm die Baustoffe dafür fehlen.

Die Crux: Für Süchtige ist es schon fast ein Automatismus, zu Alkohol oder anderen Drogen zu greifen, um schlechte Laune und Unwohlsein zu übertünchen. Gleichzeitig raubt aber gerade Alkohol dem Körper wichtige Nährstoffe – die er verbraucht, um den Alkohol zu entgiften.

Allem voran fehlen dann die B-Vitamine. Von Vitamin B1 bis B12 mangelt es quasi an allem. Dabei sind das doch die berühmten „Nervenvitamine“. Sind sie knapp, stellen sich Depressionen, Schlafstörungen, Müdigkeit oder sogar Angst- und Panikattacken ein. Wie nahe liegt da der Griff zur Flasche, um das alles für ein paar Stunden nicht mehr zu spüren?

Kanadische Forscher beispielsweise haben Frauen im Alkoholentzug eine Riesenportion Vitamin B1 gegeben. Das Ergebnis war erstaunlich: Nicht nur erholten sich die Frauen viel schneller, auch verspürten viele keinen oder keinen starken Trinkwunsch mehr.

Vitamine gegen Sucht? Gründer der Anonymen Alkoholiker scheiterte als Vorreiter

Ein berühmter Vitamin-B-Patient war übrigens auch Bill W., einer der Gründer der Anonymen Alkoholiker (AA). Der war trocken, aber bei weitem nicht glücklich. Es plagten ihn schwerste Depressionen. Bis er den Arzt Dr. Abram Hoffer kennenlernte, der ihm Niacin (Vitamin B3) empfahl. Bill W. schluckte es – und zehn Tage später war der Spuk vorbei. Er war so begeistert, dass er sogar drei Reden vor den AA dazu hielt, die man heute noch im Netz nachlesen kann.

Raus aus der Sucht
Autorin Gaby Guzek ist Wissenschaftsjournalistin und Coach. In unserer Serie „Raus aus der Sucht“ beleuchtet sie verschiedene Süchte und Wege aus der Abhängigkeit. © Carmen Wilhelmer | Carmen Wilhelmer

Sein Wunsch: Vitamine zum festen Bestandteil der AA zu machen. Der Protest der Psychiater, die die AA berieten, war riesig. Dr. Hoffer ätzte später, diese hätten wohl um ihre bequemen Einnahmen gefürchtet. Jedenfalls lief Bill W. gegen eine Wand. Zwei Jahre später starb er. Und mit ihm auch die Idee, Suchtkranke mit Nährstoffen fit zu machen.

Alkohol entgiften: Ein Nährstoff spielt entscheidende Rolle

Der Clou am Niacin: Es ist für den Energiestoffwechsel absolut zentral. Ohne geht es nicht. Gleichzeitig aber verbraucht der Körper bei der Alkoholentgiftung viel davon. Gehen die Reserven zur Neige, stellt er deshalb auf Notbetrieb um und baut das Vitamin B3 selbst: aus dem Eiweißbaustein Tryptophan. Die Ausbeute ist aber spärlich, dabei geht schnell alles Trypotphan nur für den Niacin-Aufbau drauf.

Das wiederum ist für die Laune eine Katastrophe, denn aus Tryptophan baut der Körper eigentlich den Glücksbotenstoff Serotonin. Kein Trypotphan, kein Serotonin – und ergo schlechte Laune bis hin zur Depression. Genau das war auch bei Bill W. passiert.

Wie Bill W. geht es auch heute natürlich noch vielen Menschen. Hier mal als Beispiel die Laborwerte eines meiner Coaching-Klienten, der aus dem Alkohol nicht herauskam:

  • Der Vitamin-D-Wert lag bei 29.7 – der Normalwert sollte bei über 30 liegen.
  • Der Wert für Vitamin B2 (Riboflavin) lag bei 2.1 – der Normalwert sollte zwischen 2 und 29 liegen.
  • Der Wert für Niacin (genannt Niacinamid) lag bei nur 3.3 – der Normalwert sollte zwischen 23 und 98 liegen.

Niacin war quasi kaum noch nachweisbar. Er hatte auf meine Empfehlung hin beim Hausarzt mal nachschauen lassen. Auch das so wichtige Vitamin D und B2 kratzten arg an der unteren Grenze. Der Mann hatte Depressionen und trank sich diese weg. Als er anfing, die Nährstoffe zu ersetzen, kehrten Kraft und gute Laune zurück. Er begann seine Ausstiegstherapie und ist heute 14 Monate abstinent. Nach zig Versuchen, vorher allerdings ohne Nährstoffunterstützung.

Diese Beispiele sind nur zwei von vielen. Es ist erstaunlich, wie viel wissenschaftliche Literatur es zum Thema Nährstoffe und Sucht gibt – und wie wenig bis gar nicht das Ganze heute Teil einer Suchtbehandlung ist.

Hormone und Sucht: Erkrankte sollten sich darauf checken lassen

Nun kann einem nicht nur ein Nährstoffmangel kräftig die Laune verhageln. Auch die Hormone können die Stimmung in den Keller schicken. Frauen wissen das nur allzu gut. Frauen, die beispielsweise zu viel Alkohol trinken, umso besser. An den „Tagen vor den Tagen“ ist der Konsum meist besonders hoch. Auch das Hormonchaos der Wechseljahre ist für viele Frauen ein wahrer Sucht-Turbo.

Genauso kann eine schlappe Schilddrüse daran Schuld sein. Eine Unterfunktion macht depressiv oder bringt sogar Angst und Panik mit sich. Wer dann ohnehin ein Sucht-Thema hat, greift zu. Das diktiert das Suchtgedächtnis. Wie klug wäre es da doch, im Rahmen einer Suchtbehandlung auch da mal nachzuschauen?

Sexualhormone und Schilddrüsenwerte sind heute absolute Standard-Laborleistungen. Man muss es nur tun. Auch lässt sich beides ja sogar relativ leicht wieder ins Lot bringen – und die Lebensfreude und Kraft der Betroffenen steigt merklich. Beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Suchttherapie.

Young sad woman lying in bed late at night trying to sleep suffering insomnia. Girl in bed scared on nightmares looking worried and stressed. Sleeping disorder and insomnia
Gesunder Schlaf wird bei der Suchttherapie noch stiefmütterlich behandelt. Er ist aber ein wichtiger Treiber für Wohlbefinden und Energie. © iStock | Andrii Lysenko

Schlaf bei Suchttherapie wichtiger Faktor

Ebenso stiefmütterlich wird das Thema Schlaf behandelt. Dabei weiß doch jeder: Ein richtig guter Nachtschlaf ist Garant für Kraft und gute Laune. Genau da hapert es bei vielen Abhängigen aber. Ist auch logisch: Alkohol und andere Drogen zerschießen den Schlaf. Und wer morgens schon gerädert aufwacht, sich nur mit fünf Kannen Kaffee durch den Tag schleppt und abends völlig ausgelaugt ist – der braucht dann sein „Entspannungsglas“. Der Teufelskreis schließt sich.

Studien zeigen klar: Wenn sich eine Suchttherapie auch um den Schlaf der Betroffenen kümmert, ist diese deutlich erfolgreicher. Es gibt eine ganze Reihe von Tipps und Tricks, wie das mit dem Schlafen wieder klappt.

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Kurzum: Nur in einem gesunden Körper kann auch ein gesunder Geist wohnen. Wie soll es also anders klappen mit dem Ausstieg aus der Sucht?

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Zur Person

  • Gaby Guzek ist seit mehr als 30 Jahren Fachjournalistin für Wissenschaft und Medizin.
  • Sie arbeitete nach ihrem Studium unter anderem bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und der Fachzeitschrift „Die Neue Ärztliche“. Jahrelang selbst von schwerer Alkoholsucht betroffen und mit den Therapiemöglichkeiten unzufrieden, begann sie, sich intensiv mit dem Phänomen Sucht auseinanderzusetzen. 2020 veröffentlichte sie im Eigenverlag ihr Buch „Alkohol adé“* und steht heute als Coach unter gaby-guzek.com und in ihrem Forum alkohol-ade.com Alkoholsüchtigen zur Seite.
  • Ihr aktuelles Buch „Die Suchtlüge. Der Mythos von der fehlenden Willenskraft: Wie Sucht im Hirn entsteht und wie wir sie besiegen“ ist bei Heyne erschienen.

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