Berlin. Männer zeigen und kommunizieren ungern ihre Gefühle. Psychologen erklären, was das für Beziehungen bedeutet und was Sie tun können.
Männer sprechen nicht gerne über ihre Gefühle. Dieses traditionelle Männerbild hält sich in der Gesellschaft nach wie vor. Die meisten haben nie gelernt, ihre Emotionen wahrzunehmen oder zu kommunizieren. Aber warum ist das so?
Man würde meinen, Emotionen offen zu zeigen, ist heute normaler denn je. Doch gerade zwischen Männern und Frauen gibt es beim Erleben von Emotionen nach wie vor große Unterschiede. Jeder weiß: Beide Geschlechter denken und handeln unterschiedlich, wenn es um die eigenen Gefühle geht. Männer tun sich dabei deutlich schwerer, ihre Gefühle zu offenbaren. „Trotz aller Veränderungen haben wir eine männliche Sozialisation, die Männern im Grunde fast sämtliches inneres Erleben und Gefühle, wie Angst, Hilflosigkeit, Scham oder Schuld verbietet und abspricht“, sagt der Psychologe und Autor Björn Süfke aus Bielefeld („Männerseelen“, Goldmann).
Emotionen würden bei Männern in der Gesellschaft weniger gespiegelt und damit auch bis heute weniger toleriert. Je nach kulturellem Einfluss fällt es Männern leichter oder schwerer, Emotionen zu fühlen. Jungen fehle aber im Gegensatz zu Mädchen häufig die gesellschaftliche Erlaubnis, Emotionen zeigen zu dürfen und auch spezielle Rollenbilder im Alltag in der Kindheit, die diesen Gefühlen Raum geben. „Es wird Jungen auf verschiedenen Ebenen, durch Medien und auch in der Erziehung suggeriert, dass Junge oder Mann sein und Gefühle nicht zusammengehören“, sagt Süfke.
Männer und die eigenen Gefühlen: Wenn die Verbindung fehlt
Durch dieses Gefühlsverbot lernen Männer schon früh, ihre Emotionen abzuwehren und zu verdrängen. Sie verlieren dadurch also die Verbindung zu ihren eigenen Gefühlen: „Männer haben im Vergleich zu Frauen zu sämtlichen Emotionen, abgesehen von Ärger, weniger Zugang und damit auch weniger Wissen über ihre Sehnsüchte, Bedürfnisse, Pläne und Wünsche“, sagt der Bielefelder Psychologe. „Das aber ist der Sinn von Emotionen. Sie sollen uns Informationen liefern“, erklärt er.
Diese emotionalen Unterschiede zwischen Mann und Frau haben selbstverständlich auch Einfluss auf romantische Beziehungen. Der Soziologe und Männerberater Richard Schneebauer („Der Männerkenner-Blog“) meint: „Ein Klassiker in der Männerberatung ist, dass der Mann in die Beratung kommt und meint, dass bis vor Kurzem in der Beziehung alles gepasst hat, die Frau ihn nun aber verlassen möchte.“
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Männern fehle oftmals die Selbstreflexion und sie ignorierten den eigenen Gefühlszustand in der Beziehung. „Männer sind Weltmeister im Aushalten“, sagt er. Eine Beziehungskrise könne bei manchen aber ein erster Berührungspunkt im Umgang mit den eigenen Gefühlen sein und den Mann zum Umdenken des eigenen Gefühlsmanagements bewegen.
Psychotherapie bei Männern: Oft mangelnde Bereitschaft zu echter Veränderung
Der fehlende Zugang zum eigenen inneren Erleben zeigt sich aber nicht nur in zwischenmenschlichen oder romantischen Beziehungen. Auch im Umgang mit der eigenen Gesundheit spiegelt sich das unzulängliche emotionale Erleben wider: „Wenn ich keinen Zugang zu meinen Gefühlen habe, dann gehe ich auch nicht zum Arzt. Da habe ich auch keine Angst vor Krankheiten“, erklärt Süfke.
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Diese Problematik lässt sich tatsächlich auch in Zahlen erkennen. Zwar ist die Datenlage dünn, doch Studien zeigen, dass einer von fünf Patienten eine Psychotherapie frühzeitig beendet. Die Abbruchraten bei Männern sind dabei tendenziell höher als bei Frauen. „Nur halb so viele Männer, die in die Beratung gehen, bleiben auch dran.“, so Süfke. Der Therapeut sieht dabei aber keinen wesentlichen Unterschied in den Themen zwischen Männern und Frauen in der Psychotherapie, sondern vor allem die Art und Weise, mit den eigenen Gefühlen umzugehen.
Um einen Umbruch zu erzielen, lohnt es sich also, sowohl auf individueller als auch gesellschaftlicher Ebene mehr über die Emotionen von Männern zu sprechen. „Männer, ihr Befinden und ihr Verhalten sind längst nicht mehr die unhinterfragte Norm, sondern Gegenstand der Forschung und öffentlicher Diskussion“, sagt Schneebauer. „Männer sind längst gezwungen, sich selbst und ihr Verhalten zu reflektieren und zu überlegen, wie sie selbst als Mann leben, lieben und arbeiten möchten“, sagt er.
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Der Soziologe sieht neben dem öffentlichen Diskurs aber vor allem die offene Kommunikation unter Männern als wertvolle Möglichkeit, etwas an der Tabuisierung der Männergefühle zu verändern: „Zu viele Männer haben keinen besten Freund, also einen anderen Mann, dem sie erzählen, wie es ihnen wirklich geht. Dadurch könnten Männer erkennen, dass alle so ihre Probleme haben und gestärkt Beziehungen führen“, meint er.
Beide Experten sehen bei der Entwicklung dennoch recht optimistisch in die Zukunft. „Es gibt mittlerweile ganz viele verschiedene Themenstränge und Bewegungen in der Gesellschaft, die parallel verlaufen. Wir haben eine immer stärkere Hinwendung zu Diversität und LBGTQ, die immer größere Aufmerksamkeit bekommen. Die Tendenz ist also klar und geht in eine positive Richtung“, sagt der Männertherapeut Süfke aus Bielefeld. Aber: „Gerade das Thema mit dem Gefühlszugang bei Männern kann sich ja gar nicht so schnell verändern. Das braucht Generationen.“