Düsseldorf. NRW hat eine Online-Kampagne für den Lehrberuf gestartet. Kann das Land so die dramatischen Personallücken an den Schulen schließen?
NRW startet eine neue Lehrkräfte-Kampagne
- NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hat am Montag eine neue Kampagne zur Gewinnung von Lehrkräften gestartet. Hintergrund ist der dramatische Lehrkräftemangel.
- Die Kampagne zielt vor allem auf ein junges Publikum. In Sozialen Medien wie Facebook und Instragram sind fünf Videos zu sehen, in denen „echte“ Lehrkräfte aus NRW zu Wort kommen.
- Lehrerverbände glauben nicht an einen durchschlagenden Erfolg. Sie sagen, zuerst müssten die Arbeitsbedingungen für die Pädagoginnen und Pädagogen besser werden. Dann würden sich wieder mehr Menschen für den Lehrberuf interessieren.
Rund 7000 Stellen für Lehrkräfte sind in NRW unbesetzt, und im harten Wettbewerb um Fachkräfte müssen sich Schulen mit vielen anderen Arbeitgebern messen. Um junge Menschen und mögliche Seiteneinsteiger für den Lehrberuf zu begeistern, hat die Landesregierung am Montag in den sozialen Medien eine Werbekampagne gestartet, die Interessierte – so das Versprechen – „mit wenigen Klicks“ zum Lehramtsstudium oder in den Seiteneinstig führen soll.
Fünf Videos, eine Botschaft: „Was ist deine Lehrkraft?“
Die kurzen Videos mit fünf „echten“ Lehrkräften, von denen in den Spots nur die Vornamen genannt werden, wurden entwickelt, um auf Facebook, Instagram und YouTube Neugier zu wecken auf die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern. Das Motto: „Was ist deine Lehrkraft?“
Die Pädagogen Louisa, Volker, Ahmad, Bruno und Cisem stehen stellvertretend für unterschiedliche Wege in den Lehrberuf und verschiedene Biografien. Zum Beispiel unterrichtet der in Syrien geborene Ahmad in Dortmund Englisch und islamische Religion. Die 23-jährige Cisem studiert an der Uni Duisburg-Essen Deutch und Geschichte auf Lehramt, der Architekt Volker (59) wechselte vor 22 Jahren als Seiteneinsteiger zu einem Berufskolleg nach Gelsenkirchen-Buer.
„Ich habe diesen Schritt nie bereut“, versicherte Volker Steinfels, einer der fünf Werbenden, am Montag im Landtag. Seiteneinsteiger müssten allerdings in Kauf nehmen, sich selbst erneut auf die Schulbank zu setzen und Pädagogik zu pauken, denn allein mit Fachlichkeit komme man in diesem Beruf nicht weit. „Wenn die Kinder sich auf en Unterricht freuen und glücklich nach Hause gehen, merkt man, dass die Lehrkraft wirkt“, sagte Louisa Roddey (26), Musiklehrerin an einer Förderschule in Bad Godesberg, neben NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) im Landtag.
„Wir müssen werben“, betonte Feller angesichts der Personallücken an den Schulen. Die Lücken seien so dramatisch, dass sie unmöglich zeitnah geschlossen werden könnten. Erste Erfolge bei der Verbesserung der Unterrichtsversorgung seien in den vergangenen zwölf Monaten schon erzielt worden, so die Ministerin. Insgesamt seien heute mehr als 5000 Arbeitskräfte mehr in den Schulen als Ende 2022 – rund 3900 Lehrkräfte und etwa 1200 Alltagshelferinnen und -helfer. Rund 800 Seiteneinsteiger seien 2023 in NRW Lehrer geworden.
Auch ältere Bewerberinnen und Bewerber seien gefragt, so die Schulministerin
Im Grunde, so Feller, hätten Menschen, die sich für den Lehrberuf interessieren, gute Chancen in praktisch allen Schulformen, insbesondere aber an Grund- und Förderschulen sowie an Berufskollegs. Auch Bewerberinnen und Bewerber über 40 seien nicht chancenlos.
Lehrkräfte-Kampagne in NRW: Gewerkschaften sind skeptisch
Eine Kampagne löse die Probleme an den Schulen nicht, betonten am Montag Lehrerverbände und die Landtgs-Oppositionsfraktion der SPD. „Die beste Werbung bleiben gute Arbeitsbedingungen. Hier ist Luft nach oben“, sagte die Chefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in NRW, Ayla Celik. Die Einschränkungen bei der Teilzeitarbeit für Lehrkräfte konterkariere die Kampagne. Auch Anne Deimel, Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), forderte bessere Arbeitsbedingungen: „Nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen, können Lehrkräfte gesund bleiben und ihren Beruf mit Freude und Überzeugung weiterempfehlen.“
Der Verband Lehrer NRW glaubt zwar nicht so recht an den Erfolg der Kampagne, nannte sie aber „authentisch und seriös“. 2018 sei eine Werbekampagne der Vorgängerregierung in NRW mit „anbiederndem Jugendsprech“ missraten, so Verbandschef Sven Christoffer.
Lehrkräfte-Kampagne: In Baden-Württemberg ein peinlicher Flop
In Baden-Württemberg hatte eine Landeskampagne zur Lehrkräftegewinnung im vergangenen Jahr sogar einen bundesweiten Proteststurm ausgelöst. Auf einem Plakat am Stuttgarter Flughafen stand: „Gelandet und gar keinen Bock auf Arbeit morgen? Mach, was Dir Spaß macht und werde Lehrer*in.“ Spott und Häme über diese Aktion hätten die NRW-Landesregierung veranlasst, bei der eigenen Kampagne „besonders genau auf die Texte zu schauen“, sagte Dorothee Feller. Man wolle schließlich niemanden vor den Kopf stoßen.
Berufsschullehrer Volker Steinfels monierte, der Spruch des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD), Lehrkräfte seien „faule Säcke“, hänge seinem Berufsstand immer noch nach. „Das stimmt ja auch nicht. Die allermeisten meiner Kolleginnen und Kollegen sind alles andere als faul, sondern ausgesprochen fleißig. Sie leben für ihren Beruf.“ In der Tat sei der Lehrberuf aber sehr familienfreundlich, meint der Pädagoge aus Gelsenkirchen-Buer.
Lehrkräfte-Kampagne: Auf diesen Kanälen findet Ihr Infos
Die Werbe-Videos sind auf diesen Social-Media-Kanälen zu sehen: Facebook (@lehrkraftwerden.nrw), Instagram (@lehrkraft_werden.nrw) und YouTube (@Lehrkraft_werden_nrw). Die NRW-Regierung will später auch auf TikTok werben, dort habe sie allerdings keinen eigenen Kanal. Die Internetseite www.lehrkraft-werden.nrw führt laut Schulministerin Dorothee Feller über einen „Chancen-Rechner“ zum Einstieg in den Lehrberuf.