Essen. Sahra Wagenknecht diktiert in ihrer Partei den Kurs. Das ist nicht nur undemokratisch - sondern auch eine Gefahr für Koalitionsverhandlungen.

In jedem größeren Stadtteil und in jeder Gemeinde gibt es einen SPD-Ortsverein, einen Ortsverband von CDU, von Grünen oder Freidemokraten. Das klingt vielleicht nicht gerade aufregend. Aber für unsere Demokratie sind die vielen engagierten Menschen der sogenannten Basis äußerst wichtig. Nur durch sie gelangen Stimmungen, Kritik und Verbesserungsvorschläge bis zu den Spitzen der jeweiligen Parteien. Darum misst unser Grundgesetz den Parteien eine wesentliche Rolle bei der „politischen Willensbildung“ zu (Art. 21). Und damit von der Basis bis zur Spitze viel und offen zu allen möglichen Themen diskutiert wird, verlangt das Parteiengesetz eine „innerparteiliche Demokratie“. Dass das funktioniert, zeigen die oft lebhaften Auseinandersetzungen bei Parteitagen.

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Nur in der jüngsten bundesdeutschen Parteigründung finden innerparteiliche Debatten nicht statt. Denn beim BSW hat nur eine das Sagen: Sahra Wagenknecht. Sogar ihre (wenigen) Parteimitglieder sucht sie sich selbst aus. Das ist sicher praktisch, wenn man keine Kritik verträgt. Doch mit „innerparteilicher Demokratie“ hat das herzlich wenig zu tun. Wie kurz Frau Wagenknecht ihre Leute hält, zeigt sich gerade in Thüringen. Nach dem guten Abschneiden ihrer Partei sah es ein paar Tage so aus, als wenn die BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf mit den dortigen Vertretern von CDU und SPD verhandeln könne. Wolf ist erfahren, sie war Bürgermeisterin von Eisenach, saß im Landtag und gilt als pragmatisch. Inzwischen aber hat sie gelernt, dass nur Genossin Sahra den Ton angibt. Wie Frau Wolf das findet, kann man nur erahnen.

Wagenknecht: Lieber Opposition statt Kompromisse?

Die Frage gilt auch für die anderen handverlesenen BSW-Parteivorderen. Womöglich finden sie Unterordnung gut oder straffe Führung. Für eine Partei, die sich demokratisch nennt, ist das jedenfalls sehr befremdlich.

Wenn Frau Wagenknecht ihre Dominanz weiter ausreizt, stehen Koalitionsverhandlungen im Osten auf der Kippe. Zumal Union und SPD eh größte Bauchschmerzen bei einer Zusammenarbeit mit dem BSW haben. Es scheint, als agierte Wagenknecht lieber aus der Opposition, anstatt mit anderen Kompromisse zu finden. Genau das aber ist Demokratie. Doch die lässt sie in der eigenen Partei nicht zu.