Jerusalem. Israel erlebt den größten Raketenangriff seiner Geschichte. Der Iran schießt 180 Raketen ab. Doch die Menschen waren vorbereitet.

Einen so schweren Angriff gab es noch nie, doch er schlug fehl: Als die Sirenen heulten, hatte halb Israel schon die Schuhe angezogen. Sie kam erwartet, diese massive Attacke aus dem Iran, mit 180 ballistischen Raketen, die alle Regionen Israels gerichtet waren. Die Warnungen der Geheimdienste in Israel und den USA waren rechtzeitig gekommen, die Menschen waren vorbereitet: Wasserflaschen im Luftschutzraum, die Smartphones aufgeladen, Notfalltaschen gepackt – mit Windeln, Medikamenten, Gebetsbüchern, je nachdem, was am dringendsten benötigt wird. Und alle riefen alle an und schrieben Textnachrichten: Seid ihr okay?

Zwar hätten viele erst ein paar Stunden später mit der Attacke gerechnet, aber Armeesprecher Daniel Hagari gab bereits kurz vor 17 Uhr die Warnung an alle aus, Vorsicht zu wahren. „Befolgt die Regeln des Heimatfrontschutzes, das rettet Leben“, mahnte er. Das heißt: Sich niemals außerhalb der Reichweite eines Schutzraums zu begeben. Und im Fall, dass die Sirene heult, sofort in den Schutzraum zu laufen – und dort mindestens zehn Minuten lang zu bleiben. Es ist der Disziplin der israelischen Zivilbevölkerung und der guten Luftabwehr zu verdanken, dass es keine Toten gab, denn eine so massive Attacke hat es in der Geschichte Israels noch nie gegeben. „Beispiellos“ war wohl auch das am häufigsten gebrauchte Vokabel in den Kommentaren in Fernsehen und Social Media danach. 180 ballistische Raketen regnete es auf Israel. Die Luftabwehr der israelischen Armee, vor allem die Arrow-Systeme, waren im Dauereinsatz.

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Menschen in Jerusalem berichten: „Wir hatten dreimal Raketenalarm“

Am stärksten betroffen waren Tel Aviv und Jerusalem. „Wir waren eine halbe Stunde lang im Stiegenhaus, weil durchgehend die Sirenen heulten“, sagt Irena, die im Zentrum Jerusalems wohnt und keinen Zugang zu einem Luftschutzraum hat – „dort ist es am sichersten“. „Wir hatten dreimal Raketenalarm“, sagt Yael aus einer Kleinstadt nahe Tel Aviv. Zuerst gab die Armee die Warnung vor einer zweiten Angriffswelle aus und gab die Anordnung, noch länger im Schutzraum zu bleiben. Für einige Zeit war unklar, ob man die ganze Nacht in sicheren Räumen würde verbringen müssen. Bald nach 20 Uhr kam dann die Entwarnung: Alle Menschen in Israel dürfen die Luftschutzräume verlassen.

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Wieder einmal zeigte sich, dass die verletzlichste Stelle Israels nicht der Luftraum ist, sondern die Straße: Bei einer Schussattacke im Süden Tel Avivs kamen sechs Menschen ums Leben. Die Raketen können abgewehrt werden, auch dank der Unterstützung der US-amerikanischen Verbündeten. Gegen individuelle Angriffe von Terroristen schützt jedoch kein Raketenschirm. Man ist ihnen täglich ausgeliefert.

Ein Gegenangriff auf den Iran wird folgen

Nun fragen sich alle, wie es in den nächsten Tagen weitergehen wird: Es ist klar, dass Israel diesen massiven Angriff nicht unbeantwortet lässt. Ein Gegenangriff auf den Iran wird folgen – die Frage ist nur, wann und wie. „Der Iran wird einen hohen Preis bezahlen“, verkündete Israels Kabinett. Der Sicherheitsstab tagte Dienstagabend ausnahmsweise nicht in Tel Aviv, um sich vor dem iranischen Angriff zu schützen – sondern in einem Bunker in Jerusalem.

Teheran hat bereits angekündigt, dass die Reaktion auf einen israelischen Gegenschlag „härter“ ausfallen wird als am Dienstag. Die Spirale der Gewalt dreht sich weiter – und niemand weiß, wie man sie stoppen kann.

Mehr von Israel-Korrespondentin Maria Sterkl