Düsseldorf. ChatGPT und Co erobern die Schulen in NRW. Umfrage zeigt, warum dennoch über die Hälfte der Lehrkräfte die Technik nicht nutzen will.

Sprachprogramme wie ChatGPT können auf eine Frage in Windeseile komplette Aufsätze, Artikel, Referate oder Hausarbeiten zu allen möglichen Themen erstellen. Längst sind solche Systeme im Schulalltag angekommen und können nach Ansicht von Experten den Unterricht verbessern und die Lehrkräfte unterstützen. Dennoch herrscht unter Lehrerinnen und Lehrern immer noch große Unsicherheit und teils sogar Ratlosigkeit. Sie befürchten, dass Schülerinnen und Schüler künftig einfach den Sprachroboter fragen, anstatt sich ein Thema selbst zu erarbeiten. Viele Lehrkräfte fühlen sich beim Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) im Unterricht von der Politik alleingelassen und fordern klare Handlungsanweisungen.

Viele Schülerinnen und Schüler nutzen ChatGPT

Was macht KI an Schulen, wie werden ChatGPT und Co derzeit in NRW eingesetzt? Das fragte als erster Lehrerverband der Philologenverband in Nordrhein-Westfalen (PhV) mehr als 850 Lehrkräfte, von denen die meisten an Gymnasien tätig sind. Die Umfrage lag dieser Redaktion vorab vor. Demnach sind die neuen Sprachroboter längst in den Klassenzimmern angekommen. „Große Teile der Schülerschaft nutzt KI, erlaubt oder unerlaubt, regelmäßig für Schularbeiten“, meint Verbandsvorsitzende Sabine Mistler. „Der Zug fährt bereits“, es fehlten indes grundsätzliche Regelungen, viele Fragen müsse die Landesregierung rasch klären, etwa was Prüfungen angehe.

Zwar sind die Bedenken der Lehrkräfte im Vergleich zur letzten Befragung des Philologenverbands im vergangenen Jahr geringer geworden, dennoch gaben immer noch mehr als die Hälfte der Lehrkräfte (52 %) an, KI im Unterricht nicht zu nutzen. Dabei empfehlen die Bildungsexperten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz in einer aktuellen Stellungnahme ausdrücklich den Einsatz von ChatGPT und anderen Systemen an Schulen ab der achten Klasse.

Mehr Lehrkräfte setzen KI im Unterricht ein

Doch offenbar schwinden langsam die Vorbehalte. So ist der Anteil der Lehrerinnen und Lehrer, die KI einsetzen, von 22 Prozent binnen eines Jahres auf derzeit 48 Prozent stark gestiegen, ergab die PhV-Umfrage. Grundsätzliche KI-Verbote in ihrem Unterricht sprechen 23 Prozent der Befragten aus - vor einem Jahr waren es noch 35 Prozent. Die wichtigste Voraussetzung ist für 41 Prozent der Lehrkräfte, dass die Verwendung von ChatGPT für schulische Aufgaben kenntlich gemacht wird.

Als Entlastung ihrer Arbeit werden die Sprachroboter indes nur von sehr wenigen Lehrkräften empfunden. Nicht einmal jede zehnte Lehrkraft (9 %) empfindet die Nutzung der Systeme als Erleichterung ihrer Arbeit. Hingegen halten die meisten ChatGPT und Co eher für eine zusätzliche Belastung. Dennoch will sich eine klare Mehrheit der Technologie nicht verweigern. Gewünscht werden dabei aber vor allem kostenfreie Zugänge über Lizenzen, die die Landesregierung bezahlen und zur Verfügung stellen soll. Der PhV fordert „kostenlose Zugänge für alle Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte“ als eine Voraussetzung für Bildungsgerechtigkeit. „Technologischer Fortschritt darf soziale Ungleichheit nicht zusätzlich vergrößern“, betont Mistler.

Pädagogen vermissen Vorgaben der Politik

Generell vermissen die Pädagogen Vorgaben des Landes zur rechtssicheren Nutzung von KI, konkrete Hilfen für die Anwendung im Unterricht sowie Anleitungen, wie man Texte erkennen kann, die Schüler mithilfe der KI erstellt haben. Auch an den meisten Schulen gebe es laut Aussagen der Lehrkräfte keine Vorgaben für den Umgang mit KI. „Grundsätzlich entscheiden Lehrerinnen und Lehrer in ihrer pädagogischen Freiheit über die Nutzung von KI in ihrem Unterricht“, sagt Verbandsvorsitzende Mistler.

Die Klage nach klaren Regeln stößt indes offenbar auf Unverständnis im Schulministerium. NRW sieht sich in dieser Frage sogar als Vorreiter: „Als eines der ersten Bundesländer“ habe NRW bereits im Februar 2023 einen Handlungsleitfaden sowie weitere Informationen zur Verfügung gestellt, heißt es auf Nachfrage. „Ein sicherer Umgang mit KI-Anwendungen wird für die Zukunft in Ausbildung, Studium und Beruf immer wichtiger“, sagte NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) damals. Der Handlungsleitfaden gebe den Schulen dabei Sicherheit.

Land startet Fortbildungsoffensive

Unbestritten sei aber, dass alle Lehrkräfte besser auf den Einsatz von KI vorbereitet werden müssten. Für eine „digitale Fortbildungsoffensive“ nehme das Land daher 18 Millionen Euro in die Hand. Und auf Ebene der Bundesländer habe NRW die Federführung einer Arbeitsgruppe übernommen, die klären soll, wie KI-Systeme sicher und sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden können.

Klar ist, dass ChatGPT und Co aus den Schulen nicht mehr wegzudenken ist und immer mehr zu zentralen Elementen des Unterrichts werden. Sabine Mistler: „Wir sehen deutlich die Chancen und Möglichkeiten dieser Technologie, die es in Rekordzeit in Schulen und Hausarbeiten geschafft hat. Wir dürfen aber auch die Risiken nicht ignorieren.“ Damit der Unterricht nicht nur anders, sondern auch besser wird.

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