Düsseldorf. Deutsche Krankenhausgesellschaft: Kompromiss beim Bundesgesetz zur Klinikreform dringend nötig. Was bei einem Scheitern im Gesundheitssystem droht.
Die Klinikreform muss kommen – aber nicht so. Das fordert die Deutsche Krankenhausgesellschaft nach einer Sondersitzung am Vorabend der Gesundheitsmesse Medica in Düsseldorf. Ähnlich äußerte sich NRW-Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).
Nordrhein-Westfalen werde an der Klinikreform festhalten, vor Weihnachten werde sein Haus die Leistungsbescheide an die Kliniken verschicken, in denen festgeschrieben wird, welche Kliniken im Land künftig welche Leistungen anbieten dürfen, so Laumann. Das aber ist nur ein Teil der Reform. Damit werden die medizinischen Fachgebiete und damit Patientenzahlen verschoben.
Laumann: Reform ist an einem guten halben Tag zu retten
Die Finanzierung der Behandlungen wird auf Bundesebene reformiert. Und der will bei der Gestaltung der Kliniklandschaft mehr Einfluss. Was diese große Klinikreform des Bundes angeht, pocht Laumann für NRW auf einen Kompromiss: Er werbe dafür, dass das vom Bundestag beschlossene Gesetz im Bundesrat abgelehnt und in den Vermittlungsausschuss gegeben wird, wo es am 22. November beraten wird.
Es sei möglich, auch in der jetzigen politischen Situation einen Kompromiss zu finden, der eine Zustimmung der Bundesländer möglich mache, so NRW-Gesundheitsminister Laumann. Es gehe um fachliche Punkte, nicht um parteipolitische Projekte. „Das ist an einem guten halben Tag zu besprechen“, so Laumann. Die Kriterien des Bundes seien zu strikt und insbesondere auf dem Land nicht umzusetzen.
„Wenn die Kriterien so kommen, wie sie jetzt im Gesetz stehen, haben wir ländliche Regionen ohne Krankenhausversorgung“, warnte Laumann. Die Qualitätskriterien seien grundsätzlich richtig, müssten aber pragmatisch anwendbar sein, zu Gunsten einer besseren Erreichbarkeit der Kliniken und der Versorgungssicherheit, beispielsweise, wenn es bei Schlaganfällen schnell gehen müsse.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), per Video zeitversetzt zugeschaltet, betonte, mit ihm werde es keine Kompromisse bei den Qualitätskriterien geben. „Ich werde diese Reform nicht verwässern“, so Lauterbach. Deutschland sei in den letzten Jahren stark zurückgefallen, das wirke sich auf die Lebenserwartung der Menschen aus. „Ich will keine Krankenhäuser, in denen die Ärzte selbst sich niemals behandeln lassen würden“, so Lauterbach.
Ohne die Reform, die am 22. November im Bundesrat beraten wird, drohe eine kalte Marktbereinigung durch zahlreiche Insolvenzen von Krankenhäusern, so Dirk Kocher, Präsident der Krankenhausdirektoren Deutschlands. „Vor Corona schrieben 80 Prozent der Häuser schwarze Zahlen. Mittlerweile schreiben 80 Prozent der Häuser rote Zahlen“, warnte er. Das seien keine Managementfehler, das sei ein bewusst herbeigeführter, finanzieller Druck des Bundes, der so seine Reform durchbringen wolle.
Auch Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft warnt vor weiteren Verzögerungen. Scheitere die Reform und werde in die nächste Wahlperiode verschoben, drohe eine Verzögerung von rund anderthalb Jahren: „Viele Krankenhäuser sind in akuter Not und werden die Reform dann nicht mehr erleben“, so Gaß.
Lauterbach: Viele Häuser kämpfen mit der Insolvenz
Bundesgesundheitsminister Lauterbach stieß da ins gleiche Horn: Die städtischen Kliniken in Köln erwarteten für 2024 beispielsweise ein Minus von 200 Millionen Euro. „Wir können so nicht weitermachen. Viele Kliniken kämpfen mit der Insolvenz, auch sehr gute Häuser dabei, die wir fraglos für die Versorgung brauchen“, so Lauterbach. Mit der Reform käme für viele Häuser deutlich mehr Geld ins System, weil nicht mehr nach Betten und Fallpauschalen abgerechnet werde. Schon jetzt blieben 30 bis 40 Prozent der Klinikbetten leer, wenn zudem mehr ambulant operiert würde, stiege dieser Leerstand weiter an.
Er lobte ausdrücklich die Strukturreform in NRW, sie sei Vorbild für die Bundesgesetzgebung gewesen. Bloß nütze die nichts, wenn jetzt nicht durch das Reformgesetz des Bundes auch die Finanzmittel entsprechend umverteilt würden. Auch NRW-Gesundheitsminister Laumann betonte, dass der Finanzdruck zum Handeln zwinge. In kommunalen Kliniken und den Universitätskliniken würde das Defizit durch die öffentliche Hand womöglich noch aufgefangen.
Weite Teile der NRW-Kliniken seien allerdings frei gemeinnützige Häuser aus dem Raum der Kirchen, diese hätten keine Rücklagen. „Da sind viele verdammt gute Häuser“, so Laumann, die man für die Versorgungssicherheit der Menschen brauche. Zuletzt hatte beispielsweise das Krankenhaus in Emmerich Insolvenz anmelden müssen, in Essen musste sich das Krupp-Krankenhaus in Steele in ein Schutzschirmverfahren retten. Auch in Oberhausen-Osterfeld droht ein Traditionshaus zu verschwinden.