An Rhein und Ruhr. Ausgesetzte Katzen bringen die Tierheime in NRW aktuell an ihre Grenzen. Warum so viele Menschen ihre Haustiere loswerden wollen.

Warm ist es in dem Raum, in dem sich etwa drei Dutzend kleine Käfige gestapelt gegenüberstehen. Der Geruch von Tierfutter liegt in der Luft, aus dem Nebenraum sind bellende Hunde zu hören. In einem der Käfige liegt Kater Bradley, schleckt sich über seine grau gestreifte Pfote und schaut mit trägem Blick durch die Gegend. Bradley ist vor knapp zwei Wochen als Fundtier im Essener Albert-Schweitzer-Tierheim gelandet. Woher er kommt, weiß man nicht. Der etwa zwei bis drei Jahre alte Kater ist zwar gechippt, jedoch nicht angemeldet. Jetzt wartet er sehnsüchtig auf ein neues Zuhause – zusamment mit 180 weiteren Katzen.

„Unser Tierheim ist aktuell so überfüllt, dass wir von Besitzern gar keine neuen Tiere mehr annehmen können. Wir nehmen nur noch Fundtiere auf, dazu sind wir verpflichtet“, berichtet Leiterin Jeanette Gudd, die in ihren 22 Dienstjahren schon einiges erlebt hat. Derartig voll sei es vor der Pandemie aber nie gewesen, „das ist erst seit zwei bis drei Jahren so.“ Und in diesem Sommer seien die Zahlen nochmal besonders hoch. „So schlimm wie jetzt war es noch nie“

Überfüllte Tierheime: Eine Folge der Pandemie?

„Das könnten alles noch Nachwirkungen der Pandemie sein“, vermutet die Tierpflegerin. Hier haben sich besonders viele Menschen Hunde, aber vor allem Katzen zugelegt. „Dass mit so einer Entscheidung aber auch eine Menge Verantwortung und Arbeit einhergehen, wurde dabei offenbar nicht immer bedacht. Das zieht sich bis heute durch“, kritisiert sie.

Tierheimleiterin Jeanette Gudd mit Flocke. Die Katze lebt bereits seit April im Essener Tierheim.
Tierheimleiterin Jeanette Gudd mit Flocke. Die Katze lebt bereits seit April im Essener Tierheim. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Das habe auch dazu geführt, dass viele Herrchen und Frauchen früher aufgeben würden. „Wenn die neue Katze in der Wohnung mal an der Tapete kratzt oder der Hund nicht von Anfang an komplett stubenrein ist, geben einige die Tiere sofort wieder ab.“ Auch würden viele nur noch auf das Aussehen des künftigen Haustiers achten und nicht auf seine individuellen Bedürfnisse. Wer Zuhause am liebsten auf der Couch liegt und generell eher gemütlich ist, der sollte sich keinen Spanischen Laufhund zulegen, rät Gudd. Und andersrum: Wer mit seinem Hund joggen und viel unterwegs sein will, für den sei eine Französische Bulldogge auch nicht die richtige Wahl.

Keine Zeit mehr für die Haustiere

Ein weiterer Grund für den aktuellen Andrang: die Sommerferien. Die Menschen an Rhein und Ruhr sind viel unterwegs, fahren in den Urlaub. „Da merken manche, dass sie eigentlich gar keine Zeit mehr für ein Haustier haben.“ Doch viele Tierheime sind bereits überfüllt und können gar keine Abgabe-Tiere mehr aufnehmen. „Also werden leider immer wieder Tiere ausgesetzt. Viele davon sind nicht kastriert und vermehren sich dann auch noch“, erklärt die Tierheimleiterin.

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Bradley könnte draußen ebenfalls schon für Nachwuchs gesorgt haben – und dabei auch seine Genmutation weitergegeben haben. Bradley ist nämlich eine Schottische Faltohrkatze. Hauptmerkmal sind die nach vorne hängenden Oren. Doch was vielleicht niedlich aussieht, bringt für die herangezüchteten Katzen oft Schmerzen mit sich. Die Genmutation kann zu Gelenkdeformationen und zu Bewegungsstörungen führen, erklärt Gudd. Tierschutzvereine stufen die Rasse deshalb als Qualzucht ein, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft empfiehlt ein Zuchtverbot.

Katze Anuk musste kürzlich operiert werden, trägt eine Halskrause, damit sie sich nicht die Fäden zieht.
Katze Anuk musste kürzlich operiert werden, trägt eine Halskrause, damit sie sich nicht die Fäden zieht. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Diese Hunde und Katzen werden am besten vermittelt

Trotzdem ist die Scottish Fold bei Katzenfans sehr beliebt. Bei Hunden ist es die Französische Bulldogge, die von dem Essener Tierheim oft vermittelt wird. Insgesamt 54 Hunde warten im Tierheim und den Pflegestellen gerade auf ein neues Zuhause. Hunde zu vermitteln sei noch schwerer als Katzen, meint die Tierheimleiterin. Trotzdem seien die Katzen aufgrund der Menge gerade das größere Problem.

Weil es mit der ersten Familie nicht so ganz geklappt hat, wartet die junge Hündin Gucci im Essener Tierheim auf den nächsten Versuch.
Weil es mit der ersten Familie nicht so ganz geklappt hat, wartet die junge Hündin Gucci im Essener Tierheim auf den nächsten Versuch. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Auch am Niederrhein beobachtet der Bund Deutscher Tierfreunde eine regelrechte „Flut an ausgesetzten Katzen“. Zuletzt wurden auf einem Parkplatz in Moers sechs ausgesetzte Katzen in einem verschnürten Käfig gefunden – vernachlässigt und abgemagert. Die Jungtiere hatten Flöhe und Zecken im Fell, zwei von ihnen hatten sogar abgebrochene Zähne. Sie wurden von der Tierherberge Kamp-Lintfort aufgenommen und werden dort versorgt. Woher die Katzen kommen und wer sie ausgesetzt hat, ist nicht bekannt.

Viele würden die Haustiere auch auf einer Wiese oder im Wald aussetzen, wenn sie im Tierheim nicht mehr angenommen werden können, kritisiert der Verein, der auch einen Zusammenhang zur Pandemie sieht. „Wahrscheinlich handelt es sich um eine Folge der Corona-Krise und der anschließenden Zeit des Homeoffice. Nachdem nun viele Arbeitnehmer wieder zu ihren Arbeitsplätzen zurückkehren mussten, fehlt ihnen die Zeit für die Tiere.“ Auch die gestiegenen Kosten für Tierärzte und die aktuelle Urlaubszeit nennen die Tierfreunde als mögliche Gründe.

Wer Tiere aussetzt, macht sich strafbar

Wenn sie beim Tierheim nicht mehr angenommen werden, setzen manche Besitzer ihre Haustiere in der Natur aus. Das Tierschutzgesetz stuft das allerdings als Ordnungswidrigkeit ein, für Täter droht ein Bußgeld von bis zu 25.000 Euro. Wer Tiere ohne Grund tötet oder ihnen länger andauernde Schmerzen zufügt, macht sich ebenfalls strafbar. Tierquälerei wird mit einer Geldstrafe oder mit bis zu drei Jahren Haft geahndet.