An Rhein und Ruhr. Dass Grabsteine Insektenhotels sein können und was eine Beerdigung mit dem Flug nach Mallorca zu tun hat, weiß der Generalsekretär der Bestatter.

„Aus der Erde sind wir genommen, zur Erde sollen wir wieder werden“, sagen die Geistlichen traditionell bei der Beisetzung – doch in den allermeisten Fällen gilt eher „Asche zu Asche“. Die Feuerbestattung ist mittlerweile mehrheitsfähig – aber zumal in Zeiten der Gaskrise – nicht unproblematisch. Wie man sich auch nach dem letzten Atemzug klimaschonend verhält, erklärt Stephan Neuser, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter im Gespräch mit Stephan Hermsen.

Mal ganz direkt gefragt: Wie stirbt man eigentlich klimaneutral, Herr Neuser?

Stephan Neuser: Grundsätzlich gibt es zwei Bestattungsarten: die Erdbestattung und die Feuerbestattung. In beiden Fällen braucht man einen Holzsarg. Neu ist seit 2014 in NRW, dass die Kleidung des Verstorbenen ebenfalls vergänglich sein sollte, Polyester beispielsweise geht also nicht. Ansonsten kommt es auf den gesamten Prozess an. Welche Wege werden wie zurückgelegt? Welche Produkte kommen bei der Dekoration oder bei der Trauerfeier zum Einsatz? Die Erdbestattung an und für sich ist nachhaltig.

Im Gegensatz zur Feuerbestattung…

Stephan Neuser, Geschäftsführer der Stiftung Bestattungskultur und Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter.
Stephan Neuser, Geschäftsführer der Stiftung Bestattungskultur und Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Das würde ich so nicht sagen. Beide Bestattungsformen können nachhaltig durchgeführt werden. Spätestens seit der Energiekrise in diesem Jahr hat sich ein geschärftes Bewusstsein entwickelt. Schon seit vielen Jahren wird geschaut, wie lässt sich Gas einsparen? Da geht es beispielsweise um die Temperatur bei der Verbrennung…

Die ist jetzt abgesenkt worden?

Die Betriebstemperatur für Krematorien ist durch eine offizielle Verordnung festgelegt und kann nun auf Antrag von bisher 850 auf 750 Grad gesenkt werden. Das spart schon zehn bis 30 Prozent. Das ist die eine Lösung. Eine andere ist, Krematorien gut auszulasten, möglichst im Mehrschichtbetrieb. Das schafft aber nicht jedes der insgesamt 162 Krematorien in Deutschland, weder vom Personal noch von der Zahl der Kremierung her.

Sinnvoll, weil das Krematorium sonst jedes Mal hochgefahren werden muss?

Genau. Wenn ein Ofen jeden Abend herunter und am nächsten Morgen wieder hochfährt, braucht es deutlich mehr Energie, als wenn ein Krematorium durchläuft. Und dabei ist ein Holzsarg nicht nur Teil einer würdevollen Bestattung, sondern als Brennmaterial wichtig, da der menschliche Körper zu 80 Prozent aus Wasser besteht.

Als Laie würde man denken, wenn eigens Holz und Gas verbrannt werden, ist das weitaus klimaschädlicher. Auch, wenn beispielsweise in Rees ein Krematorium mit Biogas betrieben werden soll.

CO2 wird frei durch das Gas, den Sarg und den Körper. Bei der Erdbestattung geht es um den Sarg und den Körper. Um mal ein Verhältnis zu bekommen: eine durchschnittliche Feuerbestattung setzt ungefähr so viel CO2 frei, wie ein Flug Düsseldorf – Mallorca und zurück. Mittlerweile wird bei vielen Krematorien, beispielsweise in Essen, darüber nachgedacht, die Abwärme lokal zu nutzen. Noch gibt es in NRW keine Krematorien, die mit Elektroöfen statt mit Gas arbeiten, aber das wird kommen. In Ostdeutschland hat ein erster Betrieb auf diese Technologie umgestellt. In den Niederlanden ist das schon sehr verbreitet, ab 2030 dürfen in den Niederlanden bei der Kremierung keinerlei fossilen Brennstoffe mehr eingesetzt werden.

Das Krematorium in Essen: Hier wird in den nächsten Jahren saniert, um es klimafreundlicher betreiben zu können. Auch die Abwärme soll genutzt werden.
Das Krematorium in Essen: Hier wird in den nächsten Jahren saniert, um es klimafreundlicher betreiben zu können. Auch die Abwärme soll genutzt werden. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Es gibt jetzt neuerdings auch die sogenannte Reerdigung. Mode-Gag oder wird das nachgefragt?

Das Verfahren unter dem Markennamen „Reerdigung“ ist noch nicht zugelassen, sondern bislang lediglich ein Modellprojekt in Schleswig-Holstein. Nach der Pilotphase entscheidet der Gesetzgeber, ob diese Methode als Bestattungsform zugelassen wird. Soweit ich weiß, hat es bislang vier „Reerdigungen“ gegeben. Dahinter steht der Anbieter „Meine Erde“, das angewandte Verfahren ist eine Art Kompostierung. Der Verstorbene kommt in ein Behältnis mit Substrat. Dieser sogenannte „Kokon“ muss mechanisch bewegt werden, dabei entsteht Abwärme und Abwasser, aber nach 40 Tagen soll dann daraus Erde geworden sein.

Was mit dieser Erde passiert, wie schließlich beigesetzt wird, die genauen technischen Abläufe, all diese Fragen müssen im Detail geklärt noch werden.

Wie mache ich das denn im Bezug auf Beerdigungen in meinem Umfeld?

Trauerfälle sind immer Ausnahmesituationen für den Menschen. Aber Sie können Ihren Bestatter natürlich auch auf das Thema Nachhaltigkeit ansprechen. Viele Betriebe haben da bereits eine Vielzahl von Angeboten.

Gibt es dazu eine Zertifizierung?

Nein, noch nicht. Aber es gibt Unternehmen, die sich von der Beschaffung des Sargholzes über die Frage, welches Krematorium fahre ich an, bis hin zum Fuhrpark Gedanken machen. Beim Sarg und bei der Urne kann ich mit heimischen Betrieben und heimischen Hölzern arbeiten. Ähnliches gilt für Grabsteine. Früher kamen diese überwiegend aus Indien, aber da gab es oft Probleme mit Kinderarbeit. Doch auch da besinnt man sich mittlerweile und schaut, ob man nicht auch mit anderen Grabsteinen oder Findlingen, bis hin zu recycelten Grabsteinen, arbeiten kann.

Kommen wir von der Bestattung mal auf den Friedhof. Welche Bedeutung haben diese fürs Klima?

Friedhöfe sind wichtige öffentliche Orte, sie bieten Infrastruktur mit Wegen, Bänken, Toiletten. Friedhöfe sind Trauerort, Kulturgut und Parkanlage, in denen die Menschen spazieren gehen oder Sport treiben. Sie sind wichtig für die Biodiversität von Flora und Fauna. Es gibt mittlerweile sogar Grabmale, die als Insektenhotel gestaltet sind. Insofern sind wir der Auffassung, dass man auch bei der Kostenverteilung für die Friedhöfe Reformbedarf haben.

Also die Kosten nicht mehr den Verstorbenen und ihren Hinterblieben komplett auferlegen, sondern dem Grünpflegeamt?

Das sind Entscheidungen vor Ort. Viele Kommunen arbeiten da noch kostendeckend. Deswegen gibt es hier keine pauschale Antwort. Aber es gibt zukunftsträchtige Beispiele von parkähnlichen Grabanlagen in die Cafés oder Spielplätzen so integriert sind, dass Trauernde sich nicht gestört fühlen. Friedhöfe sind mehr als Trauerorte, sie gehören auch der Gesellschaft. In meiner Heimatstadt Unna ist der Friedhof Teil des Lichtkunstkonzepts im Herbst. Es gibt Kulturveranstaltungen und Führungen auf Friedhöfen. Friedhöfe können sogar als Lernort für Kindergärten und Schulen eingebunden werden.

Es gibt eine Tendenz hin zu pflegeleichten Steingräbern, kleineren Friedhöfen und nicht mehr so große Parkflächen. Bedauern Sie das?

Wenn es einen Trend gibt, dann den zur Feuerbestattung. In der ehemaligen DDR war die Feuerbestattung die Regel, in der BRD die Erdbestattung. Das hat sich radikal verändert. Wir haben rund drei Viertel Feuerbestattungen. Es gibt ein starkes Nord-Süd- und Ost-West-Gefälle: Im Osten liegen wir bei fast 100 Prozent, in Bayern beispielsweise ist das noch deutlich weniger.

Der Trend wird durch die Preisgestaltung der Friedhöfe noch befeuert…

Ja, da gibt es Unterschiede. Aber es lohnt sich die Preisgestaltung der einzelnen Friedhofsträger, Kirchen oder Kommunen, anzuschauen. Es gibt innerhalb einer Stadt oft große Preisunterschiede. Da kennt sich der Bestatter vor Ort am besten aus. Kolumbarien für Urnen sind beispielsweise oft kostspieliger als andere Beisetzungsarten. Die Ruhefristen für Gräber betragen je nach Erdreich meist 20 bis 30 Jahre.

Weil Urnengräber pflegeleichter sind oder pflegefrei sind, werden sie beliebter. Manche schreiben auch eine anonyme Bestattung in ihr Testament, weil Sie denken, damit den Nachkommen einen Gefallen zu tun – und wissen gar nicht, was sie Hinterbliebenen damit antun, die einen Ort für ihre Trauer wünschen und brauchen.

Besser ist es, auch in dieser Frage nachhaltig zu denken und mit seiner Familie darüber zu sprechen, wie man gern bestattet werden möchte. Das entlastet die Angehörigen in einer konkreten Trauersituation sehr.