Berlin. Bayerns Ministerpräsident wollte Kanzlerkandidat der Union werden. Das hat nicht geklappt. Wie könnte er sich neu erfinden?
Neulich beim Empfang zu Angela Merkels 70. Geburtstag: Friedrich Merz kommt gut gelaunt mit Merkel in den Saal, zwei Meter dahinter läuft Markus Söder. Das ist jetzt sein Platz: zweite Reihe. Die Kanzlerkandidaten-Frage ist entschieden. CDU-Chef Merz hat sich durchgesetzt, niemand in der Union hat lautstark nach dem Mann aus Bayern gerufen. Und nun? „Markus Söder ist gut darin, sich neu zu erfinden“, sagt einer, der ihn lange kennt. Aber als was? Eine kostenlose Jobberatung anlässlich des CSU-Parteitags, der an diesem Freitag in Augsburg beginnt.
König von Bayern
Markus Söder ist 57 Jahre alt, seit sechs Jahren regiert er als Ministerpräsident. Echte Konkurrenz ist nicht in Sicht, eine Gefahr aber ist die Langweile. Viele Führungskräfte würden jetzt sagen: Da geht noch was, das war’s noch nicht. Entweder die nächste Karrierestufe oder eine neue Aufgabe. Kanzlerkandidat der Union – das wär‘s für Söder gewesen. Aber die CDU wollte nicht – obwohl alle wissen, dass Umfragekönig Söder der talentiertere Selbstvermarkter ist und wohl auch der erfolgreichere Wahlkämpfer gewesen wäre. Söder reagiert auf die Schlappe bislang erstaunlich kontrolliert: Er steht loyal hinter Merz und drischt stattdessen auf die Grünen ein.
Ob ihm das auf Dauer reicht? Merz braucht Söder, um bei der Bundestagswahl über 30 Prozent zu kommen. Sie wissen: Nur zusammen können sie erfolgreich sein. Beim CSU-Parteitag am Freitag und Samstag wird sich zeigen, ob Söder vorerst bei diesem Kurs bleibt. Für den Fall, dass Merz tatsächlich Kanzler werden sollte, hat Söder bereits klargemacht, welche Rolle er beansprucht: Der Koalitionsausschuss sei das „Machtzentrum“ einer Regierung – und dort wird der bayerische König, nein falsch: der bayerische Ministerpräsident den Preußen den Marsch blasen.
Bundespräsident
Mitte März 2027 endet die Amtszeit des amtierenden Staatsoberhauptes Frank-Walter Steinmeier. Dann muss ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin her. Der Posten wäre vermutlich nach Söders Geschmack: Man darf im Schloss wohnen, trifft die Mächtigen dieser Welt und kann dennoch auf Tuchfühlung mit dem Volk bleiben. Allerdings ist nur schwer vorstellbar, dass Söder eine Mehrheit in der Bundesversammlung hinter sich vereinen kann – also jenem Gremium, das das Staatsoberhaupt wählt. Söder fehlt das Ausgleichende, Präsidiale. Er polarisiert gern und ist sprunghaft.
Vor allem aber: Markus Söder ist keine Frau. Es gibt einen breiten Konsens, dass die Bundesrepublik fast 80 Jahre nach ihrer Gründung endlich mal eine Bundespräsidentin braucht. So wandlungsfähig ist Markus Söder vermutlich dann auch wieder nicht.
Name | Markus Söder |
Geburtsdatum | 5. Januar 1967 |
Amt | Ministerpräsident (Bayern) |
Partei | CSU |
Parteimitglied seit | 1983 |
Familienstand | Verheiratet, vier Kinder |
Größe | 1,94 Meter |
Wohnort | Nürnberg |
Europäischer Provinz-Beauftragter
In Brüssel gibt es eine Einrichtung, die kaum ins Gewicht fällt, aber eine große Bühne für Politiker aus den hinteren Reihen bietet. Es ist der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR). Der existiert seit 1994 und soll Regionen, Provinzen, Bezirken und Kommunen Gehör in der EU-Gesetzgebung verschaffen. Mitbestimmen kann die Versammlung allerdings nicht, nur ihre Meinung kundtun. Präsident ist derzeit ein portugiesischer Sozialist, der früher Chef der Regionalregierung der Azoren war. Der Präsident wird immer für zweieinhalb Jahre gewählt und es ist fast 20 Jahre her, dass ein Deutscher dieses Amt innehatte. Vielleicht geht da was für Markus Söder?
In Sachen Repräsentation hat der Posten einiges zu bieten: Der Ausschuss hat nicht nur 329 Mitglieder, sondern auch mehrere hundert Mitarbeiter. Und es gibt ein großzügiges Dienstgebäude inmitten des Brüsseler Europaviertels, das direkt an jenes herrschaftliche Anwesen grenzt, in dem die EU-Vertretung der europäischen Großmacht Bayern residiert. Söder könnte vom Büro aus seinen ehemaligen Untergebenen auf die Finger schauen.
Chef der Deutschen Bahn
Es gibt Politiker, die nach vielen Jahren in Staatsämtern und Parlamenten noch mal richtig Geld in der Wirtschaft verdienen wollen. Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) gehört dazu, der heute keinen Ruf mehr zu verlieren hat. Oder der ehemalige Ministerpräsident von Hessen, Roland Koch (CDU), der in die Baubranche wechselte und dort kläglich scheiterte.
Vielleicht will Markus Söder zeigen, dass er es besser kann. Womöglich wäre er sogar eine gute Wahl für ein Unternehmen, das viel mit der öffentlichen Hand zu tun hat oder dieser gehört. So wie die Deutsche Bahn zum Beispiel. Der Chefsessel dort wird angesichts des desolaten Zustands des Konzerns alle paar Jahre frei. Würde Söder dort Platz nehmen, könnte er die immensen Altlasten beseitigen, die seine Parteifreunde Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer in ihrer Zeit als Bundesverkehrsminister hinterlassen haben. Es wäre eine Heldentat.
Food Influencer
„Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum“: Vielleicht stolpert Markus Söder irgendwann über den Philosophen Tommaso Campanella – und sein berühmtes Credo. Wahrscheinlich sogar, denn der Satz gehört heute zu den beliebtesten Wohlfühl-Sprüchen der Instagram-Gemeinde. Übersetzt für Instagram-Freund Söder: Mach‘ dein Talent zu deinem Beruf. Wer neben dem Job des Regierungschefs in einem nicht ganz unbedeutenden Bundesland noch Zeit findet, über eine halbe Million Instagram-Follower mit frischen Posts zu Döner, Bratwurst und Kartoffelsalat zu füttern, muss wirklich Spaß an der Sache haben. Neustart als Food Influencer? Markus Söder würde es wohl ausschließen. Aber wie lange gilt heute schon ein hartes Nein.
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