Kreis Wesel. Für Kinder ist eine Trennung der Eltern oft sehr belastend. Ein Angebot der AWO im Kreis Wesel unterstützt sie in der schweren Zeit.

Auf einem ovalen Zettel steht in ungelenker Schrift geschrieben, was sich das Kind wünscht. Klugerweise sind das zunächst einmal „unendlich viele Wünsche“, dann, „dass ich reicher bin als Dagobert Duck“ und schließlich, „dass meine Eltern sich nicht trennen.“ Letzteres bekommen Gisela Török und Annette Boniek oft zu hören und ja, das geben die beiden zu, manchmal müssen sie dann schon schlucken. „Die Kinder sind belastet“, erklärt Gisela Török, „weil sich ihr ganzes Leben von heute auf morgen verändert.“ Plötzlich ist der Papa weg, die Mama hat wieder einen Partner, der Umzug in eine andere Wohnung und der Wechsel auf eine neue Schule stehen bevor... Um Szenarien wie diese verarbeiten zu können, bietet die AWO-Beratungsstelle für Paare und Familien seit knapp 20 Jahren Gruppenangebote für Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilien an. In zwölf Sitzungen sprechen die Kinder aus dem Kreis Wesel, entweder zwischen sieben und zehn Jahren oder zwischen elf und dreizehn Jahren, über ihr Gefühle, Gedanken und eben auch über ihre Wünsche.

Doch bevor das Gruppenangebot startet, „holen wir erstmal beide Elternteile mit ins Boot“, betont Gisela Török, „damit das Kind nicht in Loyalitätskonflikte kommt.“ Bei manchen klappt das besser, bei anderen weniger. „Aber wir versuchen immer gute Gefühle zu den Eltern zu vermitteln.“ Schlechte gibt‘s ja schon genug, wie sich oft bereits in der ersten Sitzung zeigt. „Was fällt euch zu dem Wort ‚Trennung‘ ein?“ steht als Frage im Raum, auf die Kinder viele Antworten haben: „Papa zieht aus!“, „Ich muss die Schule wechseln!“ oder auch „Ich bin traurig!“ Natürlich sind einige Kinder erstmal schüchtern, „aber viele haben auch keine Hemmungen“, erzählt Annette Boniek. Und so können sie gleich mal zeigen, wie die Situation bei ihnen Zuhause aussieht. Auf dem Tisch stehen zwei Häuschen, davor Mama, Papa, Kinder... und manchmal auch Haustiere. Wer wohnt wo? Und wann? „Mittlerweile werden die Väter mehr eingebunden“, weiß Annette Boniek. „Durch das Homeoffice gibt‘s auch mehr Möglichkeiten.“ Wegen des sogenannten „Wechselmodells“, bei dem sich die Eltern mit der Betreuung abwechseln, werden auf dem Tisch die Püppchen viel hin- und hergeschoben... Aber ist das wirklich nur doof?

Annette Boniek (li.) und Gisela Török leiten die Gruppentreffen, die wöchentlich in Rheinberg stattfinden.
Annette Boniek (li.) und Gisela Török leiten die Gruppentreffen, die wöchentlich in Rheinberg stattfinden. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

„Was macht man, wenn man traurig ist?“ – Kinder finden Antworten

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Gisela Török fällt dazu eine Situation ein, in der die Kinder genau darüber diskutiert haben: „Jemand meinte dann, dass man ja jetzt eine neue Oma und eine neue Tante hat, wodurch man zu Weihnachten auch mehr Geschenke bekommt.“ Und das ist doch nun wirklich nicht das Schlechteste! Aber noch etwas versuchen die Leiterinnen den Kindern mitzugeben: „Das ist alles eure Familie!“ Bis es sich aber auch so anfühlt, überwiegen oft erstmal andere Emotionen. „Trennung ist für viele mit Schamgefühlen verbunden“, betont Gisela Török. „Ihnen ist unangenehm, dass die Familie gescheitert ist.“ Manche Kinder geben sich selbst die Schuld dafür, haben deshalb Bauschmerzen, sind traurig, wütend, einsam oder, oder, oder... Doch weil es nicht gerade leicht ist, über die eigenen Gefühle zu sprechen, hilft Familie Erdmann. Gisela Török zeigt auf die vielen Karten, auf denen die unterschiedlichsten Erdmännchen abgebildet sind. Mal sind die Fäuste geballt, mal der Kopf gesenkt... „Es geht darum, Gefühle wahrzunehmen und damit umzugehen.“ Aber, das fragt ein Kind auf einem Zettel: „Was macht man, wenn man traurig ist?“

Angebot im Kreis Wesel

Beim nächsten Gruppenangebot für Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilien gibt es noch freie Plätze. Das Angebot startet nach den Sommerferien am 26. August und richtet sich an Kinder von sieben bis zehn sowie von elf bis dreizehn Jahren. Die zwölf Sitzungen dauern jeweils 90 Minuten und finden wöchentlich statt. Eltern sind zu getrennten Mütter- und Väterabende eingeladen.

Die Gruppenstunden und Elternabende finden in der Begegnungsstätte Reichelsiedlung, Eschenstraße 28 in Rheinberg, statt. Interessierte aus dem Kreis Wesel können sich bei der AWO-Beratungsstelle für Paare und Familien melden. Gisela Török ist erreichbar unter 02843/959776 oder per E-Mail an toeroek.bpf@awo-kv-wesel.de.

Darauf haben nicht etwa die beiden Erwachsenen, sondern die anderen Kinder gleich mehrere Antworten: Musik hören, Freunde und Freundinnen treffen, Playstation spielen... „Es ist wichtig, dass sie lernen, was sie selbst machen können“, erklärt Gisela Török. Aber genauso wichtig ist es, dass sie auch verstehen, worauf sie keinen Einfluss haben. „Manche Kinder wollen ihre Eltern beispielsweise dazu bringen, zusammen Eis zu essen“, erzählt sie, „damit sie sich wieder vertragen.“ Aber würde das wirklich passieren? Nein. „Und die Kinder sind auch nicht verantwortlich dafür.“ Deshalb verabschieden sie sich in einer der letzten Sitzungen von ihren unerfüllbaren Wünschen. „Ich wünsche mir... dass meine Eltern sich nicht trennen...“, steht dann beispielsweise in krakeliger Schrift auf einer Karte, die an einem Ballon befestigt in den Himmel aufsteigt, immer kleiner wird und schließlich ganz verschwindet – um so Platz zu machen für neue Wünsche.