Berlin. Die Beziehung kriselt? Paartherapeut Wolfgang Krüger erklärt, wie ein Liebesbrief Ihre Ehe retten könnte – und gibt Schreibtipps.
- Wenn es in der Beziehung schwierig wird, beginnen Paare oft nebeneinanderher zu leben
- In einer Krise rät Paartherapeut Wolfgang Krüger neben einer Aussprache zu wirkungsvoller Geste
- Ein Liebesbrief kann eine Ehe laut Krüger nicht nur beleben, sondern sogar retten
Viele Paare kommen irgendwann an den Punkt, dass die Beziehung nicht rund läuft, haben das Gefühl, dass die Ehe einfach nicht mehr funktioniert. Es kommt immer häufiger zum Streit, man ist genervt, wird ungerecht. Doch sich beim Partner oder der Partnerin ergänzend zu Worten mit einem Geschenk entschuldigen zu wollen, ist keine gute Idee. Diese würden meist eher als oberflächlich empfunden, erklärt Psychotherapeut und Beziehungsexperte Wolfgang Krüger. Eine schönere und bessere Alternative sei, wenn sich Paare einen Liebesbrief schreiben. Warum und wie dieser gelingt, erklärt Krüger im Interview.
Warum ist ein Liebesbrief bei Streit besser als Blumen oder eine Umarmung?
Krüger: Für Frauen wie Männer ist in der Liebe vor allem Anerkennung wichtig – wichtiger als Sex oder körperliche Nähe allgemein. Wenn die rosarote Brille abgesetzt ist und wir die Macken des Partners oder der Partnerin bewusst wahrnehmen, fällt es den meisten aber sehr schwer, diese Anerkennung weiter zu zeigen. Gerade bei uns in Westeuropa sind wir mit Anerkennung ausgesprochen knauserig.
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Wir geben nur Anerkennung, wenn wir das Gefühl haben, der andere hat das verdient. Und das ist in einer Partnerschaft und Ehe ausgesprochen selten. Wenn die Ernüchterung und die Enttäuschung kommt, wird die romantische Kommunikation so im Laufe der Jahre vernachlässigt und wir führen stattdessen vor allem anstrengende Konfliktgespräche.
Beziehung: Beim Liebesbrief „machen viele einen Denkfehler“
Fällt es dann nicht aber auch schwer, einen Liebesbrief zu schreiben?
Krüger: Hier machen viele einen Denkfehler. Beim Liebesbrief haben wir automatisch die Zeit der Romantik im Sinn. Wir meinen, wir müssten die tollsten Worte finden, den anderen total lieben und regelrecht in Flammen stehen, um einen Liebesbrief zu schreiben. Das tun wir aber natürlich nach zehn oder gar 30 Jahren Partnerschaft eher nicht mehr.
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Normalerweise haben wir eine ganze Latte an kleinen Vorbehalten und Skepsis. Wir sind mitunter etwas verliebt, aber das ist schon eingeschränkt und differenziert. Dennoch brauchen wir keine Angst davor zu haben, liebevolle und wertschätzende Worte zu finden, um einen Liebesbrief zu verfassen. Es geht einfach nur darum, Negatives einmal für sich zu behalten.
Liebesbrief richtig schreiben: Experte gibt wichtige Tipps
Wie drücke ich meine Gefühle in einem Liebesbrief aus?
Krüger: Ein Liebesbrief muss gar nicht kitschig sein. Das macht uns nur unglaubwürdig. Sätze wie „Jedes Mal, wenn ich dich sehe, falle ich fast in Ohnmacht“ sind definitiv nicht notwendig. Es geht beim Liebesbrief am Ende gar nicht explizit darum, unsere Gefühle zu Papier zu bringen. Vielmehr ist er eine großartige Gelegenheit, dem Partner oder der Partnerin mitzuteilen, was man an ihr oder ihm schätzt. Wichtig sind hier die Eigenschaften, die sie oder ihn von anderen unterscheiden.
Haben Sie hier konkrete Beispiele?
Krüger: Wir können etwa schreiben, der Partner oder die Partnerin sei unvergleichlich, denn sie sei nicht nur intelligent, sondern auch sehr tüchtig, sehr attraktiv und man könne mit ihr so wunderbar herumblödeln, dass man von den ständigen Lachanfällen Bauchschmerzen bekommt. Manche sind unendlich versorgend, man wird bekocht, gestreichelt, er oder sie hört immer zu. Und dann hat er oder sie einen großen Freundeskreis, übernimmt große soziale Verantwortung, ist ehrgeizig, spielt hingebungsvoll mit den Kindern.
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Was macht einen guten Liebesbrief aus?
Krüger: Wir sollten bei einem Liebesbrief unbedingt realistisch bleiben und dennoch gleichzeitig auch verschwenderisch sein. Wir müssen uns die Mühe geben, dem anderen einmal mitzuteilen: Warum bleibe ich trotz aller Schwierigkeiten bei dir? Und warum bleibe ich gerne bei dir? Und was sind eigentlich die herausragenden Eigenschaften, die du hast, die ich bei keinem anderen Menschen auf der Welt finden werde? Fünf besondere Eigenschaften sollten sich hier bei jedem finden lassen. Und wenn ich diese beschreibe, das zieht dem anderen die Schuhe aus.
Ein guter Liebesbrief muss nicht perfekt sein
Wie fange ich an mit einem Liebesbrief, wenn ich genau das aufschreiben möchte?
Krüger: Sie können im Grunde ganz nüchtern schreiben: „Lieber Dirk, wir kennen uns schon lange. Es ist nicht immer einfach zwischen uns. Aber ich bleibe bei dir und ich bleibe gerne bei dir, weil du Eigenschaften hast, die ich nirgends auf der Welt noch einmal finden werde.“ Ein Liebesbrief muss nicht perfekt sein. Ein unbeholfener Liebesbrief hat manchmal sogar einen größeren Effekt.
Etwa wenn ich schreibe: „Liebe Lena, mir fehlen die richtigen Worte. Ich würde gerne etwas ausdrücken, aber du weißt, ich kann mit Worten nicht so gut. Aber ich möchte dir einmal mitteilen, was ist das Besondere an dir.“ Das reicht völlig aus. Auch wenn wir frisch verliebt sind, stammeln wir oft aus Überforderung dummes Zeug. Und der andere spürt, wie verliebt wir sind.
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Klingt logisch, fällt aber dennoch nicht jedem leicht. Ist es in Ordnung eine Vorlage für einen Liebesbrief zu nutzen oder sich von einer KI helfen zu lassen?
Krüger: Das kann man schon machen. Hilfestellungen für Liebesbriefe gibt es schließlich seit Jahrhunderten. Schon im Orient gab es Menschen, die haben gegen Geld Liebesbriefe für andere verfasst – meist sehr schwülstige. Aber solche Vorlagen sollten dann definitiv nur als Orientierung dienen.
Die Hauptarbeit muss man ohnehin selbst machen. Die Kombination an Eigenschaften, die den anderen ausmachen, ist sehr individuell. Wir müssen uns überlegen, was uns in der Partnerschaft beeindruckt und was uns kein anderer geben kann. Das können wir nur selbst beschreiben.
Liebesbrief: Zum Schreiben weder Vorlage noch Computer nutzen
Am Computer getippt oder handgeschrieben?
Krüger: Hier bin ich eher altmodisch. Ich finde, es geht nichts über einen handgeschriebenen Brief, selbst wenn dieser etwas unleserlich ist.
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Was bewirkt so ein Liebesbrief?
Krüger: Wir alle sind zutiefst berührt, wenn der Andere unsere Einzigartigkeit erkennt und dies auch ausdrückt. Mit einem Liebesbrief lässt sich daher nicht nur der Valentinstag perfekt nutzen, um der Partnerschaft wieder neue Lebendigkeit zu geben. So ein Liebesbrief kann tatsächlich eine Beziehung retten. Er ist eine Vergewisserung der Liebe und schenkt dem anderen die Anerkennung, die es in einer Beziehung so dringend braucht. Das schafft Vertrauen und Nähe.
Wenn ich mir überlege, was fünf Eigenschaften sind, die der andere hat und in welcher Kombination sie ihn einzigartig machen, dann merke ich außerdem, dass ich selber wieder in ein Gefühl einer gewissen Verliebtheit hineinkomme. Ich mache mir wieder selber klar, mit was für einem wunderbaren Menschen ich zusammen bin. Das macht nicht nur etwas mit dem, der den Liebesbrief bekommt, sondern das macht auch etwas mit mir.
Die wichtigsten Liebesbrief-Tipps des Experten auf einen Blick
- Ein Liebesbrief muss nicht kitschig sein.
- Nennen Sie mindestens fünf Eigenschaften, die Sie an ihrem Partner oder ihrer Partnerin schätzen.
- Bleiben Sie realistisch.
- Sagen Sie dem Partner oder der Partnerin, warum Sie trotz Schwierigkeiten bei ihm bleiben.
- Nutzen Sie keine Vorlage, sondern machen Sie sich selbst Gedanken. Individualität ist wichtig
- Schreiben Sie den Brief mit der Hand
- Haben Sie keine Angst. Sie werden die richtigen Worte finden.
Zur Person
Dr. Wolfgang Krüger (75) ist Diplom-Psychologe und Psychotherapeut mit eigener Praxis in Berlin. Beziehungsprobleme sind ein Schwerpunkt seiner Arbeit. Zudem veröffentlichte Krüger diverse psychologische Sachbücher – unter anderem zu den Themen Liebe, Partnerschaft und Sexualität.