Berlin. Masako galt als Genie, empörte aber Japans Palast. Selten konnte sie Erwartungen erfüllen und bekam Depressionen. Nun gibt es Hoffnung.
Sie gilt als die ewig traurige Kaiserin. Doch vor kurzem, bei ihrem Besuch bei Londons Royals, konnte die Welt ihr Lächeln sehen. Hat Masako (60), Japans Kaiserin, nach ihren jahrelangen depressiven Verstimmungen das Tal der Tränen durchschritten? Adelsexperte Jürgen Worlitz sagte gegenüber dieser Redaktion: „Das weiß niemand ganz genau. In Japan schaut kein Außenstehender hinter die dicken Palastmauern, und erst recht nicht in die Seele der kaiserlichen Royals.“
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Dieser Auftritt in London Mitte Juli war für viele eine Überraschung. Die sonst so in sich gekehrte Masako wirke geradezu aufgeräumt, als sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, Japans Kaiser Naruhito (64), von König Charles und Königin Camilla begrüßt wurde. Sie schien auf einmal wieder das Leben zu genießen. „London ist für Masako so etwas wie ein Sehnsuchtsort“, sagt Worlitz. Dort sei sie als junge Frau während ihrer Uni-Zeit in Oxford, als sie dort internationale Beziehungen studierte, oft unterwegs gewesen. „Ein fast vergessenes Feeling von Freiheit.“
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Freiheit, das war für die so weltoffen erzogene Masako an Japans traditionellem Hof, an dem bei ihrer Eheschließung 1993 noch Kaiser Akihito und Kaiserin Michiko herrschten, nicht vorgesehen. Hinter den Palastmauern galt die kühle Strenge der Konvention. Vielleicht hätte die Tochter eines Diplomaten und Richters, die schon als Kind mit ihren Eltern rund um den Globus gereist war, ahnen können, wie ihr royales Leben aussehen würde. Doch sie hatte einen Traum: „Sie wollte die Rolle der Frauen am Tokioter Kaiserhof verändern“, so Worlitz.
Empörung über Masako: Weil sie 28 Sekunden länger sprach als der Thronfolger
Ein Traum, der unbedingt Realität werden sollte, wie sich japanische Frauenrechtlerinnen damals in japanischen Medien zitieren ließen. Wissenschaftlerinnen hatten Hoffnungen in diese Karrierefrau gesetzt. Denn Masako galt als Genie, als Expertin für Handelsfragen im Außenministerium, die auf hochrangige Köpfe der Weltpolitik traf und mit ihnen verhandelte. Ideale Voraussetzungen für eine zukünftige Kaiserin von Japan, hieß es – wer, wenn nicht diese hochgebildete, kluge Frau, könnte in dem verknöcherten Palast andere Saiten aufziehen?
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Doch der Palast blieb steinhart, und der Alltag wurde für Masako zu einem Spießrutenlauf. „Man kritisierte sogar, dass sie ihren Mann um ein paar Zentimeter an Körpergröße überragte“, so Worlitz. Und wehe, wenn sie den Mund aufmachte. Mit neun Minuten 37 Sekunden Redezeit hatte sie es einmal gewagt, 28 Sekunden länger zu sprechen als der Thronfolger. „Die widerwillige Prinzessin“, titelte das amerikanische Magazin „Newsweek“.
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Masako ließ den Thronfolger erst abblitzen: Sie wollte Karriere machen
An der Seite des Ehemanns mundtot zu sein, war der Beginn einer systematischen Demontage der selbstbewussten Businessfrau, die Naruhito („Die oder keine“) mehrfach bei seinem Werben um sie abblitzen ließ. „Sie hätte viel lieber auf dem diplomatischen Parkett Karriere machen wollen, als hinter Palastmauern ihre Talente zu verstecken“, so Worlitz. Mit dem Ja-Wort 1993 hatte sie die Geschichte ihres Verschwindens besiegelt.
Auf der lebensfrohen Frau lastete nun der Druck der Tradition. Nach ihrer Trauung in einem mit 14 Kilogramm schweren Hochzeitskleid war sie nur noch bei zeremoniellen Anlässen zu sehen. Sie selbst sagte in einem Interview aus Anlass ihres 33. Geburtstages: „Manchmal habe ich Probleme damit, das Gleichgewicht zwischen den Traditionen und meiner Person zu finden.“
Eine Aussage, die öffentlich nur weiter Anlass zur Sorge gab, auch, weil Masako immer dünner, immer stiller, immer verzagter wurde. Yoko Tajima, Professorin für Frauenstudien an der Hosei Universität, sagte damals.: „Wenn sie weiter versucht, das Gleichgewicht zu halten, wird sie bald nervlich am Ende sein.“
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Krisenstimmung an Japans Hof: Für Masako eine Katastrophe
Und genauso kam es. „Jahrelang hatte sich Masako nach einem seelischen Zusammenbruch schwer depressiv von der Außenwelt abgekapselt“, so Worlitz. Sie habe sich wertlos gefühlt, auch weil es ihr so vom „Palast und von traditionsbesessenen Hofschranzen vermittelt wurde“.
Der Höhepunkt des seelischen Zusammenbruchs fiel ins Jahr 1999. Nachdem sie acht Jahre auf ein Baby gehofft hatte, wurde sie endlich schwanger – erlitt aber eine Fehlgeburt. Ihr Leid wurde ignoriert. Man erwartete von ihr, dass sie einen Thronfolger auf die Welt brachte. Also wurde sie als Versagerin stigmatisiert.
Masako rutschte immer tiefer in die Krise: 2004 zog sie sich komplett zurück
Dann, ein Lichtblick: Masako war wieder schwanger. 2001 brachte sie ein gesundes Mädchen zur Welt – Aiko. Doch jede Freude wurde im Keim erstickt. Denn Mädchen waren als Erbinnen der Krone ausgeschlossen. Masako, im Wissen, wieder alle enttäuscht zu haben, geriet immer tiefer in die Krise. 2004 zog sie sich ganz aus der Öffentlichkeit zurück und wurde laut japanischer Medien wegen „stressbedingter Anpassungsstörungen“ behandelt. Von Erschöpfung war die Rede und von Depressionen.
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Ehemann Naruhito hatte seine Frau zur Überraschung vieler unterstützt: „Er sagte öffentlich, dass sie bis zur völligen Erschöpfung alles versucht habe, sich den Regeln der kaiserlichen Familie anzupassen“, so Worlitz. „Sich selbst zu entfalten und sich weiterzuentwickeln, sei ihr von allen Seiten verwehrt worden.“ Es sei sogar wahrscheinlich, „dass sich Naruhito selbst viel Schuld an dem Dilemma gab. Er wusste ja, dass seine Frau geahnt hatte, ihre Traumhochzeit mit ihm würde zugleich das Ende ihrer eigenen Träume bedeuten.“ Er habe ihr immer wieder Kraft gegeben.
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Als Naruhitos Bruder Prinz Akihito 2006 nach zwei Töchtern Vater eines Sohnes geworden war, ließ der Druck ein wenig nach. Der befürchtete Untergang des Kaiserreichs schien abgeschmettert. Es war plötzlich ein Thronerbe da. Doch Masako, die 2019 an Naruhitos Seite als Kaiserin den Chrysanthementhron bestieg, machte sich Gedanken, was aus ihrer Tochter wird.
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Aiko (22) hatte, genau wie die Mutter, viele Talente und große Lust auf Bildung. Sie wuchs zu einer jungen Dame heran, der Beobachter sehr wohl die Rolle einer Kaiserin zutrauen. Die Mehrheit der Japaner, 80 Prozent, so Umfragen, würden mittlerweile eine Frau auf dem Thron gutheißen. Doch Aiko, so ist zu lesen, pfeift auf ein royales Leben.
Dass Aiko lieber einem „normalen“ Job nachgehen will, statt hinter Palastmauern zu vereinsamen, mag Mama Masako auch ein wenig lächeln lassen. Denn ihrer Tochter wird so das Schicksal von Sissi, über Lady Di – bis hin zu Masako – erspart bleiben.
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