San Francisco. In den USA gibt es ein Frühwarnsystem für politische Gewalt: rechte Chats. Verliert Trump die Wahl, können seine Rachefantasien real werden.

Experten erwarten bei der US-Wahl 2024 ein Herzschlagfinale. Das Team von Donald Trump strotzt vor Siegeszuversicht. Der Kandidat akzeptiert nur einen Ausgang.

Verliert der Republikaner, kann es nur eine Erklärung geben; dann ist es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Für diesen Fall stehen Heere von Anwälten Gewehr bei Fuß. Und nicht nur sie – und nicht nur im übertragenen Sinne. Gewehr kann man wörtlich nehmen. Die Unversöhnlichkeit und Gewaltrhetorik der Trump-Kampagne sind beängstigend.

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Trumps Gewaltfantasien: Auf Worte folgen Taten

Das jüngste Beispiel sind Trumps Gewaltfantasien. Er wünschte der Politikerin Liz Cheney, dass sie in neun Gewehre schauen müsse. Und das ist beileibe kein Einzelfall:

  • Dem pensionierten General Mark Milley wünschte er eine Hinrichtung.
  • Facebook-Gründer Mark Zuckerberg drohte er mit Gefängnis.
  • Zig Medien überzog er mit Klagen, zuletzt CBS.
  • Als US-Präsident will er nach eigenen Worten die Justiz auf Google ansetzen.
  • Auf Truth Social rief zur Verhaftung von Ex-Präsident Obama auf.
  • Die angesehene Politikerin Nancy Pelosi nennt er eine „innere Feindin“.

Trumps Rachegelüste ernst nehmen

Es sind Belege für seine Rachegelüste. Die Amerikaner haben gelernt, sie nicht als bloße Verbalradikalität abzutun. Seit dem Sturm auf das Kapitol blicken sie anders auf Trump.

US-Republikanerin Liz Cheney will Demokratin Harris wählen
Ihr wünscht Trump die Hinrichtung: Liz Cheney. © DPA Images | Jacquelyn Martin

Auf Worte können Taten folgen. Die Nichtregierungsorganisation „Global Project Against Hate and Extremism“ (GPAHE) erwartet eine Zunahme von Hasskriminalität und Gewalt. Ihre Auswertung von Chats ist wie ein Frühwarnsystem für politische Gewalt. Und das Ergebnis erinnert fatal an die Wahl 2020 und an den folgenden Sturm aufs Kapitol.

Warnsignale für politische Gewalt

Die NGO beobachtet einen Anstieg gewalttätiger Äußerungen auf bestimmten Plattformen. Dort sehe man „dieselben Warnsignale, die wir in den Wochen vor der Wahl 2020 und vor dem Aufstand im Kapitol am 6. Januar 2021 gesehen haben“, heißt es in einer Studie. Online-Chats auf Randplattformen wie Telegram, Gab, Communities.win und dem Fediverse deuteten auf ein Potenzial für politische Gewalt nach der Wahl hin.

Wie 2020 habe die Gewaltrhetorik bezüglich der Wahl im Oktober 2024 um 317 Prozent zugenommen. In Telegram-Posts wird ein schier „unvermeidlicher Bürgerkrieg“ rechtfertigt. Es wird dazu aufgerufen, „auf alle illegalen Wähler zu schießen“.

Hinweise auf Antisemistismus

Seit Monaten wird in Online-Accounts der Proud Boys, deren Anführer und Mitglieder den Aufstand vom 6. Januar 2021 mitorganisierten, dazu aufgerufen, gewählte Amtsträger „festzunehmen, wegen Hochverrats anzuklagen und zu hängen“. Die Anhänger werden aufgefordert, „ihre Gewehre bei sich zu behalten“.

Sturm auf US-Kapitol
Seit dem 6. Januar 2021, seit dem Sturm aufs Kapitol kann man Trumps Gewaltfantasien nicht länger als Verbalradikalität abtun. © DPA Images | Essdras M. Suarez

Beispiel Gab: In Posts werden vermeintliche Wahlbetrüger des Hochverrats bezichtigt. Manche fordern, das Militär einzusetzen. Gewinnen die Demokraten, werde die Hölle ausbrechen, „ein Bürgerkrieg“.

Den zügellosen Extremismus – online wie offline – konnte man vor vier Jahren noch unterschätzen. Nach dem Sturm aufs Kapitol werden solche Äußerungen als das wahrgenommen, was sie sind: Warnsignale. Auffallend auch: der Antisemitismus. Wenn etwa behauptet wird, dass „ein Jude … beide Kandidaten kontrolliert“ oder „uns gespalten hat“. Eine angebliche zionistisch besetzte Regierung (ZOG) wolle Kamala (Harris) durch Wahlbetrug an die Macht bringen“, heißt es.

Seit Monaten, ja seit Jahren baut sich eine politische Gewaltwelle auf. Beispiele dafür sind der gewalttätige Einbruch in das Haus von Nancy Pelosi. Auch kam es zu mehreren Verhaftungen wegen Gewaltandrohung gegen Trumps Gegenspielerin Kamala Harris.

Brandanschläge auf Wahlurnen

Die zwei Attentatsversuche auf Trump sind ebenfalls Beispiele für eine Verrohung der Gesellschaft, die er allerdings mit seinen Gewaltfantasien befördert. Zuletzt wurde im US-Bundesstaat Texas ein Mann verhaftet, der einen 69-jährigen Wahlhelfer schlug. Das Opfer hatte dazu aufgefordert, einen Pro-Trump-Artikel während der Stimmabgabe abzulegen – eine Regel zur Gewährleistung der Neutralität in Wahllokalen.

In einem anderen Fall drehte eine Frau durch, als sie aufgefordert wurde, ihr Trump-Shirt im Wahllokal auszuziehen. In Arizona, Oregon und Washington gab es Brandanschläge auf Wahlurnen.

Beunruhigender Trend

Der jüngste Vorfall ereignete sich im Büro der Demokraten in Tempe, Arizona. Dort wurde nach einer Schießerei ein Mann verhaftet, in dessen Haus 120 Schusswaffen, Tausende Schuss Munition, eine Schutzweste und ein Granatwerfer gefunden wurden. Er hatte außerdem Schilder mit der Aufschrift „Anti-Demokratische Partei“ mit Rasierklingen präpariert. Vieles deutet auf einen beunruhigenden Trend hin. Je näher der Wahltag näher, desto gewalttätiger wird die Rhetorik.