Berlin. Eine neue Erfindung soll Menschen einen sanften Tod ermöglichen. Doch die Kritik am „Sarco“ wird lauter. Das entgegnet die Initiative.
Der Ausdruck „going to Switzerland“ (zu Deutsch: „in die Schweiz gehen“) bezeichnet in Großbritannien mittlerweile nicht nur eine Reise in die malerische Alpenlandschaft. Für viele Menschen, die an unheilbaren Krankheiten leiden, verkörpert er die Hoffnung auf einen selbstbestimmten und würdevollen Tod. Denn in der Schweiz ist Sterbehilfe – unter bestimmten Bedingungen – sowohl für Schweizer Staatsbürger als auch für Ausländerinnen und Ausländer legal. In den letzten Jahrzehnten verzeichneten Forschende in der Alpennation sogar einen wachsenden „Selbstmord-Tourismus“.
So ist es wohl kein Zufall, dass die umstrittene Suizidkapsel „Sarco“ (von Sarkophag) erstmals in der Schweiz zum Einsatz kommen soll – zumindest, wenn es nach ihrem Erfinder, dem australischen Sterbehilfeaktivisten Philip Nitschke, geht. Der „Sarco“ verspricht einen schnellen und schmerzlosen Tod durch das Einleiten von Stickstoff und den anschließenden Sauerstoffmangel.
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„Der ‚Sarco‘ wird in der Schweiz eingesetzt werden“
Bei assistiertem Suizid kommt gewöhnlich ein tödlich wirkender Giftstoff (wie flüssiges Natrium-Pentobarbital) zum Einsatz. Dieses Beruhigungsmittel muss von ärztlichem Fachpersonal verschrieben und verabreicht werden. Der „Sarco“ kommt jedoch ohne tödliche Medikamente aus. Für die Nutzung der Suizidkapsel ist lediglich ein psychiatrisches Gutachten notwendig, das die Urteilsfähigkeit bestätigt.
Per Knopfdruck entscheidet die Person in der Kapsel eigenständig, wann der Stickstoff hineinströmen soll. Dieser wirkt erst euphorisierend, dann einschläfernd. Nach wenigen Minuten tritt schließlich „friedlich“ der Tod ein. So ist es auf der Webseite der zugehörigen Sterbehilfeorganisation „The Last Resort“ zu lesen.
Laut Dr. Fiona Stewart, Rechtsanwältin, Gründungsmitglied von „The Last Resort“ und Ehefrau Philip Nitschke, bietet die Schweiz alle rechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz des „Sarco“: „Die Schweiz verfolgt einen universalistischen Ansatz bei der Sterbehilfe. Aus diesem Grund wird der ‚Sarco‘ in der Schweiz eingesetzt werden“, sagt Stewart im Interview mit unserer Redaktion.
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Tod im „Sarco“ ist „würdevoll und verlässlich“
Zu den Forderungen von „The Last Resort“ gehöre nicht nur das Recht, Sterbenden zu helfen, sondern auch ein allgemeines Recht, selbstbestimmt zu sterben, erklärt Stewart: „‚The Last Resort‘ plädiert für einen Ansatz, der einen ‚guten‘ Tod als universelles Menschenrecht betrachtet. Wir finden es problematisch, dass Menschen in zwei Gruppen eingeteilt werden können: die Verdienten, die Hilfe zum Sterben bekommen können, und die Unverdienten, die dies nicht können.“ Einfach ausgedrückt: nicht alle Menschen haben Zugang zu selbstbestimmter Sterbehilfe.
Zudem sei der Tod im Sarco im Gegensatz zu anderen Möglichkeiten des Suizids „würdevoll“, so Stewart: „Es hat nämlich nichts Würdevolles, von einem hohen Gebäude oder vor einen Zug zu springen.“ Auch dass der Tod „verlässlich“ eintritt, spreche für die Nutzung der Kapsel: „Es gibt kein Risiko des Erbrechens von tödlichen Medikamenten, was bei der Einnahme dieser übel schmeckenden Mittel aber passieren kann. Es besteht auch nicht das Risiko, dass die Infusionsleitung verstopft, wie es bei der intravenösen Verabreichung tödlicher Medikamente der Fall sein kann.“
Zudem müssten Ärzte auch nicht eine Tätigkeit übernehmen, die für viele einen Gewissenskonflikt darstellt: die Tötung ihrer Patienten. „Der ‚Sarco‘ steht für eine Entmedikalisierung des Sterbeprozesses“, so Stewart.
Kanton Wallis verbietet Verwendung des „Sarco“ auf unbestimmte Zeit
Doch auch wenn „The Last Resort“ und Stewart immer wieder öffentlich betonen, dass es für die Nutzung des ‚Sarco‘ ihrer Ansicht nach keine rechtlichen Hindernisse gebe, haben sich mehrere Kantone bereits kritisch über die Nutzung der Sterbekapsel geäußert.
Im Kanton Wallis wurde die Verwendung der Suizidkapsel am 12. Juli 2024 „zu präventiven Zwecken mit sofortiger Wirkung und auf unbestimmte Zeit“ verboten, wie Kantonsarzt Dr. Eric Masserey unserer Redaktion erklärt: „Da das Gerät ‚Sarco‘ offenbar zu den Medizinprodukten gehört, hätte es normalerweise von der schweizerischen Bundesbehörde Swissmedic zugelassen werden müssen. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Da das vom Sarco verwendete Gas eine Sonderzulassung (‚off label‘) für ein Medikament darstellt, hätte es normalerweise auch von der schweizerischen Bundesbehörde Swissmedic oder der kantonalen Behörde zugelassen werden müssen. Es stellt sich, neben anderen offenen Fragen, auch die ethische Frage, ob ein solcher Tod als ‚würdevoller‘ Tod bezeichnet werden kann (...).“ Ob und wann das ‚Sarco‘ dann doch zugelassen werden könnte, ist noch unklar.
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Sterbehilfeorganisationen sprechen sich gegen „Sarco“ aus
Etablierte Schweizer Sterbehilfeorganisationen sprechen sich ebenfalls offen gegen den Einsatz des „Sarco“ aus. „EXIT Deutsche Schweiz“, die älteste und größte Sterbehilfeorganisation der Schweiz, erklärt auf Anfrage unserer Redaktion: „Für EXIT Deutsche Schweiz hat diese Methode keine Bedeutung. Das liegt insbesondere daran, dass ‚The Last Resort‘ Ärzte im Prozess der Sterbehilfe so weit wie möglich aus dem Spiel nehmen will. (…) Die Zusammenarbeit mit Schweizer Ärztinnen und Ärzten, die im konkreten Fall das notwendige Rezept ausstellen, funktioniert seit Jahren zuverlässig.“
„EXIT Deutsche Schweiz“ weist zudem darauf hin, dass Natrium-Pentobarbital in der Schweiz als sicheres und etabliertes Sterbemittel zur Verfügung steht. Die Mitglieder von „EXIT Deutsche Schweiz“ und ihre Angehörigen würden es zudem sehr schätzen, den Sterbeprozess gemeinsam erleben zu können. Im „Sarco“ müsse man die letzte Reise dagegen alleine und isoliert von den Angehörigen antreten.
Anmerkung der Redaktion
Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über (mögliche) Suizide oder Suizidversuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Suizidgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen.
Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.
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