Kursk. Anton Zakharchuk kämpft gegen nordkoreanische Soldaten. Hier erzählt er von seinen Erfahrungen und worin die Nordkoreaner besonders gut sind.

Seit etwa zwei Wochen sind die Männer verschwunden, die weltweit für Schlagzeilen sorgten, weil sie wie ein Wendepunkt im Krieg in der Ukraine schienen. Kim Jong-uns Soldaten stürmen aktuell in der Kursk-Region nicht mehr nach vorne. Anton Zakharchuk ist aber davon überzeugt, dass sie wiederkommen. „Ich glaube, dass sie wieder an der Front auftauchen werden. Sie werden sich angepasst haben“, sagt der junge Major. Er hat gegen die nordkoreanischen Soldaten gekämpft. Und er geht nicht davon aus, dass Kim seine Männer abgezogen hat. Trotz der hohen Verluste, die sie für Russland erleiden mussten.

Zakharchuk, 27, ist stellvertretender Bataillonskommandeur der 95. Luftlande-Brigade, einer Eliteeinheit, die an den gefährlichsten Frontabschnitten des Ukraine-Krieges eingesetzt wird. Aktuell kämpft sie in Russland in der Kursk-Region, in der die ukrainischen Streitkräfte im August vergangenen Jahres eine Offensive starteten. 

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Der Überraschungsangriff sorgte für helle Aufregung in Russland. Erstmals waren ukrainische Truppen auf russisches Territorium vorgedrungen. Kremlherrscher Putin ist gezwungen, den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un um Hilfe zu bitten. Der entsendet im Herbst bis zu 12.000 Soldaten seines Millionen-Heeres.

Nordkoreanische Soldaten verhalten sich auf dem Schlachtfeld anders als die Russen

Mitte Dezember sichten die ukrainischen Soldaten der 95. Brigade erstmals den Feind aus Fernost. Zakharchuk kommandiert eine Drohneneinheit. Wir treffen den Offizier im provisorischen Pressebunker eines Gebäudes in Sumy, einer Großstadt im Norden der Ukraine, nur wenige Kilometer entfernt von der russischen Grenze. Er und seine Männer sehen im Dezember auf dem Schlachtfeld im Nordosten der Kursk-Region Soldaten, die sich anders verhalten als die russischen.

Ukraine hält offenbar nordkoreanische Soldaten gefangen

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    Wenn die ukrainischen Streitkräfte die Männer beschießen oder sie mit Drohnen angreifen, marschieren die Nordkoreaner einfach weiter. „Russen suchen Deckung oder ziehen sich zurück. Diese Leute haben einfach stur einfach weiter ihre Befehle befolgt.“ Die nordkoreanischen Soldaten werden als Sturmeinheiten eingesetzt. Sie werden ohne Schützenpanzer oder Deckung durch Panzer ins Gefecht geworfen, haben nur ihre Sturmgewehre. „Die sind einfach auf uns zu gerannt.“

    Als die ersten Berichte über den Einsatz der Nordkoreaner auftauchen, herrscht Rätselraten. Sind das Eliteeinheiten oder Männer, die wie seinerzeit die Wagner-Söldner nur als Kanonenfutter eingesetzt werden sollen? Zakharchuk hält die feindlichen Soldaten für „sehr gute Infanteristen“, die sich schnell den Gegebenheiten auf dem Schlachtfeld anpassen können. 

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    Nordkoreaner bringen sich eher um, als in Gefangenschaft zu geraten

    „Anfangs haben sie in Gruppen von 30 oder 40 Mann angegriffen, wir haben ihnen große Verluste zugefügt, als wir auf sie geschossen haben.“ Die Nordkoreaner ändern daraufhin ihre Taktik, attackieren mit kleineren Trupps. Auch auf die ukrainischen Drohnen stellen sie sich sehr schnell ein. „Sie haben manchmal unsere Drohnen abgeschossen. Einige von ihnen sind sehr gute Schützen.“

    North Korea Soldiers Killed in Ukraine - 17 Dec 2024
    Es scheint, als hätten die Nordkoreaner den Befehl, sich eher selbst zu töten, als in Gefangenschaft zu geraten. © EyePress News/Shutterstock | EyePress News/Shutterstock

    In den ersten Wochen ist trotz aller Hinweise unklar, ob es sich bei den neuen Soldaten tatsächlich um Nordkoreaner handelt. Bei Gefallenen finden die ukrainischen Soldaten russische Pässe, ausgestellt in der südlich von Moskau gelegenen Provinz Tula. Erst im Januar gelingt es dem Bataillon von Zakharchuk, einen der feindlichen Soldaten gefangenzunehmen, ein zweiter gerät in die Gefangenschaft ukrainischer Spezialkräfte. Es scheint, als hätten die Nordkoreaner den Befehl, sich eher selbst zu töten, als in Gefangenschaft zu geraten.

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    Einmal beobachten Zakharchuk und seine Männer aus der Luft einen verletzten nordkoreanischen Soldaten, der sich neben zwei gefallenen Kameraden selbst versorgt. Sie verlieren ihn kurz aus den Augen, als sie die Batterie ihrer Drohne wechseln müssen. Kurze Zeit später sehen sie, dass der Mann tot ist. Offenbar ist er durch eine Explosion ums Leben gekommen. Auf Nachfrage geben andere ukrainische Drohnenpiloten an, keine Sprengkörper abgeworfen zu haben.

    Ukrainischer Militärgeheimdienst: 8000 nordkoreanische Soldaten sind noch in der Kurs-Region aktiv

    Als Soldaten der 95. Brigade einen Schützengraben stürmen, fordern sie einen Überlebenden auf, sich zu ergeben. Sie haben dafür Zettel dabei, auf denen entsprechende nordkoreanische Phrasen stehen. Der feindliche Soldat reagiert nicht. „Sie haben dann nur eine Detonation gehört.“ Der südkoreanische Geheimdienst NIS schätzt, dass bislang etwa 300 der nordkoreanischen Soldaten getötet und 2700 weitere verletzt worden sein sollen. Wie viele Nordkoreaner die Männer der 95. Brigade getötet haben, weiß Zakharchuk nicht genau. „Ich denke, es sind mindestens 100.“ 

    Anton Zakharchuk
    Anton Zakharchuk ist derzeit in der russischen Region Kursk eingesetzt ist und hat dort gegen nordkoreanische Soldaten gekämpft. © Artem Lysak | Artem Lysak

    Insbesondere von den Gefechten in der Kursk-Region gibt es Videoaufnahmen, die zeigen, wie russische Soldaten ukrainische Gefangene kaltblütig hinrichten. Von nordkoreanischen Soldaten gibt es solche Aufnahmen nicht. „Es gibt keine Beweise, dass sie Kriegsverbrechen begangen haben.“ 

    Mittlerweile dementiert auch der ukrainische Militärgeheimdienst (HUR) den kompletten Abzug der nordkoreanischen Soldaten, über den in den vergangenen Tagen viel spekuliert worden war. Etwa 8000 nordkoreanische Soldaten seien noch in der Kursk-Region aktiv, sagte HUR-Chef Kyrylo Budanow dem Magazin „War Zone“. Man müsse jetzt abwarten, „ob es wirkliche Veränderungen gibt oder ob es sich nur um eine geringere Aktivität für ein paar Tage handelt“.

    Anton Zahkarchuk und seine Männer bleiben wachsam. Der Offizier glaubt, dass die Nordkoreaner nur umgruppiert werden. „Sie können zu jeder Zeit wieder angreifen. Morgens, abends, nachts.“