Düsseldorf. Scheitert NRW im Kampf gegen den Lehrermangel? Experten zeichnen ein düsteres Bild für den Schulausschuss des Landtags.
Lehrer, Schulleitungen und Eltern werfen dem NRW-Schulministerium vor, zu wenig gegen den Unterrichtsausfall zu unternehmen und Pädagoginnen und Pädagogen massiv unter Druck zu setzen.
„Ich finde die Situation unhaltbar“, schreibt zum Beispiel Sandra Gehrke, Leiterin einer Grundschule in Düsseldorf, in einer Stellungnahme für den Schulausschuss des Landtags. Das Parlament wird sich heute auf Antrag der FDP in einer Expertenanhörung mit der Lage in den Schulen beschäftigen. Die Liberalen werfen NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) vor, mit ihrem 2022 aufgelegten Handlungskonzept zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung zu „scheitern“.
Grundschul-Leiterin: „Lehrer arbeiten weit über ihre Schmerzgrenze hinaus“
Die Lehrkräfte arbeiteten „weit über die Schmerzgrenze hinaus“, kritisiert Schulleiterin Gehrke. „Unsere Unterrichtsverpflichtungen können nur noch durch nicht ausgebildete Vertretungskräfte abgebildet werden. Das sind im besten Fall Musiker, die trommeln oder Geige spielen können, Sportler, die gern einmal mit Kindern was zu tun haben möchten oder Studentinnen und Studenten, die ja diesen Beruf eigentlich erst erlernen sollten, bevor man sie ins kalte Wasser wirft.“
In Stellungnahmen rechnen Vertreter des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), des Philologenverbandes und von Lehrer NRW mit der schwarz-grünen Schulpolitik ab. Anstatt den Lehrberuf attraktiver zu machen, verschärfe NRW die schlechten Arbeitsbedingungen weiter, etwa durch Abordnungen und weniger Teilzeit-Möglichkeiten, so die Gewerkschaft GEW. Die vermuteten Folgen: Immer mehr Kündigungen und ein zunehmendes Desinteresse am Lehramtsstudium.
Sabine Mistler, Vorsitzende des Philologenverbandes NRW, schreibt in ihrer Stellungnahme: „Die steigenden Kündigungszahlen sind für uns vor allem ein Beleg dafür, dass die Kolleginnen und Kollegen in der Kündigung die letzte Rettung vor weiteren Belastungen sehen. Gleiches gilt offenbar auch für die Absolventinnen und Absolvent en eines Lehramtsstudiums, die mit steigender Tendenz den Vorbereitungsdienst im Anschluss an das Studium nicht mehr antreten wollen und offenbar so abgeschreckt sind, dass sie im Schuldienst keine Perspektive für sich sehen.“
Oft fällt der Unterricht ganz aus oder wird nur von Fachfremden erteilt
Die Kritik ist verbändeübergreifend: Lehrerinnen und Lehrer würden gegen ihren Willen in Schulen mit Personalmangel geschickt, der Wunsch nach reduzierter Stundenzahl laufe immer öfter ins Leere, der Bürokratieaufwand sei riesig. Die Landeselternschaft der Grundschulen reibt sich daran, dass die kleinen Kinder zu oft von Menschen unterrichtet würden, die dafür nicht geeignet seien.
Als Beweis dafür, dass der Lehrberuf in NRW immer unattraktiver werde, erinnern die Experten an die 930 Kündigungen von Lehrkräften im vergangenen Jahr und an die rund 6000 Lehrkräfte, die in NRW fehlten. Die erstmals seit fünf Jahren vorgestellte Unterrichtsausfallstatistik der Landesregierung habe das Problem verdeutlicht. Demnach fielen im ersten Halbjahr 2023/24 insgesamt 4,7 Prozent der Stunden „ersatzlos“ aus. Nur 78 Prozent des Unterrichts sei regulär nach Stundenplan erteilt worden.
NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hatte vor den Sommerferien erklärt, ihr Konzept gegen den Personalmangel wirke: In den Schulen arbeiteten jetzt 7000 Menschen mehr als noch vor eineinhalb Jahren, zum Beispiel Lehrkräfte, Fachleute für Sozialarbeit und Psychologie sowie Assistenzkräfte. Die Lage werde langsam, aber spürbar besser.
Was muss jetzt geschehen? Die Wünsche der Lehrerverbände
Die Lehrerverbände fordern den Verzicht auf Abordnungen und auf Teilzeit-Beschränkungen. Darüber hinaus stehen auf der Wunschliste: ein höheres Einstiegsgehalt und bessere Betreuung für Seiteneinsteiger, die „Entschlackung“ der Lehrpläne, mehr Schulverwaltungsassistenten, mehr Praxisbezug im Lehrerstudium. Die Landeselternschaft der Grundschulen schlägt mehr Quer- und Seiteneinsteiger in den Lehrerberuf vor und mehr Weiterbildung für Pädagoginnen und Pädagogen. Zwar seien originär ausgebildete Lehrkräfte besser als Seiteneinsteiger, aber die Realität sehe leider anders aus.
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