Nimwegen. Ab 16. September wird an den Grenzen kontrolliert. Viele Niederländer fürchten finanzielle Einbußen – und einen Dominoeffekt.
In Dinxperlo schwant den Leuten das Ende des Lebens, wie sie es kennen. Der niederländische 7000-Einwohner-Ort liegt genau auf der Grenze: Die eine Seite der Dorfstraße gehört zu Dinxperlo und der Provinz Gelderland, die andere zu Bocholt-Suderwick in NRW. Freek Diersen ist zweifacher Vater, vierfacher Opa, langjähriger Kommunalpolitiker, ehemaliger Gemeinderat – und in Sorge um sein schmuckes Städtchen. „Wir arbeiten seit Jahren daran, gute Kontakte über die Grenze hinweg aufzubauen“, sagt Diersen und schwärmt im Sender Een Vandaag von den „zwei Kulturen“, die Dinxperlo ausmachten.
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Ab Montag kontrollieren deutsche Polizisten wieder entlang der Grenze (wir berichten über die Entwicklungen an der Grenze im Newsblog). Für Diersen ein harter Schlag. Die Menschen in Dinxperlo haben sich seit Jahrzehnten ans Wandern zwischen den Staaten gewöhnt. Ist dieser Lebensstil nun in Gefahr? Freek Diersen hat auf die Frage keine Antwort.
Niederländische Wirtschaft ist wegen Grenzkontrollen in „Alarmstimmung“
Wenige Tage vor Wiedereinführung der Grenzkontrollen werden Politiker, Unternehmer und Bürger in den Niederlanden zunehmend nervös. Die Wirtschaft sei in „Alarmstimmung“, warnt Günter Gülker, Geschäftsführer der Deutsch-Niederländischen Handelskammer in Den Haag, im Gespräch mit dieser Redaktion. Das Netzwerk vertritt mehr als 1500 Mitglieder. Gülker fordert „die Einführung von Green Lanes, auf denen der Güterverkehr die Landesgrenzen ohne Kontrollen passieren kann“. Falls Lastwagen während der für sechs Monate geplanten Kontrollen bei jedem Grenzübertritt im Stau stehen sollten, sagt der Logistikverband Evofenedex einen finanziellen Schaden in zweistelliger Millionenhöhe voraus.
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In der Presse werden nun Geschichten von früher erzählt. Aus einer Zeit, in der jede Reise ins Nachbarland ein kleines Abenteuer war. Wie deutsche Mädchen abends unter der Absperrung durchkrochen, um ihren niederländischen Freund zu besuchen. Wie sich junge Holländer auf die andere Seite schlichen, um in Deutschland auf die Kirmes zu gehen. Wie Pendler Zigaretten in aufgeschlitzten Autositzen versteckten, damit sie bei einer Kontrolle nicht als Schmuggler auffallen. Diese bleierne Zeit, bangen Kommentatoren, könnte wiederkommen. Einen „Dominoeffekt“ erwartet die Zeitung „De Volkskrant“: Die Deutschen bewegten sich „auf gefährlichem Terrain. Auch die Nachbarländer könnten sich gezwungen sehen, Grenzkontrollen einzuführen, und sei es nur, weil sie befürchten, dass Migranten nun in größerer Zahl bei ihnen auftauchen werden“, kommentiert Peter Giesen, Auslandsfachmann des linksliberalen Amsterdamer Blatts.
Rechtsregierung in Niederlanden will ebenfalls Grenzkontrollen
Die Besorgnis vieler Niederländer im Hinterland besteht darin, dass es den Deutschen nicht nur um den Kampf gegen Schleusungskriminalität und irreguläre Migration geht – sondern dass die Bundesrepublik am ganz großen Rad dreht. Mark Slinkman, Bürgermeister des Städteverbunds Berg en Dal bei Nimwegen, fährt nach eigenen Angaben oft „über Deutschland“, wenn er etwa im Ortsteil Millingen zu tun hat. Es werde zu Staus kommen, „wenn beispielsweise der Verkauf von Feuerwerkskörpern kontrolliert wird“, glaubt Slinkman. Müsste er auf dem Weg in den Nachbarort jedes Mal zeitraubend seinen Pass vorzeigen, fürchtet er, könnte er sich im Auto quasi häuslich einrichten.
Am Regierungssitz blicken sie hingegen recht entspannt auf die deutsche Kontrollitis. Asylministerin Marjolein Faber von der rechtspopulistischen Partei PVV äußert Verständnis für den Plan. Sie plädiert für ähnliche Maßnahmen auf der niederländischen Seite der Grenze.