Berlin. Viele Nahrungsergänzungsmittel versprechen Schönheit und Wohlbefinden. Eine Ärztin erklärt, was Sie bei der Einnahme beachten sollten.
Eine Kapsel für die Haut, zwei für die Haare. Die Pillenbox hat längst einen Platz im Badezimmerschrank zwischen Tiegeln und Tuben gefunden. Aber nicht nur Beauty-Präparate sind im Trend. Ein Drittel der Deutschen nimmt regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel, sagt eine Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung. Am beliebtesten: Vitamin C und Magnesium. Sie versprechen Gesundheit – oder werden zumindest damit in Verbindung gebracht. Alles Blödsinn, sagen viele offizielle Stellen.
So werden Verbraucherzentralen nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Nahrungsergänzungsmittel als Lebensmittel gelten. Heißt: Anders als Arzneimittel durchlaufen sie kein Zulassungsverfahren. Die Hersteller sind selbst für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit verantwortlich. Immer wieder wird vor Überdosierungen gewarnt. Schließlich gibt es bislang in Deutschland keine gesetzlich festgelegten Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln, lediglich Empfehlungen.
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Für wen sind Nahrungsergänzungsmittel geeignet?
Und sind wir mit einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung nicht ohnehin gut versorgt? „Jein“, sagt Dr. Constanze Lohse, Allgemeinmedizinerin und Autorin des Ratgebers „Die 10-Minuten-Naturmedizin“ (GU). In ihrer Praxis in Norderstedt hat sie sich auf Ernährungs-, Sport-, Mikronährstoffmedizin und Naturheilkunde spezialisiert. „Viele Hersteller werben mit übertriebenen Heilsversprechen und wecken unrealistische Erwartungen bei den Konsumentinnen. Wie es der Name schon sagt, können Nahrungsergänzungsmittel eine gesunde Ernährung nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. In gewissen Situationen ist das durchaus notwendig, um den individuellen Bedarf an Mikronährstoffen zu decken“, so die Ärztin.
Aber woher weiß man, ob man Supplements, wie die Präparate auch genannt werden, überhaupt schlucken soll und worauf man achten muss? Ein Mangel lässt sich nur im Labor feststellen. Die Kosten für eine Mikronährstoffanalyse (circa 150 bis 300 Euro) werden normalerweise von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen. „Messen, wissen, handeln, das ist mein Motto. Bevor man zu Nahrungsergänzungsmitteln greift, empfehle ich, zumindest Vitamin D, B12, Folsäure, Coenzym Q10, Magnesium, Zink, Selen, Eisen, Jod und die Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren testen zu lassen – als Invest in die eigene Gesundheit“, so Dr. Lohse.
In ihrer Praxis stelle sie regelmäßig Defizite fest, insbesondere bei Vitamin D, Folsäure, Jod und B12. Viele könnten von einer individuellen Ergänzung profitieren, insbesondere Schwangere, Stillende, Heranwachsende, Alte, Leistungssportler und kranke Menschen. Von Alleingängen rät die Expertin dringend ab. Um Mängel gezielt auszugleichen und Überdosierungen zu vermeiden, empfiehlt sie, sich Unterstützung zu holen, zum Beispiel von einem Spezialisten im Bereich der orthomolekularen Medizin, die sich vorwiegend mit Nährstoffen auseinandersetzt.
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Diese Fette und Vitamine sollten Sie zu sich nehmen
Warum sprechen jetzt alle über Omega 3? Leinöl zum Salat, Wildlachs zum Gemüse – „gute Fette“ gehören zum Einmaleins der gesunden Ernährung. Sie sind reich an Omega-3-Fettsäuren, die unter anderem Herz und Hirn schützen, Entzündungen hemmen und den Blutdruck senken. Als Nahrungsergänzungsmittel erleben sie gerade einen Hype. „Die Studienlage ist hervorragend, sowohl in der Prävention als auch in der Therapie von Krankheiten wie Rheuma, Morbus Crohn und Depressionen“, so Dr. Lohse.
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Die wichtigsten Omega-3-Fettsäuren sind Alpha-Linolensäure (ALA), die fast ausschließlich in pflanzlichen Lebensmitteln wie Leinsamen, Hanf und Walnüssen vorkommt, Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA), die in Fischen und Algen enthalten sind. Eine alleinige Zufuhr von ALA reicht aber nicht aus, da sie nur in geringen Mengen in EPA und DHA umgewandelt werden kann. Fisch und Algen sollten daher unbedingt als DHA- und EPA- Lieferanten gegessen oder eben ersetzt werden. Die Expertin empfiehlt zwei bis vier Gramm pro Tag. Um herauszufinden, wie gut man versorgt ist, kann man den Omega-3-Index über einen Bluttest ermitteln lassen.
Erkältung: Das bringt Vitamin C wirklich
Schützt Vitamin C vor Erkältungen? Wir Menschen können Vitamin C nicht speichern und sollten es darum täglich zu uns nehmen, idealerweise über fünf Portionen Gemüse und Obst. Klappt nicht? Dann besser nachhelfen, vor allem in der Erkältungszeit: „Je früher man mit den Vitamin-C-Präparaten beginnt, desto besser. Die Wahrscheinlichkeit, einen Infekt zu bekommen, sinkt. Erwischt es einen doch, sind die Symptome oft viel milder“, so Dr. Lohse. Ihr Tipp bei akuten Beschwerden: Vitamin C, kombiniert mit Zink und Ingwer.
Diese Nahrungsergänzungsmittel sollten nicht kombiniert werden
Wie nimmt man das richtig ein? Das kommt auf den Inhalt an. Die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K werden am besten aufgenommen, wenn sie zu einer fetthaltigen Mahlzeit geschluckt werden. Das gilt auch für Omega-3-Präparate und Substanzen wie Q10. B12 gibt morgens einen Energieschub, Magnesium entspannt vor dem Schlafengehen. Eisen sollte man unbedingt nüchtern, etwa eine Stunde vor dem Frühstück, einnehmen, zusammen mit Vitamin C, da es die Aufnahme erhöht.
Gar nicht so schwer? Moment! „Viele Mikronährstoffe stehen in Konkurrenz und sollten nicht kombiniert werden, zum Beispiel Zink und Folsäure. Wechselwirkungen mit Medikamenten sind ebenfalls möglich. Umso wichtiger sind eine gute Beratung und Begleitung“, so Dr. Lohse. Auch Kombipräparate seien eine Möglichkeit. „Bei ihnen werden die Wirkstoffe oft nacheinander freigesetzt, um Wechselwirkungen zu umgehen. Aber man sollte genau auf die Mengenangaben schauen, viele Kombipräparate sind zu gering dosiert.“
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Nahrungsergänzungsmittel: Auf die Dosis achten
Woran erkenne ich ein hochwertiges Präparat? Bevor man etwas kauft, empfiehlt Dr. Lohse, sich über Hersteller und Produkte zu informieren: „Wer steckt dahinter? Wo und nach welchen Richtlinien wird produziert? Gibt es Studien? Was genau ist drin? Präparate ohne Füllstoffe wie das Trennmittel Magnesiumstearat und Farbstoffe wie Titandioxid sind immer zu bevorzugen.“
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Auch auf die Dosis sollte man achten, hier gibt es große Unterschiede. Wichtig ist auch, dass die Nährstoffe gut vom Körper aufgenommen werden können. Folsäure ist zum Beispiel in der aktivierten Form Folat am besten verwertbar. „Leistungssportler sollten übrigens nur Präparate einnehmen, die von der Kölner Liste auf Doping-Substanzen geprüft wurden“, ergänzt die Ärztin.
Können Nahrungsergänzungsmittel schöner machen?
„Es klingt abgedroschen, aber es stimmt: Schönheit kommt von innen – durch eine gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und wenig Stress. Wer mag, kann mit Nahrungsergänzungsmitteln nachhelfen“, so Dr. Lohse. Neben den klassischen Beauty-Boostern Eisen, Zink, Biotin und Pantothensäure empfiehlt sie Hyaluron und Kollagen für eine schöne, geschmeidige Haut. Und: „OPC aus Traubenkernextrakt. Es fördert die Zellregeneration und stimuliert die körpereigene Kollagenbildung.“ Weniger bekannt ist ihr Tipp Glucosamin, ein körpereigener Stoff, der mitunter im Bindegewebe steckt und die Produktion von Hyaluronsäure ankurbeln soll.
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Das Altern verlangsamen? Eine Jungbrunnen-Pille gibt es bislang noch nicht, aber: „Spermidin hat einen Anti-Aging-Effekt, da es die körpereigene Müllabfuhr anregt. Q10 schützt vor freien Radikalen und unterstützt die Energiegewinnung in den Zellen“, erklärt Constanze Lohse. Auch Quercetin, ein Pflanzenstoff, der u.a. in der Zwiebel steckt, wirke antioxidativ und entzündungshemmend.
Macht die Ergänzung in Tablettenform Sinn? „Man kann Dinge wie diese gerne zuführen. Das Wichtigste ist und bleibt aber ein gesunder Lebensstil und eine optimale Versorgung mit allen Mikronährstoffen. Das ist die beste Voraussetzung, um gesund älter zu werden.“