De Koog. Zum Beginn der NRW-Schulferien strömen Urlauberscharen nach Holland. Es kommen immer mehr Deutsche. Für das kleine Land ein Stresstest.
- In NRW haben die Schulferien begonnen – viele Familien verbringen ihren Urlaub in den Niederlanden.
- Immer mehr Deutsche fahren nach Holland
- Inseln wie Texel und Ameland sind nahe an der Belastungsgrenze
Die Teutonentouristen kommen, und halb Holland ist in latenter Sorge. Freitagmittag nach der letzten Schulstunde zwängen sich ganze Familien in am Vorabend vollgepackte Autos, manche davon mit im Fahrtwind flatterndem Stofffähnchen bestückt, und düsen über die Grenze. Blechkarawanen schieben sich über die Autobahnen Richtung Küste.
Die Urlauber haben es eilig. Zum Anstoß des EM-Viertelfinals am Abend wollen sie auf dem Zeltplatz vor dem Fernseher sitzen, mit Chips auf dem Plastiktisch und schwarz-rot-goldener Schminke im Gesicht. Im zugigen Hafenstädtchen Den Helder lehnt Fabian aus Duisburg an seinem VW und wartet auf die Fähre nach Texel. „Wird Zeit, wir müssen noch Verpflegung organisieren“, ruft er leicht gehetzt gegen Möwengeschrei und Motorengeknatter.
Deutsche Urlauber lieben Holland
Die Deutschen haben Urlaub, und den verbringen sie am liebsten an der Nordsee. Zu Tausenden machen sie sich an diesem Wochenende auf die Reise in den flachen Westen, sie wollen Fritten und Vla essen, Faulenzen am Strand und Fahrradfahren durch die Natur. Mittdreißiger Fabian kommt mit seiner Frau seit fünf Jahren nach Texel. Er ist in guter Gesellschaft.
Gestresste Germanen sind geradezu verliebt in das entspannte Windmühlenland an der Küste. Es gilt: Je grenznäher der Wohnort, desto stärker die Holland-Liebe. Rund 75 Prozent aller Übernachtungsgäste kommen aus NRW und Niedersachsen, hat das Niederländische Büro für Tourismus und Kongresse (NBTC) herausgefunden, eine in Köln ansässige Interessengruppierung.
Für die Holländer bedeuten die Schulferien einen echten Stresstest.
Niederlande: Meisten Urlauber aus NRW
Niederländer mögen Urlauber mit ihren locker sitzenden Geldbörsen, schon klar. Aber was die Menschen auf Ameland und Terschelling, am IJssel- und am Wattenmeer nun erleben, ist so etwas wie ein touristischer Supersturm: An Rhein und Ruhr haben die Schulferien begonnen, ebenso im Süden der Niederlande. Niedersächsische Schüler haben schon seit zwei Wochen frei.
Heerscharen von Rheinländern, Westfalen, Emsländern, Limburgern und Gelderländern pilgern an die Strände. „Es wird knackig“, kommentiert Thomas Müther vom ADAC Nordrhein die sich abzeichnenden Autoschlangen zum Ferienstart. Wieviele Touristen kann das kleine Land unterbringen?
EM auf dem Zeltplatz
Katharina Brehm (32) steht in Badeschlappen und schwarz-weißem Trikot auf dem Texeler Zeltplatz „Kogerstrand“ und hat gute Laune. Sie ist bereit fürs Spiel. Neben der jungen Frau aus Paderborn steht ihre Mutter Christiane Wabinski (61), unter ihren Füßen wächst Strandgras und am Horizont rauscht das Meer – eine Woche Mama-Tochter-Urlaub im westfriesischen Dünenparadies, besser geht‘s nicht.
Brehm und Wabinski sind Holland-Fans, sie kommen seit 14 Jahren auf die Insel. Aber so groß ihre Inselliebe ist, am Freitagnachmittag schlägt ihr deutsches Fußballherz immer lauter. „Das Spanien-Spiel schauen wir in einer Bar. Das WM-Finale 2014 haben wir auch auf Texel gesehen. Holland bringt uns Glück“, frohlockt Brehm. Noch wenige Stunden bis zum Anpfiff.
Texel klagt über zu viele Urlauber
So herzlich die beiden fröhlichen Ostwestfälinnen sind, auf Texel reagieren die knapp 14.000 Inselbewohner mit Dankbarkeit und Skepsis zugleich auf den Urlauberzustrom. Einerseits freuen sich die Hoteliers über eine Bettenauslastung von gut 90 Prozent, wie Frank Spooren weiß, seit acht Jahren Chef des Tourismusbüros.
Andererseits bringt der seit gut 20 Jahren anhaltende Boom die Insel an die Belastbarkeitsgrenze. Etwa eine Million Menschen – jeder dritte aus NRW – kommen im Jahr: zu viele. Die Folgen: Parkplatzprobleme, Verkehr und ein überlasteter Wohnungsmarkt. Noch mehr Menschen könne die Insel nicht aufnehmen, heißt es aus dem Rathaus.
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Texel ist kein Einzelfall. Einige Top-Destinationen Hollands werden von „de Duitsers“ geradezu überrannt. Mehr als sechs Millionen kamen vor Corona, laut NBTC hat sich die Zahl der deutschen Gäste in den vergangenen zwei Jahrzehnten verdoppelt. In der Küstenprovinz Noord-Holland rund um die Stadt Alkmaar kommen allein rund 80 Prozent der Urlauber aus NRW. Irgendwann reichen selbst mehr als 9250 Hotels, Pensionen und Bungalows landesweit nicht mehr aus, um sie beherbergen.
Overtourism in Holland
Also doch mal woanders hin im Urlaub? Will sich Texel-Fan Katharina Brehm nicht vorstellen. Sie macht sich mit ihrer Mama auf den Weg in die Innenstadt von De Koog, wo Lokale wie das „Onder de Pomp“ mit Werbetafeln und großen Fernsehern um die Deutschen buhlen. Es ist kurz vor Anstoß.
Ob die Reise der deutschen Fußballer bei dieser EM weitergeht, weiß Brehm zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ihre eigene hat erst begonnen.