Am 7. September soll der NRW-Verband des BSW gegründet werden. Zurzeit hat die Partei nur 100 Miglieder. Das hat Gründe
Im Osten ist das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bereits eine politische Größe. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo im September Landtagswahlen anstehen, landet die Partei in Umfragen jeweils deutlich im zweistelligen Prozentbereich. Zwischen diesen Wahlen soll am 7. September in Bochum der nordrhein-westfälische Landesverband des BSW gegründet werden. Mit dem Aufbau der Parteistrukturen wollen sich die Parteistrategen aber Zeit lassen.
In Nordrhein-Westfalen hat das BSW nach Parteiangaben aktuell gerade einmal etwa 100 Mitglieder, trotzdem soll der Landesverband der bundesweit größte werden. Man wolle beim Wachstum der Partei „die Geschwindigkeit herausnehmen“, sagt Amid Rabieh, stellvertretender Bundesvorsitzender und Landeskoordinator für den Aufbau der Parteistrukturen. Wie viele der BSW-Mitglieder war Rabieh vor der Gründung der neuen Partei im Herbst vergangenen Jahres bei der Linkspartei.
Sozialdemokraten wechseln zum BSW
Das BSW wurde im Herbst 2023 gegründet und ist benannt nach Sahra Wagenknecht, die bei der Bundestagswahl 2021 für die NRW-Linke als Spitzenkandidatin antrat, aber in ihrer Partei unter anderem wegen ihrer russlandfreundlichen und migrationskritischen Positionen scharf kritisiert wurde. Bei der Europawahl im Juni holte die neue Partei in NRW 4,4 Prozent der Wählerstimmen. Seit der Wahl sitzt der frühere Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel im Europaparlament, der von der SPD zum Wagenknecht-Bündnis wechselte.
Er ist nicht der einzige Sozialdemokrat, der hinüber gemacht hat. Kürzlich gab auch der Dinslakener Vizebürgermeister Eyüp Yildiz sein SPD-Parteibuch ab und erklärte seinen Beitritt zum BSW. Zuvor war er bei einer parteiinternen Abstimmung für die Bürgermeisterkandidatur bei den Kommunalwahlen im kommenden Jahr gescheitert.
Seinen Wechsel erklärte Yildiz aber mit seiner Unzufriedenheit über die außenpolitischen Positionen der SPD. Seine alte Partei habe mit „der friedenspolitischen Tradition Willy Brandts gebrochen“ und stehe „inzwischen für eine Politik, die Konflikte mit militärischen Mitteln lösen will“.
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Landeskoordinator Rabieh betont, man sei eine „breit aufgestellte Partei“, die Menschen aus verschiedenen sozialen Milieus und politischen Spektren anspreche. Der Zuspruch sei groß, man habe in NRW etwa 5000 Unterstützer und Förderer. Darunter neben ehemaligen Linken und Sozialdemokraten auch frühe Grüne, Christdemokraten und Liberale. Dass jemand aus der FDP zu einer Partei wechselt, der böse Zunge attestieren „national-kommunistisch“ sein, überrascht.
Nils Niggemann, 28, angehender Neurologe aus Essen und früheres FDP-Mitglied, erklärt seinen Wechsel mit der Corona-Politik seiner alten Partei. Während der Pandemie habe er das Gefühl gehabt, „dass die FDP nicht für die individuellen Rechte von Patienten, Pflegekräften und Ärzten einsteht“. Parteichef Lindner habe sich erst gegen eine Impfpflicht ausgesprochen, dann aber eine 180-Grad-Wende gemacht. Eine Impfung aber sei eine individuelle Entscheidung, die es zu respektieren gelte. Sahra Wagenknecht hingegen vertrete „Freiheits- und Bürgerrechte“.
Ex-FDPler: Die Politik Wagenknechts ist liberal
Einen Widerspruch zu seinen früheren politischen Überzeugungen sieht Niggemeier auch nicht in der Wirtschaftspolitik des BSW. „Wagenknechts Kritik am Monopol von Großkonzernen oder ihre Betonung des Leistungsgedanken halte ich für liberal. Das hat nichts mit Kommunismus zu tun.“
Aktuell sieht Landeskoordinator Rabieh als die wichtigste Aufgabe an, den Aufbauprozess des BSW in Nordrhein-Westfalen zu vertiefen. „Wir wollen einen Kennenlern-Prozess vorschalten, bevor wir formale Strukturen hochziehen.“ Heißt: Die Unterstützer und Förderer kommen auf Netzwerk-Treffen zusammen, von denen es laut Rabieh seit der Europawahl etwa 30 in NRW gegeben hat.
Anders als in Ostdeutschland ist der Zuspruch zu der neuen Partei derzeit in NRW aber noch überschaubar. In der jüngsten Umfrage, die allerdings aus April ist, landet das BSW bei gerade einmal drei Prozent. Man sei aber zuversichtlich, auch im größten Bundesland zu wachsen, so Generalsekretär Christian Leye, ein enger Wagenknecht-Vertrauter und ebenfalls ehemaliger Linken-Politiker. In NRW gebe es angesichts der vielfältigen sozialen Probleme „großes Potenzial“.