Wesel. Das Kaufhof-Aus ist ein schwerer Schlag für die Innenstadt. Nun hat ein weiterer Händler, der auch in Wesel vertreten ist, Insolvenz angemeldet.

Zwischen dem Kaufhof und dem Depot-Geschäft auf der Hohen Straße in Wesel liegen nur gut 100 Meter. Während in den Schaufenstern des Warenhauses längst schrille Plakate auf den Ausverkauf hinweisen, hängen hinter der Scheibe des Einrichtungsgeschäftes lediglich ein paar wenige Aushänge, die für eine saisonale Rabattaktion werben. Doch das könnte sich im schlimmsten Fall bald ändern: Denn das Unternehmen, das hinter dem bekannten Deko-Händler steht, hat eine Insolvenz in Eigenverantwortung angemeldet.

Das Amtsgericht Aschaffenburg in Bayern bewilligte in dieser Woche ein Schutzschirmverfahren für das Einzelhandelsunternehmen namens Gries Deco Company GmbH mit Sitz in Franken und bestellte einen vorläufigen Sachwalter sowie einen vorläufigen Gläubigerausschuss, wie eine Gerichtssprecherin sagte. Das Insolvenz-Schutzschirmverfahren soll in die Krise geratene Unternehmen vor dem Zugriff der Gläubiger schützen. Die Geschäftsführung kann das Unternehmen weiter verantwortlich lenken und selbstständig sanieren. Ihr wird allerdings ein Anwalt als sogenannter Sachwalter zur Seite gestellt.

Große Unsicherheit für Wesel: Wie geht es weiter mit Depot?

Für die Weseler Innenstadt beginnt damit erneut eine Zeit der Unsicherheit. Denn wie es mit der Filiale hier weitergeht, ist noch völlig unklar. „Wir werden sehr zügig auf alle Beteiligten – insbesondere natürlich Mitarbeiter, Vermieter, Lieferanten und Geschäftspartner – zugehen und gemeinsam die nächsten Schritte besprechen“, wird Christian Gries, der Geschäftsführer des Unternehmens in einer Mitteilung zitiert.

Parallelen zur Situation bei Kaufhof drängen sich auf. Natürlich erreicht Depot nicht die Dimensionen des Warenhauses in Wesel, doch die Lage auf der Hohen Straße ist prominent, das Geschäft gehört zu den größeren in der Innenstadt. Und wie im Falle von Galeria ist Wesel davon abhängig, welche Entscheidungen in weit entfernten Unternehmenszentralen oder von Insolvenzverwaltern getroffen werden.

Die Filiale in der Weseler Innenstadt: Das Unternehmen, das hinter dem bekannten Deko-Händler steht, hat eine Insolvenz in Eigenverantwortung angemeldet.
Die Filiale in der Weseler Innenstadt: Das Unternehmen, das hinter dem bekannten Deko-Händler steht, hat eine Insolvenz in Eigenverantwortung angemeldet. © NRZ | Robin Brand

Die Filialen des Deko- und Einrichtungshändlers Depot sind in vielen deutschen Innenstädten zu finden, in der Region unter anderem in Kamp-Lintfort und Oberhausen-Sterkrade. Doch bei der Handelskette aus dem unterfränkischen Niedernberg mit ihren 500 Geschäften gab es bereits in den vergangenen Jahren Schwierigkeiten. Nach dem Einstieg des Schweizer Handelsriesen Migros im Jahr 2009 hatte Depot einen aggressiven Expansionskurs verfolgt. Die Zahl der Filialen stieg von 109 auf 500, der Umsatz kletterte gewaltig. Die Gewinne wuchsen aber nicht im gleichen Tempo, im Gegenteil: Das Unternehmen machte Verluste. 2019 verkaufte Migros seine Beteiligung an den bisherigen Unternehmenschef und Gründerenkel Christian Gries.

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Der hatte bereits vor einigen Monaten angekündigt, ein hartes Sparprogramm durchzuziehen. Daraufhin wurde auch in Wesel ein „totaler Räumungsverkauf“ angekündigt, die Filiale blieb aber geöffnet. Nun heißt es, dass der Geschäftsbetrieb des Konzerns uneingeschränkt weiterlaufen soll. Die Löhne und Gehälter der Beschäftigten in Deutschland seien bis September gesichert. Ziel sei es, spätestens zum Jahreswechsel einen Plan zur Neuausrichtung zu haben.

Gegenüber dem Handelsblatt erklärte Gries, dass jedes einzelne Geschäft auf seine Zukunftsfähigkeit geprüft werden soll. Erst dann werde entschieden, wie viele und welche Filialen weitergeführt werden. Durch das Insolvenzverfahren habe das Unternehmen nun die Möglichkeit, alle Verträge mit den Vermietern zu kündigen, ohne an Kündigungsfristen und Vertragslaufzeiten gebunden zu sein. Auch hier ähnelt das Vorgehen dem von Galeria. Denn der für die Sanierung zuständige Restrukturierer Sven Tischendorf erwartet laut der Wirtschaftszeitung von den Vermietern ein deutliches Entgegenkommen. Heißt im Klartext: Die Miete soll sinken.

So schätzt die Sprecherin der Weseler Händler die Lage ein

Für Marion Day, die Sprecherin der Weseler Einzelhändlerinnen und -händler, kommt die Insolvenz von Depot nicht überraschend. Schon mit dem Ausverkauf vor einigen Monaten habe sich angekündigt, dass es dem Unternehmen nicht gut geht. Sie hofft nun darauf, dass die Filiale erhalten bleibt und nicht die nächste Lücke in der Fußgängerzone entsteht.

Marion Day ist Sprecherin der Einzelhändler in Wesel.
Marion Day ist Sprecherin der Einzelhändler in Wesel. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

Langfristig geht sie davon aus, dass sich immer mehr Ketten aus Mittelstädten wie Wesel zurückziehen werden. „Zukünftig könnte es so sein, dass die mittleren Städte von den kleinen Geschäften geprägt sein werden und sich die Ketten auf Einkaufszentren und Großstädte konzentrieren“, meint Day, die in der Appollo-Passage ein kleines Modegeschäft betreibt. „Es wird in der Handelslandschaft auf jeden Fall eine Veränderung geben.“ Allerdings ist das für sie wohl erst ein Szenario für die Zukunft, denn derzeit gebe es kaum lokale Akteure im Handel, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Kurz- und mittelfristig könnten die Lücken deshalb nur von großen Ankermietern geschlossen werden, die die Finanzkraft haben, größere Ladenlokale zu bewirtschaften.

Auch sie zieht in der aktuellen Entwicklung den Vergleich mit dem Kaufhof. „Wenn der Insolvenzverwalter nicht mehr will, hat man keine Chance und ist machtlos“, sagt die Händlerin. „Man kämpft gegen Entscheidungen, die nicht nachvollziehbar sind für die Stadt.“ Im Fall von Depot drohten erneut Monate der Ungewissheit, ohne Klarheit darüber zu haben, wie es künftig mit dem Dekohändler in Wesel weitergeht.