Berlin. Nach der Messerattacke von Aschaffenburg verschärft die Union den Ton in Migrationsfragen und legt zwei Anträge vor. Stimmt die AfD mit?
Nach der Messerattacke von Aschaffenburg hat die Unionsfraktion im Bundestag Anträge für eine Wende in der Migrationspolitik vorgelegt – und dabei auch die AfD scharf angegriffen.
„Die AfD nutzt Probleme, Sorgen und Ängste, die durch die massenhafte illegale Migration entstanden sind, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen“, heißt es in einem Leitantrag, über den CDU und CSU am Mittwoch im deutschen Parlament abstimmen lassen wollen. Die AfD sei „kein Partner, sondern unser politischer Gegner“.
Merz: „Keine Zusammenarbeit“ mit AfD – Politikforscher skeptisch
Mit dem Passus will die Union offenbar verhindern, dass die AfD für die Anträge stimmt. Niemand versuche eine Zusammenarbeit mit der AfD, beschwichtigte Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz am Sonntag bei einem Wahlkampfauftritt. „Aber ich bin nicht länger bereit, nur weil möglicherweise die Falschen zustimmen, im Deutschen Bundestag das Richtige nicht mehr zur Abstimmung zu bringen.“ Der Politikexperte Wolfgang Schroeder hält das für ein durchschaubares politisches Manöver.
Merz betone zwar, nicht gezielt mit der AfD zusammenzuarbeiten, ordnete Schroeder, der an der Universität Kassel lehrt, im Gespräch mit dieser Redaktion ein. „Aber im Angesicht des Wissens darum, dass die Zustimmung ja erfolgt, ist das ein ganz wichtiger Schritt zur Normalisierung der AfD. Das ist eine Relativierung der Brandmauer. Der Gewinner dieses ganzen Manövers wird am Ende die AfD sein.“
Schroeder sagte weiter, er könne sich durchaus vorstellen, dass die AfD den Unionsanträgen zustimmt. „Denkbar ist, dass man sich zwar die Kritik verbittet, aber auch sagt, man sei in der Lage, über den eigenen Schatten zu springen, und dann die inhaltliche Seite unterstützt.“ Gleichzeitig erklärte Schroeder, auch eine Neuerfindung der Union ausgemacht zu haben. „Man läuft der AfD hinterher und inszeniert sich als trumpistische Partei, sagt, was interessiert uns der Rechtsstaat, und will eine politische Debatte“, so Schroeder.
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Messerangriff von Aschaffenburg: Union sieht „außergewöhnliche Notlage“
Die Messerattacke von Aschaffenburg hatte die Migrationsdebatte in Deutschland rund einen Monat vor der Bundestagswahl neu in den Fokus gerückt. In Aschaffenburg waren am Mittwoch ein zweijähriger Junge und ein Mann getötet sowie zwei weitere Menschen schwer verletzt worden. Als Täter festgenommen wurde ein 28-jähriger ausreisepflichtiger Afghane. Die Union sieht eine „neue Dimension der Gewalt“, die Deutschland zunehmend erschüttere. Verwiesen wird auch auf die Anschläge von Mannheim, Solingen und Magdeburg.
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Insgesamt will Unions-Kanzlerkandidat Merz über zwei Antragsentwürfe abstimmen lassen, darunter ist ein Fünf-Punkte-Plan „für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration“. Die Union fordert darin dauerhafte Grenzkontrollen und die Zurückweisung ausnahmslos aller Versuche einer illegalen Einreise.
Union will ausreisepflichtige Personen in Abschiebehaft nehmen lassen
Zu den fünf Punkten, die unverzüglich umgesetzt werden sollen, zählt auch, dass nachvollziehbar ausreisepflichtige Personen „unmittelbar in Haft genommen werden“. Die Bundesländer sollen mehr Unterstützung beim Vollzug der Ausreisepflicht erhalten. Zudem soll das Aufenthaltsrecht für Straftäter und sogenannte Gefährder verschärft werden.
SPD-Chefin Saskia Esken kritisierte, Merz spiele mit dem Feuer und versuche die demokratischen Parteien zu erpressen, indem er mit einer Zusammenarbeit mit den Rechtsextremisten der AfD drohe. „Damit zeigt Friedrich Merz einmal mehr, dass er der Verantwortung, die das Amt des Bundeskanzlers erfordert, nicht gewachsen ist“, so Esken zu dieser Redaktion.
Der Spitzenkandidat der Linken, Jan van Aken, übte scharfe Kritik an den Unionspänen: „Der Antrag der CDU ist zutiefst unchristlich, er bricht europäisches Recht und ist eine Gefahr für die Freiheit in unserem Land. Friedrich Merz steht für die Öffnung der Union nach ganz rechtsaußen“, sagte van Aken dieser Redaktion.
Unions-Pläne zur Migration: FDP gehen Vorschläge nicht weit genug
„Die CDU sollte sich ernsthaft fragen, ob es für eine christliche Partei und für unsere Demokratie wirklich von Vorteil ist, wenn man die Forderungen ihres Vorsitzenden nicht mehr von denen der braun-blauen Demokratieverächter unterscheiden kann“, so der Linken-Co-Parteichef weiter. Er kündigte an, dass die Linke bei der im Bundestag geplanten Abstimmung darüber „selbstverständlich mit einem klaren Nein“ votieren werde.
Die FDP hält die Unions-Pläne hingegen für nicht weitgehend genug. Die Anträge enthielten „viele kluge Vorschläge“, sagte Fraktionschef Christian Dürr dieser Redaktion. „Die FDP will aber noch darüber hinausgehen, denn eine entscheidende Maßnahme fehlt aus unserer Sicht: Die Länder, die ihre Staatsbürger nicht zurücknehmen, dürfen keine Entwicklungshilfe mehr bekommen.“
Auch die Grünen reagierten am Sonntag auf die Papiere der Union. Co-Parteichef Felix Banaszak forderte Merz beim Grünen-Parteitag in Berlin auf, wieder den Schulterschluss mit allen Demokratinnen und Demokraten zu suchen. „Herr Merz, stellen Sie klar, wo die Union steht. Stellen Sie klar, dass Sie nicht der Versuchung erliegen, den Kurs der ÖVP in Österreich und der Republikaner in den USA zu gehen“, sagte Banaszak.
Migration: Union will zahlreiche Verschärfungen und mehr Befugnisse für Ermittler
In einem zweiten Antragsentwurf listet die Union weitere Forderungen für einen „Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit“ auf. Verlangt werden 27 Punkte, etwa Mindestspeicherfristen für IP-Adressen, mehr technische Befugnisse für Ermittler etwa zur elektronischen Gesichtserkennung, einen verbesserten Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden, eine Stärkung der Nachrichtendienste sowie härtere Strafen für Angriffe auf Polizisten, Rettungskräfte und Helfer.
Außerdem plant die Union Bundesausreisezentren und will auch nach Afghanistan und Syrien abschieben. Weitere Staaten sollen zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Bei schweren Straftaten sollen Doppelstaatlern die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden können.
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