An Rhein und Ruhr. Ab dem 16. September soll es an der Grenze zu den Niederlanden Kontrollen geben. Spediteure, Pendler und die Tourismusbranche sind besorgt.

Als Bernd Stenkamp aus den Nachrichten erfuhr, was ab kommender Woche auf ihn zukommt, ließ er keine Zeit verstreichen. „Wir haben direkt versucht, Touren anzupassen und längere Fahrtzeiten einzuplanen“, sagt der Logistikunternehmer. Seine Fahrer, fürchtet der 40-Jährige, werden lange im Stau stehen, wenn ab Montag (16. September) an den Staatsgrenzen kontrolliert wird, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nun anordnete. Eine Tour in die Niederlande droht zu einer zeitfressenden Angelegenheit zu werden.

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Stenkamp ist Geschäftsführer einer Borkener Spedition, mit Zweigstellen in Duisburg und Voerde, die sich auf die Lagerung und den Transport gekühlter Lebensmittel spezialisiert hat – hauptsächlich innerhalb Nordrhein-Westfalens und in die Niederlande. Etwa zehn Lkw schickt er jeden Tag ins Nachbarland. Für die angekündigten Grenzkontrollen, die unerlaubte Einreisen eindämmen sollen, habe er als Privatmann zwar Verständnis – aber geschäftlich gesehen sorgen die Kontrollen für „Mehrkosten und Frust unter den Mitarbeitern“, sagt Stenkamp.

Grenzkontrollen in NRW: Rückstau bei EM-Kontrollen sei „immens“ gewesen

„Man hat es auch schon bei der Fußball-EM gesehen: Damals ist der Rückstau an der Grenze zu den Niederlanden immens gewesen“, erinnert sich der Geschäftsführer. Häufig sei durch die Kontrollen der Tagesablauf der Fahrer gestört worden. „Normalerweise kann man so über die Grenze fahren, aber jetzt bereiten wir uns wieder darauf vor, dass sie länger für ihre Strecken brauchen und Termine im Extremfall nicht eingehalten werden können“, so der Münsterländer.

Dass die geplanten Kontrollen für die Logistikbranche „schwere finanzielle Folgen“ haben könnten, erwartet auch Heidi de Ruiter, stellvertretende Geschäftsführerin des deutsch-niederländischen Zweckverbandes Euregio Rhein-Waal. „Grenzkontrollen werden automatisch zu Staus führen.“ Von den Plänen der Bundesregierung habe der Verband aus der Presse erfahren. „Und wir haben uns erschrocken. Für die Region ist das eine schlechte Nachricht, denn sie profitiert von der offenen Grenze“, so de Ruiter.

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Eine Einschätzung, die auch der Geschäftsführer der Deutsch-Niederländischen Handelskammer (DNHK), Günter Gülker, teilt: „Die plötzliche Einführung von Grenzkontrollen zwischen Deutschland und den Niederlanden hat die niederländischen Unternehmen komplett überrascht und in Alarmbereitschaft versetzt. Bei allem Verständnis für die Diskussion: Fakt ist, dass offene Grenzen eine wichtige europäische Errungenschaft sind und ein Garant für Wohlstand“, so Gülker zur NRZ.

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So könnten langwierige Grenzkontrollen nicht nur die niederländischen Unternehmen, „für die Deutschland der weltweit wichtigste Exportmarkt ist“, sondern auch deutschen Unternehmen wirtschaftlich schaden. Derzeit sei zwar noch nicht abzusehen, mit welcher Intensität die Grenzkontrollen umgesetzt würden. Fakt aber sei, „dass die Kontrollen den Handel nicht nur Zeit, sondern auch Geld kosten und dafür sorgen, dass die Lieferketten unterbrochen werden. Laut Logistikverband TLN passieren täglich rund 100.000 Lastwagen die deutsch-niederländische Grenze. Jede Stunde Wartezeit koste 100 Euro pro Lkw-Fahrer“, so Gülker.

Grenzkontrollen zwischen NRW und Niederlande: 20.000 Grenzpendler im Bereich der Euregio

Nicht nur für die Unternehmen, auch für die Pendler selbst bedeutet die Ankündigung schlechte Nachrichten. Etwa 20.000 Grenzpendler leben im Bereich der Euregio Rhein-Waal, zu dem Düsseldorf, Duisburg, die Kreise Wesel und Kleve sowie weite Teile der niederländischen Provinz Gelderland gehören. „Die meisten von ihnen fahren aus NRW in die Niederlande. Das sind Arbeitnehmer, aber auch Studenten, die nach Nimwegen zur Uni fahren“, weiß Heidi de Ruiter. Sie dürften durch stärkere Grenzkontrollen mehr Zeit im Auto verbringen.

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Ein Problem, dass sich auch auf den Tourismus auswirken könnte. „Vor allem zu den Hauptverkehrszeiten ist mit erheblichen Verzögerungen und Staus an den Grenzübergängen zu rechnen, wie es bereits während der Fußball-EM der Fall war“, sagt Dorine de Gast vom niederländischen Büro für Tourismus und Kongresse. „Dies könnte dazu führen, dass Touristen andere Reiseziele wählen oder ihren Aufenthalt verkürzen, was dem Tourismussektor in beiden Ländern schaden würde.“ Es geht nicht nur um den langen Urlaub während der Schulferien. „Auch der Tagestourismus dürfte leiden, weil Menschen sich die Frage stellen werden, ob sie für eine Einkaufstour über die Grenze eine lange Stauzeit in Kauf nehmen wollen“, so Heidi de Ruiter von der Euregio.

Kontrollen an NRW-Grenzen angekündigt: Absperrungen und Zollhäuschen?

Der Verband stelle sich die Frage, wie die Grenzkontrollen konkret aussehen werden. Die Hoffnung: „Sollte es nur punktuelle Kontrollen geben, würde das für den Alltag der Menschen nicht viel ändern.“ De Ruiter will noch nicht schwarz sehen. Sie kennt die Personalnot in Deutschland: „Wir haben die Hoffnung, dass es keine ständigen Kontrollen geben wird. Ich glaube nicht, dass die Bundespolizei genug Kapazitäten dafür hat.“

Wie die Kontrollen konkret aussehen werden, ist noch unklar. Dass es bald wieder Absperrungen und Zollhäuschen auf den Straßen geben wird, glaubt Anton Stapelkamp, Bürgermeister der Grenzgemeinde Aalten, nicht, wie er der Tageszeitung „De Gelderlander“ verriet.

„Ich kann mir vorstellen, dass es mehr mobile Kontrollen geben wird und die Leute häufiger stichprobenartig zur Passkontrolle angehalten werden“, sagt Stapelkamp. Es bleibe abzuwarten, wie die Grenzkontrollen ganz konkret aussehen werden. Eine „harte Grenze“ zwischen den Örtchen Dinxperlo und Suderwick, wo eine Straßenseite niederländisch und die andere deutsch ist, kann sich der Aaltener Bürgermeister jedenfalls nicht vorstellen.