Berlin. Die FDP in der Krise, die Grünen ein „No-Go“ – und die Große Koalition? Auch nicht leicht, wie eine neue Studie der Adenauer-Stiftung zeigt.
Wenn es gut läuft für Friedrich Merz, gewinnt er die Bundestagswahl und kann mit einem Dreierbündnis regieren: CDU plus CSU plus X. Wenn es schlecht läuft, braucht er zwei weitere Partner. Dass Merz am Ende gar nicht regieren könnte – auch das ist möglich, aber nach Lage der Umfragen aktuell eher unwahrscheinlich. Doch mit welcher Partei wäre es am einfachsten?
Merz hat Bündnisse mit AfD, Linken und BSW auf Bundesebene ausgeschlossen. Es bleiben also drei mögliche Partner: SPD, Grüne und FDP. Doch selbst, wenn es rechnerisch passt, gilt bei allen Dreien: Beziehungsstatus – schwierig.
Stand jetzt käme die Union auf rund 33 Prozent, die SPD auf 15 Prozent, die Grünen auf 13 Prozent und die FDP auf 4 Prozent. Bis zum Wahlabend kann sich daran noch viel ändern – viele Beobachter rechnen allerdings angesichts der Umfragen bereits mit einer Neuauflage der Großen Koalition aus Union und SPD. Weil’s so vertraut ist und so einfach und rechnerisch am ehesten sicher ist? Eine neue Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung dämpft die Hoffnungen massiv. Höchste Zeit für einen schnellen Beziehungstest:
Traumpaar in der Krise: Union und FDP
Friedrich Merz und Christian Lindner demonstrieren gerne, wie gut sie sich persönlich verstehen. Das gilt auch für die Parteimanager: Als FDP-General Bijan Djir-Sarai in der D-Day-Affäre zurücktreten musste, erklärte CDU-General Carsten Linnemann, dass ihm das furchtbar leidtue, er schätze den Kollegen „menschlich sehr“. Union und FDP – die beiden gelten trotz mancher Schlammschlacht („Wildsau!“ „Gurkentruppe!“) immer noch als politisches Traumpaar im Mitte-Rechts-Lager. Doch es gibt immer wieder Irritationen - auch jetzt wieder: „Völlig entsetzt“ sei Merz über Lindners Sehnsucht nach disruptiven Berserkern wie Elon Musk oder dem argentinischen Präsidenten Javier Milei gewesen.
Ein echter Liebestöter für Schwarz-Gelb aber ist die Fünf-Prozent-Hürde: gut möglich, dass die FDP nach zwei Wahlperioden am 23. Februar wieder aus dem Bundestag fliegt. Sollte das so kommen, wäre die Union vermutlich nicht ganz unschuldig daran: Keine Koalitionsaussage zugunsten der FDP, keine Zweitstimmenkampagne für die Liberalen – das ist die Devise im aktuellen Unionswahlkampf. Die Botschaft aus dem Adenauerhaus: Die FDP muss es aus eigener Kraft schaffen, von der Union sind frühestens am Wahlabend wieder freundliche Vibes zu erwarten.
Sollte es am Ende rechnerisch für ein schwarz-gelbes Bündnis reichen (was unwahrscheinlich ist) oder für ein Dreierbündnis aus Union, SPD und FDP (was durchaus denkbar ist), dann gäbe es mindestens zwei heikle Punkte zwischen Union und FDP: In der Sicherheitspolitik steht die FDP bei Fragen von Überwachung und Ermittlerbefugnissen auf der Bremse – in der Gesellschaftspolitik dagegen hält die FDP die Union für vorgestrig. Ein echtes Hindernis wäre beides nicht – die Schnittmengen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik sind groß.
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On-Off-Beziehung: Union und Grüne
Was denn nun, liebe Union? Sind die Grünen ein No-Go oder ein Glücksfall? Die schwierige Beziehung zwischen Schwarz und Grün erinnert an eine Vorabend-Soap: Die CDU-Regierungschefs in Kiel und Düsseldorf machen ihren grünen Vize-Regierungschefinnen ständig politische Liebeserklärungen, CSU-Chef Markus Söder dagegen drischt auf alles ein, was irgendwie grün daherkommt. Kanzlerkandidat Friedrich Merz versucht derweil beides zu bedienen – die antigrüne Stimmung in weiten Teilen der Union und die strategische Notwendigkeit, die Tür für eine Koalition nicht zuzutreten.
„In der Außen- und Sicherheitspolitik gibt es sicher mit den Grünen mehr Gemeinsamkeiten als mit der SPD“, lobte Merz jetzt zum wiederholten Mal. „Mit Blick auf die Wirtschaftspolitik der Grünen sind wir ganz anderer Meinung, da brauchen wir einen grundlegenden Kurswechsel.“ Ob das mit dem derzeitigen Minister möglich sei, müsse „Habeck entscheiden, wenn er noch dabei ist“, sagte Merz am Mittwochabend. Heißt umgekehrt: Er kann sich ein Kabinett mit Habeck durchaus vorstellen.
Selbst Söder zeigt sich mittlerweile manchmal etwas milder, seine Sorge aber bleibt: Wenn die Union sich auf die Grünen einlasse, werde sie bei der Bundestagswahl ein deutlich schlechteres Ergebnis erzielen. „Man könnte der FDP und auch der AfD keinen größeren Gefallen tun.“ Für die CSU, das stellt Söders Generalsekretär klar, gelte deswegen: „Reden ja, koalieren nein.“
Wie ein altes Ehepaar: Die Groko
Mit Union und SPD ist es wie in einer Vernunftehe: Man liebt sich nicht, aber es ist manchmal besser zusammen zu sein als allein. Gegen eine Große Koalition könnten nach der Wahl jedoch zwei Dinge sprechen. Erstens: zu tiefe Verletzungen. Friedrich Merz contra Olaf Scholz – das Duell wird jetzt schon mit voller Härte geführt. CSU-Chef Söder warnt bereits vor einer „extremen Belastung“ für eine künftige Zusammenarbeit. Zweitens: Waren Union und SPD in den letzten Jahren der Merkel-Ära zum Teil kaum noch unterscheidbar, sind die Gräben mit Merz wieder tiefer geworden. Der Abstand zwischen den beiden Volksparteien habe sich zwischen 2020 und 2024 „deutlich vergrößert“, heißt es in einer neuen Studie der Adenauer-Stiftung, die dieser Redaktion vorab vorlag.
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Die Lager liegen wieder weiter auseinander, der Weg vom einen zum anderen sei weiter geworden. Sozialleistungen und Kontrolle der Migration – bei beiden Themen ist die Schere zwischen SPD und Union demnach stark auseinandergegangen. Beim Klimaschutz dagegen zeigt sich eine gemeinsame Tendenz bei den Anhängern von SPD und Union: Der Anteil derjenigen, die dem Ziel „Wirtschaftswachstum“ Vorrang gegenüber dem Ziel „Klimaschutz“ geben, ist in beiden Lagern zwischen 2020 und 2024 deutlich gestiegen.
Hier verläuft der Graben eher zwischen Grünen auf der einen und den Groko-Parteien auf der anderen Seite. Während nur 7 Prozent der Grünen-Anhänger sagen, „Klimaschutz ist mir zu teuer“, sind es bei SPD und Union 20 beziehungsweise 27 Prozent. Mit anderen Worten: Das Heizungsgesetz würde in einer Groko vermutlich als Erstes kippen. Ein anderes Hassobjekt der Union wäre nicht so leicht vom Tisch: „Das Bürgergeld ist der dickste Brocken“, glaubt Söder. Die Union will es abschaffen – die SPD hat es erfunden.
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Für die Studie „Wachsende Unterschiede zwischen Wählerschaften“ wurden fünf repräsentative Umfragen aus den Jahren 2020 bis 2024 ausgewertet. Im Zentrum stehen die Einstellungen der Deutschen zum Sozialstaat, zu Klimaschutz und Migration. Insgesamt zeigen die Ergebnisse eine Verschiebung der gesellschaftlichen Mitte: Strengere Regeln bei der Migration, weniger steuerfinanzierte Sozialleistungen und weniger Vorrang für den Klimaschutz – dem stimmen heute mehr Menschen zu als noch vor vier Jahren.
Mit Blick auf die AfD begräbt die Studie zudem eine andere weit verbreitete Hoffnung vieler Unionswahlkämpfer: Der gestiegene Wähleranteil für die AfD sorge nicht für eine heterogenere und somit moderatere AfD-Wählerschaft. Trotz steigender Umfragewerte seien die Positionierungen der AfD-Wählerschaft im Durchschnitt noch weiter nach rechts gewandert beziehungsweise beim Thema Zuwanderung in der bekannten Extremposition. „Dies erschwert auch den Wechsel der AfD-Wählerinnen und -Wähler zu moderaten Parteien.“
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