Berlin. Geld macht sexy. Doch warum eigentlich? Und haben reiche Menschen automatisch besseren Sex? Drei Sexualwissenschaftler klären auf.

Haus in bester Lage, teures Auto vor der Tür und eine dicke Uhr am Handgelenk: Die Insignien des Reichtums ziehen an – aber bedeutet das auch, dass wohlhabende Menschen besseren Sex haben? Drei Experten erklären, welche Faktoren für ein gelungenes Sexleben entscheidend sind – und ob Geld dabei eine Rolle spielt.

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Das Wichtigste vorweg: Ob der Sex gut ist oder nicht, ob ein Paar ein erfülltes Sexleben hat oder nicht, ob Mann und Frau einen Orgasmus erleben oder nicht, hängt von diversen Faktoren ab. „Sex ist so vielseitig, vielschichtig und individuell gestaltbar, dass es schwierig ist, eindeutige Zusammenhänge einzelner Komponenten abzuleiten“, erklärt Michael Sztenc, Diplompsychologe und Klinischer Sexologe.

Hohes Einkommen = guter Sex? Sexologe klärt über uneindeutigen Zusammenhang auf

Das grundsätzliche Problem vieler Studien, die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen hohem Einkommen und gutem Sex suggerieren, ist laut Sztenc die Uneindeutigkeit des Zusammenhangs. Denn es müsse dabei zwischen Korrelation und Koinzidenz unterschieden werden.

Sexualwissenschaftler Sex mit Reichen
Michael Sztenc ist klinischer Sexologe und Diplompsychologe. © privat | Privat

Nur, weil zwei Phänomene gemeinsam auftreten – man nennt es Koinzidenz – heißt das nicht, dass eines davon das andere auch bedingt – das wäre eine Korrelation. Oder anders ausgedrückt: Nur weil sich in einer Umfrage zeigt, dass Menschen mit höherem Einkommen ein besseres Sexleben haben, bedeutet das nicht automatisch, dass das bessere Sexleben auf das höhere Einkommen zurückzuführen ist. Dieser scheinbare Zusammenhang kann auch zufällig auftreten.

Sexuelle Anziehung: Deshalb finden wir reiche Menschen attraktiv

Also alles nur Mythos? Nicht ganz, wenn es nach Dr. Jakob Pastötter, Sexualwissenschaftler und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung, geht. Denn wenn man das Thema nicht aus der individuellen Perspektive, sondern im evolutionsbiologischen Kontext betrachtet, lasse sich zunächst festhalten: „Es geht letztendlich immer darum, andere zu beeindrucken, um die Fortpflanzungschancen zu erhöhen. Und eines von vielen Signalen, das für Power steht und somit beeindruckt, ist nun einmal Geld“, sagt Pastötter.

Auch Studien zeigen, dass Geld und Ansehen die Chancen auf einen Partner oder eine Partnerin erhöhen. Forschende der Universität Wien fanden vergangenes Jahr heraus, dass die Heiratschancen von Männern im Laufe der Zeit immer stärker mit ihrem Einkommen korrelieren. Das ging aus der Analyse der Daten von 3,5 Millionen Männern und 3,6 Millionen Frauen aus den USA hervor, die zwischen 1890 und 1973 geboren wurden.

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Männer, die viel verdienen, haben laut einer Studie höhere Heiratschancen (Symbolbild). © Getty Images | Jacob Wackerhausen

Wie sich das Einkommen auf den Sex auswirken kann – Experten klären auf

„Geld macht einfach sexy“, sind sich Pastötter und Jana Welch, Sexologin aus Hamburg, deshalb einig – und es könne somit indirekt auch Auswirkungen auf den Sex haben. Pastötter sagt weiter: „Die vermehrte Aufmerksamkeit und Bestätigung, die Wohlhabende von anderen erhalten, zahlt positiv auf das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein ein. Und das wiederum kann zu erfüllterem Sex führen.“

Welch stimmt zu und erklärt diesen Zusammenhang so: „Wenn ich insgesamt erfolgreich bin – was sich zum Beispiel in einem hohen Gehalt und Status widerspiegelt – dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich mich auch im Bett selbstsicher fühle und das kann sich wiederum positiv auf den Sex auswirken“.

Jana Welch
Jana Welch ist Sexologin und Autorin des Buches „Sex that connects“. © Ilona Habben | Ilona Habben

Sex in der Beziehung: Dieser Faktor ist laut Wissenschaftlern entscheidend

Laut Welch gebe es darüber hinaus weitere Faktoren, die zu gutem Sex beitragen und die mit größerer Wahrscheinlichkeit bei einem höheren Einkommen erfüllt seien. Dazu zähle zum Beispiel die Fähigkeit, abzuschalten. „Wenn ich darüber grübeln muss, ob ich einen neuen Job finde und wie ich meine Familie ernähre, dann ist natürlich weniger Raum für ein sexuell fantasievolles Liebesspiel“, sagt Welch.

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Daraus ließe sich aber eben nicht die vereinfachte Gleichung „Je mehr Geld, desto besser der Sex“ ableiten, so Pastötter, sondern vielmehr, dass finanzielle Stabilität und Sicherheit eine positive Grundlage für ein erfülltes Sexleben schaffen können. Wie die drei Experten erklären, hinge das Sich-Fallen-Lassen-Können auch nicht nur vom Einkommen ab, sondern maßgeblicher von sexueller Bildung: Was weiß ich über meine Anatomie, wie funktionieren der weibliche und männliche Körper und welche alten Glaubenssätze habe ich?

„Für guten Sex ist es essenziell, dass man sich wirklich die Zeit nimmt, um sich sexuell weiterzubilden – denn Sexualität ist ein lebenslanger Lernprozess“, sagt Welch. Gemeint ist damit unter anderem die Beschäftigung mit den eigenen Bedürfnissen, denen des Partners oder der Partnerin und das offene Gespräch darüber.

Sexualwissenschaftler Sex mit Reichen
Dr. Jakob Pastötter ist Sexualwissenschaftler und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung. © privat | Privat

Erfülltes Sexleben: Diese Sportarten können einen positiven Einfluss haben

Entgegen einer gängigen Annahme führe die Auseinandersetzung mit sexuellen Wünschen und Praktiken auch nicht zum „Overthinking“, also dazu, sich übertrieben viele Gedanken zu machen und dadurch zu verkrampfen, erklärt die Sexologin. Dieses Problem trete eher dann auf, wenn eine Person nicht wisse, was sie will, ihre Grenzen nicht setze und sich dadurch unsicher fühle. „Diesen Menschen fällt es schwer, sich fallen zu lassen. Die Sorge, dass etwas im Bett passieren könnte, was sie nicht wollen oder mögen, hemmt“, sagt Welch.

Wichtig bleibt festzuhalten: Einkommen kann zwar ebenfalls einen Einfluss auf das Liebesleben haben, ist aber lediglich ein Teilaspekt. Auch ein gesunder und sportlicher Körper könne das Sexleben positiv beeinflussen, so die Experten. Besonders förderlich sei laut Welch deshalb das Ausüben von Sportarten, die für eine gute Durchblutung und Beweglichkeit sorgen. Jana Welch: „Wer zum Beispiel regelmäßig tanzt, Pilates oder Hula-Hoop macht, der ist im gesamten Beckenraum beweglich und das kann sich positiv auf den Sex auswirken.“