Berlin. Hadley Vlahos ist Hospizschwester und mit ihrer Arbeit berühmt geworden. In einem Buch packt sie nun über ihre Erfahrung mit dem Tod aus.
Noch immer ist es das wohl größte Rätsel der Menschheit: Was geschieht mit uns, wenn wir sterben? Gehen wir weiter in eine andere Welt, oder ist da einfach nur nichts? Hadley Vlahos hat ihr Leben dem Tod verschrieben. Die US-Amerikanerin ist ausgebildete Hospizkrankenschwester und begleitet sterbenskranke Menschen auf ihrem letzten Weg.
Ein anspruchsvoller Beruf, bei dem man nicht nur Bedürfnisse der Patienten eingehen muss. Sie muss auch selbst bewältigen, dass sie täglich Menschen sterben und leiden sieht. In dem Buch „Zwischen den Welten“, das am 28. August im Kösel-Verlag erscheint, hat Vlahos ihre Erfahrungen jetzt niedergeschrieben.
Tod war schon als Kind Bestandteil ihres Lebens
Vlahos hatte schon früh einen Bezug zum Tod. Sie sagt: „Für viele Menschen ist der Tod ein Tabu, das Ängste auslöst. In meiner Familie war das nicht so.“ Ihre Großeltern, die Eltern ihrer Mutter waren beide Bestatter und geprüfte Einbalsamierer. „Meine Mutter wuchs sozusagen zwischen trauernden Familien und der Leichenhalle auf. Da für unsere Familie der Tod buchstäblich Teil unseres Lebens war, war es nicht ungewöhnlich, dass beim Abendessen über das Sterben und alles, was damit zusammenhängt, gesprochen wurde. Ich wuchs mit der Vorstellung auf, dass der Tod etwas ganz Natürliches ist. Tod war für mich nie erschreckend oder geheimnisvoll.“
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Arbeit auf der Intensivstation zu unpersönlich
Vlahos macht eine Ausbildung als Krankenschwester. Im Anschluss arbeitete sie auf der Intensivstation: „Der Tod im Krankenhaus war immer ein fieberhaftes, traumatisches Ereignis. Chaos, Hektik, gut fünfzehn Leute in einem Raum, die herumrennen, versuchen, den Patienten wiederzubeleben, und aufgeregt warten, ob der Herzschlag wieder anspringt“, sagt sie.
Ein getakteter Ablauf, bei dem wenig Zeit bliebt, das Erlebte zu verarbeiten. Vlahos sagt: „Es war nicht so, dass diese Sterbefälle mich kaltgelassen hätten. Aber die Krankenschwestern, die ich auf der Intensivstation am meisten bewunderte, waren jene, die von Tod zu Tod gingen, als wäre das das Normalste auf der Welt. Ich wollte so sein wie sie.“
Das änderte sich, als Vlahos in die Hospiz-Arbeit wechselte: „Mir war es immer schwergefallen, innerlich Distanz zu halten zu dem Menschen, der vor mir lag. Das hier war ganz anders – viel persönlicher und intimer.“ Der Umstieg war dennoch alles andere als leicht, so Vlahos: „Ich fühlte ich mich massiv überfordert. Ich fragte mich, ob ich für die Hospiz-Arbeit wirklich geeignet war.“ Denn die Arbeit beschäftigte sie auch im Alltag.
Abkopplung eine große Herausforderung
Einfach nach Hause gehen, auf die Couch legen und die Arbeit einfach mal Arbeit sein zu lassen: In vielen Berufen ist das sicher möglich. In der Hospizpflege ist das deutlich komplizierter. Obwohl Vlahos die Nähe zu den Patienten genoss, war diese Nähe zunächst auch ihre größte Schwierigkeit. Eine zu enge Bindung erschwerte den Moment, wenn der Betroffene letztlich verstarb. Oft musste Vlahos weinen.
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Jeder Tote warf zudem neue Selbstzweifel auf. Sie machte sich selbst Vorwürfe, fragte sich, ob sie alles Mögliche für die Patienten getan habe. „Es stimmt schon, dass es in diesem Beruf eine Menge harter – sogar niederschmetternder – Momente gibt, aber ich kann versichern: Die schönen Momente überwiegen bei Weitem.“
Mit der Hilfe einer erfahrenen Kollegin lernte Vlahos nach und nach, die schwierigeren Situationen zu verarbeiten. Man müsse sich auf den Job selbst konzentrieren: „Andere Patienten brauchen uns ebenfalls. Gefühlt versorgen wir hunderte Patienten, von denen jeder wohl den schlimmsten Tag seines Lebens durchlebt.“
Vlahos Kollegin schien von der Hospizarbeit weder körperlich noch geistig zu ermüden. Sie ging von einem Patienten zum anderen, ohne sich emotional darauf einzulassen. „Ich beneidete sie um ihre Fähigkeit, sich davon abzukoppeln. Ich hätte ihre leidenschaftslose Haltung gerne kopiert. Allmählich wurde ich besser darin, mich emotional abzukoppeln und mich auf die Aufgabe zu konzentrieren, die ich vor mir hatte“, so Vlahos.
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Was geschieht nach dem Tod?
Geht das Leben nach dem Tod in irgendeiner Form weiter? Vlahos gibt sich da sicher: „Aus der Ähnlichkeit der Erfahrungen meiner Patienten am Ende ihres Lebens schließe ich, dass es nach diesem Leben durchaus etwas gibt. Ganz egal, woran du glaubst, am Ende stirbt jeder auf die gleiche Weise. Viele meiner nicht-religiösen Patienten haben am Ende ihres Lebens Besuche von verstorbenen Lieben erfahren. Das trifft auch auf jene zu, die an ein Leben nach dem Tod glaubten.“
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Gleich mehrere Patienten von Vlahos hatten demnach kurz vor dem letzten Atemzug eine Art „Erscheinung“. Darin erlebten sie, wie ihre Angehörigen vorbeikamen, um die Sterbenden „abzuholen“. Vlahos: „Ich denke nicht, dass wir alles, was hier auf Erden geschieht, erklären können. Diese Besuche aber sind für die erlebenden Patienten absolut deutlich und konkret. Halluzinationen lösen oft Ängste und Panik aus. Diese Besuche aber schenken Ruhe und Frieden. Ich glaube nicht, dass dies das Resultat einer chemischen Reaktion im Gehirn ist, die sich in unseren letzten Stunden einstellt.“
Akzeptanz als Schlüssel für einen friedlichen Tod
Egal, ob es weitergeht oder nicht: Am Ende des Lebens komme es vor allem auf einen Punkt an, sagt Vlahos: „Wie du dein Leben gelebt hast, ist wichtiger als alles, woran du glaubst. Ich habe Menschen kennengelernt, die ein wunderbares, erfüllendes Leben hatten, ob sie nun religiös waren oder nicht. Meiner Erfahrung nach sind am Ende jene Menschen am glücklichsten, die ihren Frieden mit dem gemacht haben, wie sie lebten.“ Und: „Über den Tod und das Sterben gibt es so viele falsche Vorstellungen.“ Es würde einfach nicht genügend darüber geredet.