Rheinberg. . Beratungsstelle bietet Gespräche für die ganze Familie an. Ein wichtiger Aspekt: Eltern in einer Trennungssituation ihre künftige Rolle erklären.

Das Erdmännchen fürchtet sich. Es kauert sich zusammen, presst die Pfoten ans Gesicht und schaut verschreckt. Tom (Name geändert) weiß, wie sich das Tierchen fühlt. Kein Wunder, dass der Siebenjährige dieses Bild ausgewählt hat, um sich selbst zu beschreiben. Tom hat in letzter Zeit oft Angst. Weil Mama und Papa sich streiten und anschreien. Und Mama sagt, dass Papa jetzt eine andere Frau lieber hat und bald weggehen wird. Tom will aber, dass alles wieder wie früher ist. Aber was kann er tun?

Für seine Eltern nichts, für sich sehr viel. Das lernen er und andere Kinder aus Scheidungs- und Trennungsfamilien bei Gisela Török. Die Familien-, Paar-, Kinder- und Jugendtherapeutin gehört zum Team der Beratungsstelle für Paare und Familien des Kreisverbandes der Arbeiterwohlfahrt in Rheinberg. Seit knapp 20 Jahren werden hier Menschen beraten und unterstützt, deren Leben durch Trennung und Scheidung aus den Fugen geraten ist. Das sind nicht wenige: Allein im vergangenen Jahr gab es in den Räumen in der Begegnungsstätte Reichelsiedlung 246 Beratungsgespräche.

Das Angebot von Gisela Török und ihrer Kollegin Anne Bell setzt sich aus vier Bausteinen zusammen: Neben den Gruppen für Kinder und Jugendliche ist Gisela Török für die Paar- und Eheberatung zuständig, Anne Bell für Trennungs- und Scheidungsberatung sowie für die Mediation in dieser schwierigen Situation. Die Diplom-Soziologin und Mediatorin, die unter anderem auch als systemischer Coach tätig ist, ist neu im Team, sie arbeitet seit Jahresbeginn in der Begegnungsstätte in der Reichelsiedlung.

Vorwürfe an den Partner

Es gibt Sätze, die hat Gisela Török in ihren Beratungsgesprächen unzählige Male gehört. Vorwürfe an den Partner wie „Du bringst nie den Müll weg“. Keine Kleinigkeit, sagt die Fachfrau, denn dahinter verberge sich meist mehr. Übersetzt heiße dies: „Ich brauche mehr Unterstützung.“ Nur werde dies selten ausgesprochen, Konflikte schaukelten sich hoch. In einer Partnerschaft gebe es viele Belastungen. „Zwischen Familie, Haushalt und Beruf noch Zeit für sich als Paar zu finden, ist oftmals schwierig.“

Ihre Aufgabe: gut zuhören, vor allem auch zwischen den Zeilen hören, die Probleme aufdröseln, die sich über einen längeren Zeitraum für die Betroffenen zu einem scheinbar riesigen und unüberwindlichen Berg aufgetürmt haben. Ganz wichtig: Sie arbeitet mit den Menschen, die zu ihr kommen, aber macht nicht die Arbeit für sie. Im Klartext: „Das Paar muss seine Probleme selbst lösen.“ Sie könne Wege aufzeigen und eine andere Perspektive ins Spiel bringen.

Wer zu Anne Bell in die Trennungs- und Scheidungsberatung oder die Mediation kommt, ist über den Zeitpunkt, es noch einmal mit dem Partner zu versuchen, meistens hinaus. „In der Mediation geht es darum, Menschen dabei zu unterstützen, Trennungs- und Scheidungsfolgen eigenverantwortlich und einvernehmlich zu regeln“, so die Expertin. Was alle Bereiche betreffen kann, von der Umgangsregelung für die gemeinsamen Kinder bis hin zur Aufteilung von Vermögen.

Die Teilnahme an einer Mediation sei freiwillig, könne auf Empfehlung des Familiengerichtes oder auch des Jugendamtes erfolgen, wenn Kinder betroffen seien. Die ersten Termine seien sehr emotional, weil sich bei den Beteiligten viel aufgestaut habe. Anne Bell hat Verhaltensregeln aufgestellt. Ausreden lassen, nicht ausfallend werden, zivilisiertes Verhalten eben, um faire Verhandlungen möglich zu machen. Schlägt doch mal einer über die Stränge, kann der Partner ihm die rote Karte zeigen, die besagt: „Ich kann nicht mehr, das halte ich nicht mehr aus.“

Vertrag, dem Eheleute zustimmen

Am Ende gebe es einen Vertrag, dem beide Seiten zustimmen müssten. Wenn der Vertrag stehe, sei es für die ehemaligen Eheleute sinnvoll, einen Rechtsanwalt darüber schauen zu lassen, ob auch alles hieb- und stichfest ist.

Es gebe natürlich auch Paare, bei denen nur einer zu einer Mediation bereit sei. Aber auch Einzelpersonen kann Anne Bell helfen und unterstützen – in der Trennungs- und Scheidungsberatung. Ein wichtiger Aspekt ihrer Arbeit ist, Eltern in einer konkreten Trennungs- und Scheidungssituation ihre künftige Rolle zu erklären. „Auch wenn sie als Paar gescheitert sind, bleiben sie immer gemeinsam Eltern.“

Wie traumatisch Trennung- und Scheidung für Kinder sind, erlebt Gisela Török, seit sie vor 15 Jahren mit den Gruppen für die Betroffenen begann. Jeweils sechs bis acht Jungen und Mädchen sind in den Gruppen, die sich entweder an Sieben- bis Zehnjährige oder an Elf- bis 13-Jährige richten. Zwei bis drei Gruppen gibt es in jedem Jahr, sie dauern jeweils zwölf Wochen, jeder Termin erstreckt sich über 90 Minuten. Es wird gespielt, gemalt, geredet, gelacht, geweint und getröstet.

Loslassen ist ein wichtiges Thema in der Gruppe. Zum Beispiel die unerfüllbaren Wünsche, dass alles wieder so wie früher wird. Ein schönes Ritual ist das Abschied nehmen von diesen Wünschen – mithilfe von Karten, die an Luftballons geknüpft und auf die Reise ins Nirgendwo geschickt werden. Denn das lernen die Mädchen und Jungen auch bei Gisela Török: „Kinder denken, dass sie etwas tun können. Aber die Beziehungen ihrer Eltern zu kitten, ist nicht ihre Verantwortung.“