Berlin. Hadley Vlahos ist Hospizschwester und in den USA berühmt. Was sie aus den Todes-Schicksalen, die sie am meisten bewegten, gelernt hat.
Gibt es ein Leben nach dem Tod? Diese Frage beschäftigt wohl jeden Menschen früher oder später. Und besonders beschäftigt sie Hadley Vlahos. Sie arbeitet als Hospizkrankenschwester in den USA und begleitet Menschen auf den letzten Metern des Lebens.
Ein Beruf, bei dem man sich nicht nur um das körperliche Wohlbefinden der Patienten kümmert, sondern auch um die seelische Verarbeitung des bevorstehenden Todes. In dem Buch „Zwischen den Welten“, das am 28.8. im Kösel-Verlag erscheint, hat Vlahos die letzten Momente von zwölf schwerkranken Menschen aufgeschrieben. Einer davon ist Frank (Name geändert), dessen Geschichte Vlahos begleitet hat.
Frank: Schwerer Fall von Krebs
Frank, ein Mann um die 60, so schildert es Vlahos, litt an einem Kopf-Hals-Tumor. Das verursachte eine große, offene Schwellung im Nackenbereich, die mit einem dicken Verband abgedeckt wurde. Durch diese Öffnung sickerte regelmäßig etwas Blut heraus. Es bestand die Gefahr, dass Frank früher oder später verbluten würde, so Vlahos. Die Schmerzen seien mithilfe von Fentanyl-Pflastern immerhin erträglich gewesen. Hoffnung auf Heilung gab es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.
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Finanzielle Probleme: Wichtige Transfusion muss ausfallen
Dass das Gesundheitssystem in den USA etwas komplexer ist als in Deutschland und dass die Betroffenen oft selbst für ihre Behandlung zahlen müssen, ist kein Geheimnis. Selbst kleinste Behandlungen können den finanziellen Rahmen der Patientinnen und Patienten sprengen. So auch in Franks Fall. Obwohl er aufgrund seines Blutverlusts eigentlich eine Transfusion benötigt hätte, konnte er die Kosten schlichtweg nicht stemmen, schreibt Vlahos. In so einem Fall müssen die Patienten das Krankenhaus oft wieder verlassen.
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So müssen Entscheidungen über Leben und Tod getroffen werden, die zynisch anmuten. Franks Frau Cheryl (Name ebenfalls geändert) sagte gegenüber Vlahos: „Man hat Frank gesagt, dass er noch eine Bluttransfusion bräuchte. Er würde dadurch aber nur ein paar Tage gewinnen. Wir haben zudem keine Versicherung, wir müssten das also selbst bezahlen. Ich habe nachgefragt, wie viel das kosten würde. Vermutlich geht es in die Tausende.“
Zu viel für das Ehepaar. Frank blieb in dieser Situation pragmatisch: „Ein paar Tage mehr oder weniger, was macht das schon? Das Endergebnis bleibt doch gleich.“
Spezielle Krankenversicherungen in den USA wie Medicare setzen tragen die Kosten für ältere Menschen, denen eigene Mittel fehlen. Da Frank aber noch nicht das entsprechende Alter von 65 erreicht hatte, fiel diese Option weg. Auch das vergleichbare Programm für Menschen mit geringem Einkommen (Medicaid) kam nicht infrage. Cheryl: „Man hat uns abgelehnt. Wir vermieten Ferienwohnungen. Bei uns kommt im Sommer immer viel Geld herein, im Winter dagegen ziemlich wenig. Aus unserer Steuererklärung geht hervor, dass letztes Jahr das Geschäft gut gelaufen ist und wir rund fünfzigtausend Dollar (etwa 45.000 Euro, Anm. d. Red.) verdient haben.“ Zu viel, um als bedürftig zu gelten, zu wenig, um hohe Krankenhausrechnungen zu tragen. Immerhin: Die Hospiz-Begleitung ist in der Regel für Patienten kostenlos, so auch in Franks Fall.
Was kommt nach dem Tod?
Frank glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod. Und dennoch sagte er: „Ich habe schon Angst vor dem, was dann vielleicht kommt. Aber ich glaube nicht, dass Sie mir da helfen können. Weil ich nicht glaube, dass hinterher etwas auf uns wartet.“ Solch eine Sicht auf den Tod erlebe Vlahos oft, sagt sie. Doch wenige würden offen über diese Ängste sprechen.
Frank sprach mit Toten
Etwas später berichtete Cheryl, dass Frank mit Leuten sprechen würde, die gar nicht da sein, darunter seine bereits zuvor verstorbene Schwester. Frank sagte überzeugt: „Ich bin nicht verwirrt. Meine Schwester ist zu Besuch gekommen.“
Laut Vlahos sei es keine Seltenheit, dass die Angehörigen der Toten „zu Besuch“ kämen: „Das Ganze ist letztlich ein medizinisches Phänomen. Es tritt bei den unterschiedlichsten Menschen auf, ganz egal, ob man sich als religiös bezeichnet oder nicht. Ab diesem Zeitpunkt versterben die Menschen erfahrungsgemäß innerhalb von etwa 72 Stunden.“
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Wenig später fiel Frank ins Koma. Frank verblutete langsam. Vlahos: „Als sein Herz aufhörte zu schlagen, kam auch die Blutung zum Stillstand. Ich holte Cheryl, damit sie sich verabschieden konnte. Sie hatte nur eine Frage: ‚War es friedlich?‘ Und ich antwortete ehrlich: Es war einer der friedlichsten Momente, die ich je erlebt habe.“