Düsseldorf. „Mehr Demokratie wagen“ wollte einst Willy Brandt. Nun möchte NRW die Demokratiekompetenz von Schulkindern stärken. Kann das gelingen?
„Die Demokratie ist unter Druck“, heißt es, und offenbar fällt es auch in Nordrhein-Westfalen immer mehr Menschen schwer, die Meinungen anderer auszuhalten und zu respektieren. Die NRW-Landesregierung will auf diese Besorgnis erregende gesellschaftliche Entwicklung reagieren und in den Schulen sozusagen „mehr Demokratie wagen“. In der Hoffnung, dass aus heute 14- oder 15-jährigen Mädchen und Jungen eines Tages gute Demokraten werden.
Mehr Mitbestimmung für Schülerinnen und Schüler
Hannah Wiemhöfer (14) und Carl Metz (15) haben eine genaue Vorstellung davon, wie Schule sein sollte. „Sie sollte ein Ort sein, an dem jeder so akzeptiert wird, wie er ist“, sagte Hannah, Siebtklässlerin an der Gesamtschule Münster-Mitte, am Montag im Landtag. „Sicher, freundlich und digitaler als heute“ müsse die Schule der Zukunft sein, findet Carl aus der achten Klasse. Ihre Schule in Münster übt sich heute schon in der „Stärkung der Demokratiekompetenz“ von Jungen und Mädchen. Bald sollen bis zu 250 Schulen im Land erproben, wie Schulkinder mehr als bisher über schulische Regeln mitentscheiden können. Über das Mensaessen, zum Beispiel, die Dauer von Pausen oder den Umgang mit Smartphones und Tablets.
„Wir wollen nichts verordnen oder überstülpen“, versichert NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU). Wie sich die Schulkinder der Demokratie annähern, sollten sie weitgehend selbst bestimmen können. Nur das Ziel ist klar: In einer „Zeit der Kriege und Krisen“, in der die Sitten in den sozialen Medien verrohten und immer wildere Verschwörungstheorien kursierten, müssten Schulkinder eine demokratische Grundausstattung erhalten, die sie widerstandsfähig mache gegen die Verführungskünste der Demokratiefeinde, so Feller.
Mit Klassensprechern und Jugendparlamenten ist es nicht getan
Es sei nicht so, dass Demokratie an den Schulen bisher keine Rolle spiele, sagen Ministerin Feller und die Vorsitzende der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, Anne Rolvering. Es gebe Klassen- und Schülersprecherinnen und -sprecher, Klassenräte und sogar Jugendparlamente. „Aber solche Parlamente und Räte sind hochschwellig. Dort diskutieren oft jene, die selbst gut reden können und kein Problem damit haben, im Mittelpunkt zu stehen. Wichtig ist es aber, auch Kinder stärker zu beteiligen, die nicht so unbefangen reden und auftreten“, erklärte Anne Rolvering, deren Stiftung das Demokratieprojekt des NRW-Schulministeriums unterstützt.
„Die Fähigkeiten, anderen zuzuhören, Kompromisse einzugehen und Entscheidungen auszuhandeln, sind wichtige Erfahrungen für unserer demokratisches Miteinander. Darauf zielen wir ab“, so Rolvering. Ministerin Feller verspricht: „Es wird nichts in der Schublade verschwinden.“
Erste Lektion: Demokratie ist ein schwieriges Geschäft
Wie schwer es aber im Detail ist, im demokratischen Austausch entstandene Wünsche tatsächlich zu verwirklichen, zeigte sich am Montag noch während der Demokratie-Pressekonferenz im Landtag. Eine Journalistin fragte Schulministerin Feller, wie sie zu der Forderung des ersten vom Bundesrat eingesetzten „Bürgerrates“ stehe, alle Kinder in Kitas und Schulen mit kostenlosem Mittagessen zu versorgen. „Das ist immer auch eine Frage der Kosten. Die öffentlichen Haushalte sind zurzeit angespannt. Da muss man erst mit allen gemeinsam diskutieren und debattieren“, erwiderte die Ministerin. Demokratie ist also ein schwieriges Geschäft, und um konkrete Ergebnisse muss stets hart gerungen werden. Auch das gehört wohl zur Demokratie-Lektion für die Schülerinnen und Schüler in NRW.
Carl Metz und Hannah Wiemhöfer machten im Landtag jedenfalls schon Vorschläge für einen besseren Schulalltag, die die Landespolitik viele Jahre beschäftigen dürften: „Weniger Schülerinnen und Schüler in den Klassen, dafür aber mehr Lehrkräfte“, zum Beispiel. Oder: „Jede Schule sollte die gleichen Ressourcen bekommen.“
Mehr Demokratie in Schulen
Zwischen 2024 und 2026 soll in NRW an bis zu 250 Schulen die „Demokratiekompetenz“ von Schülerinnen und Schülern gestärkt werden. Eingebunden werden auch die Landesschülervertretung (LSV) sowie der Landesjugendring.
Das Programm richtet sich zunächst an Schulkinder der sechsten bis achten Jahrgangsstufen an allgemeinbildenden Schulen.
Ab März werden alle Schulen der Sekundarstufe 1 in NRW eingeladen, sich für das Projekt zu bewerben. Sie werden dabei vom Schulministerium und von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung unterstützt.
In einem weiteren Schritt werden 25 Schulen die Chance bekommen, „vertiefende Angebote zur Stärkung der Demokratiekompetenz“ zu nutzen.
Für 2026 ist ein Jugendkongress im NRW-Landtag geplant. Dazu werden etwa 200 Schülerinnen und Schüler eingeladen.
Von den Ergebnissen sollen sämtliche Schulen in NRW profitieren,