Berlin. Bei einer privaten Veranstaltung in Berlin soll es zu einem „Vorfall“ gekommen sein. Der Bundeskanzler weist Rassismusvorwürfe zurück.

  • Olaf Scholz soll Berlins Kultursenator Joe Chialo beleidigt haben
  • Dem Kanzler wird Rassismus vorgeworfen
  • Auch gegenüber Journalisten soll Scholz ausfällig geworden sein
  • Scholz und Chialo telefonierten am Mittwochabend

Wenige Tage vor der Bundestagswahl sieht sich Bundeskanzler Olaf Scholz mit Rassismusvorwürfen konfrontiert. Der SPD-Politiker soll Berlins Kultursenator Joe Chialo auf einer privaten Geburtstagsfeier als „Hofnarr“ bezeichnet haben. Chialo bestätigte auf Anfrage dieser Redaktion lediglich, dass es einen „Vorfall“ gegeben habe. Einzelheiten schilderte der in Bonn geborene Sohn einer Diplomatenfamilie aus Tansania zunächst. Am Donnerstag gab Chialo dann eine schriftliche Erklärung zu dem Vorfall ab. Die Reaktion auf den „Hofnarren“-Eklat lesen Sie hier.

Auslöser der heftigen Kritik an Scholz war ein Bericht des Magazins „Focus“. Demnach sagte Scholz bei der privaten Feier, als es um eine mögliche Zusammenarbeit der CDU mit der AfD in der Migrationspolitik und möglichen Rassismus in den Reihen der Christdemokraten ging, an Chialo gerichtet: „Jede Partei hat ihren Hofnarren.“ Chialo sei für die CDU ein Feigenblatt. Anlass der Party war der Geburtstag des Unternehmers Harald Christ. Nach Informationen der Berliner Morgenpost fand sie im Berlin Capital Club in Mitte statt.

199182_1325_199182_cover.jpg

#9 Lars Klingbeil über seinen Soldatenvater und das Sterben im Krieg

Meine schwerste Entscheidung

Olaf Scholz mit Beleidigung bei Party: Chialo soll „bestürzt und fassungslos“ reagiert haben

Verfasser des Berichts ist „Focus“-Chefredakteur Georg Meck. Meck berichtete am Mittwoch, Chialo habe „bestürzt und sprachlos“ reagiert. Meck stand nach eigenen Angaben bei dem Gespräch zwischen Scholz und Chialo. Er habe sich anschließend bei Chialo telefonisch rückversichert, dass er keiner falschen Wahrnehmung der Szene aufgesessen sei.

Scholz soll Berlins Kultursenator Joe Chialo als „Hofnarr“ bezeichnet haben.
Scholz soll Berlins Kultursenator Joe Chialo als „Hofnarr“ bezeichnet haben. © dpa | Soeren Stache; Kay Nietfeld

Wie der „Focus“ weiter berichtet, soll Scholz auch gegenüber anwesenden Journalisten ausfällig geworden sein. „Er kanzelte dort (Anm. d. Red.: auf der Party) eine öffentlich-rechtliche Führungskraft (die sich nicht äußern möchte) mit den Worten ab ‚Halt den Mund‘ – ergänzt um eine noch deftigere Bemerkung. Andere Kollegen bezichtigte er, sich zum billigen Werkzeug von Verlegern oder, besser noch, der CDU-Pressestelle zu machen“, hieß es am Donnerstag. 

Bei einem der Journalisten soll es sich um Paul Ronzheimer von der „Bild“-Zeitung handeln. Das bestätigte dieser in seinem Podcast. Ronzheimer sagte darin auch, dass es eine hitzige Debatte zwischen ihm und Scholz über die vermeintlich CDU-nahe und scholzkritische Berichterstattung der „Bild“ gegeben habe. Die Stimmung sei „extrem aufgeladen“ gewesen. Ronzheimer habe die dann fallende Bemerkung in Richtung Chialo allerdings nicht als rassistisch empfunden. Auch eine rassistische Formulierung, die in der „Focus“-Berichterstattung auftaucht, sei vom Kanzler nicht verwendet worden.

Für den Kanzler kommt die Debatte um den Vorfall zur Unzeit. Keine zwei Wochen vor der Bundestagwahl liegt seine SPD in den Umfragen weit hinter der Union mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) zurück. Die von den Sozialdemokraten erhoffte Aufholjagd bleibt bisher aus. Mit der gemeinsamen Migrationsabstimmung von Union und AfD im Bundestag glaubten die Strategen um Scholz, endlich ein Mittel gefunden zu haben, den Oppositionsführer zu schwächen.

Auch interessant

CDU-Vize wirft Scholz rassistische Äußerung vor

Die Rassismusvorwürfe könnten nun jedoch einen Schatten auf den restlichen Wahlkampf des Kanzlers werfen. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien erinnerte daran, wie vor der letzten Bundestagswahl 2021 der damalige Unionskanzlerkandidat Armin Laschet nach einem unangemessenen Lacher im Flutgebiet „medial hingerichtet“ worden sei. Der in den Umfragen zunächst führende Laschet verlor damals die Wahl, Scholz wurde Kanzler.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Für Scholz müsse es „das mit dieser rassistischen Äußerung“ gegenüber Chialo „ja dann gewesen sein“, erklärte Prien mit Blick auf die Wahl am 23. Februar. Was von dem Kanzler bleibe: „Keine Selbstbeherrschung, keine Sensibilität, kein Unrechtsbewusstsein, kein Anstand.“

Lesen Sie mehr über Joe Chialo bei der Berliner Morgenpost

Scholz weist Rassismus-Vorwurf zurück

Die SPD-Parteizentrale veröffentlichte nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine schriftliche Stellungnahme des Bundeskanzlers. Der von ihm verwandte Begriff „ist im Sprachgebrauch nicht rassistisch konnotiert und war von mir auch nie so intendiert“, erklärte Scholz. Die SPD bestätigte, dass Scholz sich damit auf den Begriff „Hofnarr“ bezogen habe. In der Stellungnahme des Kanzlerkandidaten hieß es weiter: „Der erhobene Vorwurf des Rassismus ist absurd und künstlich konstruiert. Persönlich schätze ich Joe Chialo gerade als eine wichtige liberale Stimme in der Union.“

Die Hintergründe des Vorfalls schildert Scholz so: „In einem Gespräch auf einer privaten Geburtstagsfeier zwischen mir und einem Journalisten ging es vor zehn Tagen um das gemeinsame Abstimmungsverhalten von CDU/CSU und AfD im Deutschen Bundestag.“ Dies habe er in dem Gespräch als „Tabubruch bezeichnet“, erklärte der SPD-Politiker.

Auch interessant

Berlins Regierender Bürgermeister ruft Scholz auf, sich zu entschuldigen

Des Weiteren sei es um die Frage gegangen, ob sich das wiederholen könne und wer innerhalb der CDU diesen Tabubruch überhaupt offen thematisiere. „Auf den Hinweis, dass es auch liberale Stimmen in der CDU gebe, entgegnete ich, dass sich nur sehr wenige liberale Stimmen in der CDU gegen das Verhalten des CDU-Vorsitzenden gestellt und kritisch zu Wort gemeldet hätten“, fügte Scholz hinzu.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner forderte eine Entschuldigung des Bundeskanzlers bei Chialo. „Jeder entscheidet selbst, wie er seinen Wahlkampf führt“, erklärte der CDU-Politiker. „Aber Respekt und Anstand sollten auch im Wahlkampf immer unser Handeln bestimmen. Anständig wäre es, wenn der Bundeskanzler sich jetzt bei Joe Chialo entschuldigen würde.“

Aus dem Umfeld des Kanzlers verlautete am Mittwochabend, Scholz und der Berliner Kultursenator hätten miteinander telefoniert. Zum Inhalt des Gesprächs wurde zunächst nichts bekannt.

Scholz schaltet Medienanwalt Christian Schertz ein

Scholz schaltete den Medienanwalt Christian Schertz ein. Ein rassistischer Kontext sei erst durch eine, Scholz in dem „Focus“-Artikel in indirekter Rede, „unterstellte Formulierung“ entstanden, die Scholz „zu keinem Zeitpunkt“ getätigt habe, erklärte Schertz. „Dies verletzt die Persönlichkeitsrechte von Olaf Scholz in hohem Maße, da es sich um ein Falschzitat handelt“, erklärte Schertz und kündigte presserechtliche Schritte an.

Der Bericht rücke die Aussage von Scholz „bewusst in einen rassistischen Kontext“, kritisierte SPD-Generalsekretär Matthias Miersch. „Das ist keine seriöse Berichterstattung, sondern gezielte Kampagnenarbeit im Sinne der CDU.“ Der Unternehmer Christ erklärte: In der Begrüßung zu seiner Feier habe er unterstrichen: „Die Voraussetzung für einen Abend, bei dem offen miteinander geredet werden darf und soll, ist, dass über persönliche Gespräche öffentlich nicht berichtet wird.“ Er habe das Gespräch zwischen Scholz und Chialo nicht gehört. „Ich kenne Olaf Scholz aber lange und gut genug, um zu sagen: Es ist absurd, den Bundeskanzler in die Ecke eines Rassisten zu rücken.“

Chialos Werdegang: Von den Grünen zur CDU

Die Generalsekretärin der Berliner CDU, Ottilie Klein, kritisierte den Bundeskanzler: „Olaf Scholz hat mit seinen rassistischen Äußerungen ein weiteres Mal bewiesen, dass ihm die charakterliche Eignung für sein Amt fehlt.“ Die Bürgerinnen und Bürger müssten sich die Frage stellen, ob sie jemandem mit solchen Ansichten ihre Stimme geben können. „Wenn die SPD es mit dem Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung wirklich ernst meint, muss sie sich umgehend von diesem Kanzlerkandidaten distanzieren.“

Nach seiner Geburt in Deutschland lebte Chialo als Kind mit seiner Familie für einige Jahre in Tansania, bevor sie nach Deutschland zurückkehrte. Chialo machte zunächst eine Ausbildung zum Fräser, studierte dann in Erlangen, bis er ins Musikgeschäft einstieg. Politisch engagierte sich der Familienvater zunächst bei den Grünen, 2016 trat er in die CDU ein. Bei der Bundestagswahl 2021 scheiterte Chialo als CDU-Direktkandiat im Berliner Wahlkeis Spandau–Charlottenburg Nord. Seit 2022 gehört er dem CDU-Bundesvorstand an, ein Jahr später berief Berlins Regierender Bürgermeister Wegner den heute 54-Jährigen zum Kultursenator der Hauptstadt.