Düsseldorf. Der Streit um die Migration eskaliert auch in NRW. Merz‘ radikale Ideen zur Migration provozieren hier Zustimmung, Häme - und Abscheu.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte schon am Freitag im Landtag und am Sonntag in der Sendung „Miosga“ klargestellt, dass er hinter den Merz-Plänen stehe. Unter anderem sagte er: „Wenn an eine deutsche Grenze jemand kommt, der schon einen Schutzstatus hat, müsste wieder zurückgehen. Aber das funktioniert in der Regel nicht. Daher kann man sagen: Wer kein Recht hat, dauerhaft hier zu sein, der soll erst gar nicht kommen“, sagte er.
AfD in NRW unterstellt der Union „aktiven Wählerbetrug“
Abweisend reagierte dagegen am Montag Martin Vincentz, der Chef der AfD in NRW, auf die Pläne des Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz. Er wirft der Union „aktiven Wählerbetrug“ vor. „Würde es Merz um eine ehrliche Wende gehen, könnte er das sofort mit der AfD umsetzen. Dazu fehlt ihm aber offensichtlich der Mumm“, sagte Vincentz dieser Redaktion. Der „Fünf-Punkte-Plan“ der CDU sei von der AfD abgeschrieben, die „Merz-Merkel-CDU“ werde ihn aber nie umsetzen.
BSW-Landeschef Amid Rabieh sieht Gemeinsamkeiten mit Merz‘ Plänen
Offen für den harten migrationspolitischen Kurs des Unions-Kanzlerkandidaten ist Amid Rabieh, NRW-Vorsitzender des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW): „Wir stimmen mit Merz überein, dass die unkontrollierte Migration endlich gestoppt werden muss. Aber vieles, was Merz vorschlägt, ist reine Symbolpolitik und wird das Problem nicht lösen“, sagte Rabieh. „Wer den Menschen weismacht, dass wir unsere Grenzen komplett kontrollieren können, macht ihnen etwas vor.“ Es sollten nur noch jene in Deutschland Anspruch auf ein Asylverfahren und damit auf Sozialleistungen haben, die belegen könnten, dass sie nicht aus einem sicheren Drittstaat eingereist seien.
Landesintegrationsrat ist empört: „Verlässt Friedrich Merz den Pfad der Demokratie?“
Empört reagiert der Landesintegrationsrat NRW auf Merz. „Was ist aus den Versprechen, keine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten einzugehen, geworden? Verlässt Friedrich Merz den Pfad der Demokratie?“, schrieb Integrationsrats-Vorsitzender Tayfun Keltek in einer Mitteilung. Keltek meint, die Gewalttat von Aschaffenburg sei ein Anlass, „um rechtspopulistische Thesen in den Bundestagswahlkampf zum Stimmenfang einzubringen.“ Die Merz-Initiative zur Beschränkung des Asylrechts zeuge von „mangelndem Anstand und fehlender Kenntnis unserer Geschichte“.
Keltek schreibt weiter: „Entgegen mehrfacher Beteuerungen, Rechtsgesinnten keinen Zugang zu Parlamentsentscheidungen zu gewähren, schaut Friedrich Merz jetzt nur noch gerade aus, wenn es um rechts- und verfassungswidrige Anträge im deutschen Bundestag geht, schielt aber für die Zustimmung dazu nach rechts.“
Unterdessen spitzt sich der Streit um eine härtere Migrationspolitik als Reaktion auf die Gewalttat in Aschaffenburg auch in Berlin zu. Trotz scharfer Kritik hält Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz an den angekündigten Anträgen für eine Kontrolle der Zuwanderung fest – selbst, wenn es im Bundestag eine Mehrheit dafür nur mit der AfD geben sollte.
Merz fordert Zustimmung der demokratischen Parteien ein, nimmt aber AfD-Stimmen in Kauf
Merz forderte SPD und Grüne auf, den Anträgen am Freitag zuzustimmen, um im Parlament eine Abgrenzung von der AfD zu dokumentieren. Bei den Abstimmungen „liegt es an der SPD, an den Grünen und an der FDP, zu verhindern, dass es Mehrheiten gibt, die keiner von uns will“, sagte er nach Beratungen der Parteispitze.
„Ich werde mit den Themen, die wir haben und die seit letzter Woche Mittwoch eine neue Dringlichkeit erfahren haben, in dieser Woche sehr konsequent durch den Deutschen Bundestag gehen“, kündigte Merz an. Die Union werde sich weder von der SPD noch von den Grünen, „ganz sicher auch nicht von der AfD, sagen lassen, welche Anträge, welche Gesetzentwürfe wir im Bundestag zur Abstimmung stellen“, sagte Merz. „Das, was in der Sache richtig ist, wird nicht falsch dadurch, dass die Falschen zustimmen.“
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck sieht den Rechtsstaat in Gefahr
Während die FDP-Spitze um Christian Lindner und BSW-Chefin Sahra Wagenknecht Merz unterstützten, warnte Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck vor einem Ende des Rechtsstaats. Die Unions-Anträge seien „in Teilen europarechtswidrig oder verfassungswidrig“. Man könne nicht sehenden Auges das Recht brechen, um danach das Recht zu ändern, sagte er den „Tagesthemen“.
SPD-Chefin Saskia Esken sagte gegenüber dieser Redaktion, Merz spiele mit dem Feuer und versuche, die demokratischen Parteien zu erpressen, indem er mit einer Zusammenarbeit mit der AfD drohe. Die Sozialdemokraten kündigten als Gegenreaktion an, eigene Gesetzentwürfe zur Migration im Bundestag erneut zur Abstimmung zu stellen.
(mit dpa)