Washington. Donald Trump und die Republikaner schießen sich auf den „Running Mate“ von Kamala Harris ein. Sie zielen vor allem auf drei Punkte ab.

Die Republikaner um Präsidentschaftskandidat Donald Trump und seinen „Running Mate“ J. D. Vance richten ihre Wahlkampfgeschütze neu aus. Das Ziel: Tim Walz, der frisch erkorene Vizekandidat an der Seite von Kamala Harris.

Die Attacken aus dem Trump-Lager kamen zum Teil schon vor der offiziellen Verkündung der Demokraten. Das liegt auch daran, dass es Walz war, der zuerst eine neue Strategie seitens der Demokraten ausgetestet hatte, die sich seitdem als erfolgversprechend herauskristallisiert hat. Er nannte Trump und Vance in einem Interview „weird“, also seltsam.

Auch interessant

Trump-Attacken auf Tim Walz: Die Demokraten sollten vorbereitet sein

Doch seit Beginn dieser Woche kommt nun alles auf den Tisch, was bislang an Kompromat über Walz gesammelt wurde. Wenn das Team von Harris seine Arbeit gemacht hat, dürfte nichts davon überraschend sein und passende Reaktionsstrategien bereit liegen. Denn: Die Vizekandidaten wurden vor der Auswahl bis ins Privatleben hinein im sogenannten „Vetting Process“ (deutsch: Überprüfungsverfahren) durchleuchtet. Jeder unbedachte und inzwischen gelöschte Twitter-Post, jede flapsige Bemerkung aus der Vergangenheit wird ausgegraben und bewertet, wie viel Schaden entstehen könnte.

Bestes Beispiel, was passiert, wenn das Team bei diesem „Vetting Process“ patzt: J. D. Vance. Ein altes Interview, in dem er über „kinderlose Katzen-Frauen“ herzog, holte ihn ein, und bereitet den Republikanern seitdem Kopfzerbrechen. Die Beliebtheitswerte von Trumps Vizekandidat sind im Keller. Entweder die Leute von Trump übersahen den Schnipsel, oder sie ahnten nicht, welche Wellen die Aussagen schlagen könnten.

Tim Walz noch ein unbeschriebenes Blatt

Was Walz wiederum angreifbar macht: Bis vor ein paar Wochen setzte sich kaum ein Amerikaner mit dem Politiker aus dem mittleren Westen auseinander, Millionen Wähler werden ihn nicht einmal gekannt haben. Jetzt hat der Wettlauf darum begonnen, ihn in der Öffentlichkeit zu definieren. Die Republikaner haben eine Reihe von möglichen Angriffspunkten erkannt. Vor allem drei Punkte könnten ihm schaden.

Auch interessant

Nummer 1: Walz‘ liberale Politik – sie nennen ihn „Tampon-Tim“

Trump selbst ist eher ein Mann der einfachen Botschaften. „Dies ist das radikalste linke Duo in der amerikanischen Geschichte. So etwas hat es noch nie gegeben und wird es auch nie wieder geben“, schrieb er zuletzt auf seiner sozialen Plattform Truth Social und schob eine Verschwörungstheorie hinterher. Es gäbe bereits Anstrengungen, Joe Biden zurückzuholen, weil Kamala Harris „crazy“ sei.

Was Trump schlicht linksradikal nennt, versucht sein Team mit Inhalt zu füllen. Die Folge ist, dass Walz nun seinen ersten Spitznamen hat: „Tampon-Tim.

Es geht um ein Gesetz, das in Minnesota verabschiedet wurde und das vorsieht, dass auf Schultoiletten Menstruationsprodukte wie Tampons zur Verfügung gestellt werden, und zwar nicht nur auf Mädchentoiletten. So soll auch Transgender-Schülern ein einfacher Zugang zu essenziellen Produkten ermöglicht werden.

Transgender-Rechte sind vor allem in den USA ein emotional aufgeladenes Thema, das die Massen polarisiert. Republikaner versuchen, diese als Bedrohung von Frauen und Kindern darzustellen, alles was damit zusammenhängt, wird als radikal-links oder „woke“ dargestellt.

Eine Trump-Sprecherin ließ dementsprechend verlauten: „Als Frau denke ich, dass es keine größere Bedrohung für unsere Gesundheit gibt als Politiker, die geschlechtsangleichende Operationen für Minderjährige unterstützen und die dafür sind, Tampons in Männertoiletten in öffentlichen Schulen anzubringen. Das sind radikale Maßnahmen, die Tim Walz unterstützt.“ Walz unterzeichnete als Gouverneur bereits mehrere Gesetze, die die Rechte von Transgender-Menschen stärken.

Auch interessant

Nummer 2: Ließ Walz seine Truppe im Stich?

Walz diente mehr als zwei Jahrzehnte in der Nationalgarde. Ein Punkt im Lebenslauf, der vor allem bei Wählern im Mittleren Westen in den so wichtigen Swing States gut ankommen dürfte. Doch die Republikaner, allen voran J. D. Vance, der ebenfalls im Militär diente, geben der Karriere nun einen anderen Spin.

„Als das Marine Corps, die Vereinigten Staaten von Amerika, mich baten, in den Irak zu gehen, um meinem Land zu dienen, tat ich es. Ich habe getan, worum sie mich gebeten haben, und ich habe es ehrenhaft getan, und ich bin sehr stolz auf diesen Dienst. Als Tim Walz von seinem Land gebeten wurde, in den Irak zu gehen, wissen Sie, was er getan hat? Er verließ die Armee, seine Einheit musste ohne ihn gehen“, sagte Vance bei einem Wahlkampfauftritt in Michigan.

Tim Walz begeistert US-Demokraten

weitere Videos

    Hintergrund der Behauptung: Die Einheit, in der Walz diente, erhielt im Juli 2005 die Anordnung, in den Irak zu gehen. Ab März 2006 war sie dort für insgesamt 22 Monate stationiert. Walz war nicht dabei. Was Vance aber nicht sagt: Walz hatte die Nationalgarde bereits im Mai 2005 verlassen, nachdem er im Frühjahr seine Unterlagen für die Kandidatur als Kongressabgeordneter eingereicht hatte, wie CNN berichtet. Zudem ginge dem tatsächlichen Austritt in der Regel ein monatelanger Prozess voraus. Walz war also gar nicht mehr in der Nationalgarde, als der heikle Einsatzbefehl kam.

    Das Team um Harris und Walz reagiert gelassen auf die Anschuldigungen: „Gouverneur Walz würde niemals den Dienst eines Amerikaners für dieses Land beleidigen oder untergraben – im Gegenteil. Er dankt Senator Vance dafür, dass er sein Leben für unser Land aufs Spiel gesetzt hat. Das ist der amerikanische Weg.“

    In US-Medien haben sich zudem bereits Veteranen zu Wort gemeldet, die gemeinsam mit Walz dienten und diesen verteidigen. „Er war ein großartiger Soldat. Als er entschied zu gehen, hatte er jedes Recht dazu“, zitiert CNN einen von ihnen.

    Nummer 3: Walz‘ Rolle während der Unruhen nach dem Mord an George Floyd

    Nachdem George Floyd bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis, der größten Stadt in Minnesota, getötet wurde, kam es zu schweren, gewalttätigen Unruhen. Die Polizei hatte die Lage nicht mehr unter Kontrolle. Als der Bürgermeister der Stadt, Jacob Frey, darum bat, die Nationalgarde zu entsenden, zögerte Walz, bevor er den Schritt unternahm. Erst einen Tag später schickte er Hilfe. Der Vorwurf: Walz sei in der Situation, als es wirklich darauf ankam, erstarrt. Aus Sympathie mit den Protesten habe er nicht die nötige Hilfe entsendet, während Geschäfte in der Stadt niederbrannten.

    Auch interessant

    Als er jüngst auf sein Vorgehen von damals angesprochen wurde, entgegnete Walz nur, dass es sich um unvorstellbare Ereignisse gehandelt habe, er und andere Verantwortliche hätten nach bestem Gewissen gehandelt. Er war trotz der Vorfälle 2022 wiedergewählt worden.

    Doch Republikaner werden die Geschehnisse von damals weiter ausschlachten. Trump veröffentlichte am Mittwoch auf seiner Plattform ein Foto, das während der Unruhen entstanden sein soll. Darauf der Schriftzug: „Tim Walz ließ Minnesota brennen. Kamala Harris hat die rausgeholt, die gezündelt haben.“

    Auch interessant

    Zudem verbreitete er bei einer Rede in Minnesota am vergangenen Wochenende ein Lügenmärchen, wonach er damals als amtierender US-Präsident eingeschritten sei: „Jeder Wähler in Minnesota muss das wissen. Als die gewalttätigen Banden von Anarchisten und Plünderern und Marxisten vor vier Jahren Minneapolis niederbrannten – erinnern Sie sich an mich? – Ich konnte Ihren Gouverneur nicht zum Handeln bewegen. Er hätte die Nationalgarde oder die Armee einberufen sollen. Und er hat es nicht getan. Ich konnte Ihren Gouverneur nicht erreichen. Also habe ich die Nationalgarde geschickt, um Minneapolis zu retten.“ Behauptungen, die nachweislich nicht wahr sind.

    Die Schlammschlacht geht weiter

    Die ersten Umfragen nach der Bekanntgabe am Dienstag werden erste Signale senden, welche Erzählung über Tim Walz bei den Wählern mehr verfängt, die der Demokraten oder die der Republikaner. Gewiss scheint knapp drei Monate vor der Wahl nur eines: Es bleibt eine Schlammschlacht voller Beschimpfungen und Anfeindungen.