An Rhein und Ruhr. Sie soll klimafreundlicher und natürlicher sein: die Reerdigung. Doch in Politik und Fachwelt herrscht noch Unklarheit über das Für und Wider.

Wie soll die eigene Bestattung aussehen? Klassisch beerdigen? Verbrennen? Eine noch wenig bekannte Form ist die Reerdigung. Sie wird als ökologisch beworben. Bei dem Verfahren wird der menschliche Körper zersetzt und soll wieder zu Erde werden. In NRW ist sie nicht zugelassen. Ob man das Gesetz ändern sollte, darüber sprachen Landtagsabgeordnete in der vergangenen Woche mit Bestattern, Wissenschaftlern und weiteren Sachverständigen. Was bei der Reerdigung passiert und welche Argumente es dafür und dagegen gibt.

Was ist eine Reerdigung und wie funktioniert sie?

Bei der Reerdigung – auch Humankompostierung genannt – wird der unbekleidete, mit einem Tuch bedeckte Leichnam in ein Behältnis aus Edelstahl oder Hartplastik gelegt, das zur Hälfte mit Heu, Stroh und Luzernen unter Beigabe von Pflanzenkohle gefüllt ist. So beschreibt die Stiftung Reerdigung den Prozess. Der Leichnam wird anschließend mit weiterem pflanzlichen Substrat bedeckt und das als „Kokon“ bezeichnete Behältnis geschlossen.

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Innerhalb von rund 40 Tagen sollen Mikroorganismen Körper und Pflanzenmaterial zersetzen. Bei dem biologischen Prozess entstehen im „Kokon“ Temperaturen von rund 70 Grad Celsius. Schließlich wird der Leichnam zu Humuserde. Durch Wiegen des „Kokons“ sollen Flüssigkeit und Sauerstoff gleichmäßig verteilt werden, um den Zersetzungsprozess zu unterstützen. Hinterher werden Prothesen oder Implantate entfernt, die Knochen gemahlen und der Erde wieder hinzugefügt. Die Erde wird am Ende in einem Naturfasertuch auf einem Friedhof beigesetzt.

Wo kann man sich bereits auf diese Art bestatten lassen?

Eine solche Kompostierung von Verstorbenen sei bislang nur aus den USA bekannt und werde dort in einigen Bundesstaaten angeboten, erklärt der Bestatterverband NRW in einer Stellungnahme. In Europa sei das Verfahren zuletzt in den Niederlanden geprüft worden. „Dort lehnte der nationale Gesundheitsrat eine Einführung 2020 wegen mangelnder wissenschaftlicher Erkenntnisse und damit unklarer Gefahrenlage ab“, so der Verband.

In Deutschland wird das Verfahren von „Meine Erde“ angeboten, das ein Angebot des Unternehmens „Curiculum Vitae“ mit Sitz in Berlin ist. Der Begriff Reerdigung wurde von diesem Anbieter geprägt. Möglich ist das Verfahren bislang jedoch nur in Schleswig-Holstein, wo seit 2022 in einem Pilotprojekt die Humankompostierung erprobt wird. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Leipzig. Bislang wurden dabei 22 Reerdigungen durchgeführt.

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Was spricht für die Reerdigung?

Die Stiftung Reerdigung berichtet, dass sich viele Leute eine alternative Bestattungsform neben der Erdbestattung und der Einäscherung wünschten. Das habe eine Umfrage ergeben, bei der in diesem und im vergangenen Jahr 2000 Menschen befragt wurden, erklärt Geschäftsführer Jörg Litwinschuh-Barthel gegenüber unserer Redaktion. „Wir gehen davon aus, dass etwa ein Viertel der Bevölkerung weder kremiert noch im Sarg bestattet werden möchte.“

Ein Motiv dafür sei ein ökologischer Aspekt: „Die Leute möchten, dass kein Erdgas wie bei der Feuerbestattung verbraucht wird. Und von den natürlichen Mikroorganismen in Erde verwandelt zu werden, empfinden viele als schön und eine Rückkehr in den natürlichen Kreislauf“, sagt er.

Jörg Litwinschuh-Barthel, Geschäftsführer Stiftung Reerdigung.
Jörg Litwinschuh-Barthel, Geschäftsführer Stiftung Reerdigung. © Stiftung Reerdigung | Rick Burger

Bei der Umfrage sagten von den Befragten, die sich bereits für eine Bestattungsform entschieden haben, 27,4 Prozent, dass sie sich für eine Reerdigung entscheiden würden. 54,2 Prozent nannten die Feuerbestattung, 18,4 Prozent die Erdbestattung. Allerdings gaben 32,1 Prozent der insgesamt Befragten an, dass sie sich noch nicht für eine Bestattungsform entschieden hätten.

Was spricht gegen die Reerdigung?

Kritiker des Verfahrens führen Unklarheiten im Prozess und ethische Aspekte an. So ist aus Sicht des Bestatterverbands NRW noch nicht klar, ob sich am Ende der Zersetzung noch Krankheitserreger in der Humuserde feststellen lassen. Auch sei die Zersetzungsphase von rund 40 Tagen für die Trauerphase der Angehörigen problematisch, sagt Verbandsvorsitzender Andreas Niehaus. Schon bei der Einäscherung empfänden viele Angehörige die rund zehn Tage zwischen Abschied am Sarg und der Trauerfeier der Urne als lang.

Bestattungsalternative
Ein „Kokon“, in dem der Leichnam von Mikroorganismen zersetzt wird. © picture alliance/dpa/Meine Erde | -

Niehaus bemängelt auch die Kommunikation des Unternehmens Curiculum Vitae. „Sicher werden keine fossilen Brennstoffe genutzt wie bei der Einäscherung. Aber es werden 160 Liter Trinkwasser verbraucht, die dem Kokon zugeführt werden und es wird Strom verbraucht für das Wiegen.“ Des Weiteren führt er den Preis für eine Reerdigung an: „Eine Einäscherung kostet 500 bis 600 Euro, die Reerdigung rund 2900 Euro. Das sind zusätzliche Kosten, denn man hat keine Vergünstigungen“, betont Niehaus. „Man braucht immer noch das Grab auf dem Friedhof.“

Das Wiegen des „Kokons“ sieht ein im Landtag befragter Bestatter zudem als nicht mit der Totenwürde vereinbar. „Allein der Gedanke, der aufkommen mag, dass es sich eher um ein biologisches Experiment als um eine würdige Bestattung handelt, spricht gegen die moralische und pietätvolle Handhabung der menschlichen Überreste.“

Welche Unklarheiten gibt es noch?

Um offene Fragen zu beantworten, wird weitere Forschung nötig sein. Zudem brauche es mehr Aufklärung über die Reerdigung, wie Stiftungsleiter Jörg Litwinschuh-Barthel meint. Dr. Marcus Schwarz, der die Studien der Uni Leipzig leitet, sagte uns, dass er einige der Bedenken teilweise nachvollziehen könne. „Der Prozess erscheint aufgrund der Neuartigkeit nicht greifbar. Mir ging es bis zur ersten Öffnung eines Kokons ähnlich.“ Es habe sich jedoch gezeigt, dass es funktioniert. „Ethische Themen müssen sich mit einem Wandel der Bestattungskultur ohnehin über die Zeit verändern“, so Schwarz weiter. „Letztlich muss die Entscheidung bei der Bevölkerung liegen.“

Dass in NRW in den nächsten Jahren die Reerdigung möglich gemacht wird, ist jedoch unwahrscheinlich. Die Landtagsabgeordneten machten in der Sitzung klar, dass sie sich zunächst informieren lassen möchten, bevor man überhaupt daran denken könne, das Gesetz zu ändern. Und auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sieht „keinen Bedarf in der Bevölkerung für die Zulassung von neuen Bestattungsformen“. Die Landesregierung halte eine Überarbeitung und Änderung des Bestattungsgesetzes NRW „aktuell nicht für angebracht“.