Kreis Wesel. Baugrund im Kreis Wesel ist zu teuer, als dass sich öffentlich geförderter Wohnungsbau rechnete: das größte Hindernis, aber nicht das einzige.
Preiswerter Wohnraum ist Mangelware. Und die Zahl der öffentlich geförderten Wohnungen im Kreis Wesel sinkt stetig, wie eine Anfrage der SPD im Kreis-Weseler Fachausschuss ergab: Zwar steht Wesel in der Statistik 2010 bis 2019 mit einem Zuwachs von 300 Sozialwohnungen gut da - nach der Prognose der Kreisverwaltung wird in der Stadt aber im Zeitraum 2019 bis 2025 wiederum 637 Wohnungen aus der Mietbindung fallen.
Alarmierend auch die Zahlen in Dinslaken, wo seit 2010 bereits 712 Wohnungen weniger öffentlich gefördert sind, bis 2025 voraussichtlich weitere 567 aus der Bindung fallen. Moers hat von 2010 bis 2019 ein Minus von 214 Sozialwohnungen, bis 2025 kommen wohl weitere 274 hinzu. In den weiteren kreisangehörigen Kommunen sieht es ähnlich aus ( 2010 bis 2019/Prognose 2019 bis 225) Voerde (minus 65/minus 21), Hamminkeln (plus 73/minus 115), Xanten (plus 10/minus 74), Hünxe (minus 36/minus 13), Schermbeck (minus 228/minus 48), Rheinberg (minus 171/minus 302), Alpen (minus 39/Null), Neukirchen-Vluyn (minus 632/minus 7).
„Es ist also an der Zeit, den sozialen Wohnungsbau in Zukunft kreisweit zu stärken“, sagt Peter Paic (SPD), stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Kreistag. „Nur so können wir möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind, ein entsprechendes Angebot machen.“ Aber woran scheitert der Bau öffentlich geförderter Wohnungen eigentlich?
Preissteigerungen sind mit den gedeckelten Mieten nicht zu stemmen
Ein Hemmschuh ist die Baukostenentwicklung, ein weiterer die Grundstückspreise und die mangelnde Verfügbarkeit von Grundstücken. „Bei der Baukostenentwicklung ist es schwierig, die öffentliche Förderung vernünftig darzustellen“, erläutert Norbert Haeser vom Vorstand des Weseler Bauvereins. Um wirtschaftlich bauen zu können, müssten die Gesellschaften höhere Mieten nehmen dürfen als derzeit zugestanden. „Wir hoffen auf Anpassungen des Ministeriums.“
Denn: Die Preissteigerungen, die bei einigen Gewerken bei 20 Prozent liegen, können nicht auf die Miete umgelegt werden. Dabei, so Haeser, gehe es nicht darum, die Mieten um 20 Prozent anzuheben. „Zehn Cent pro Quadratmeter würden da schon gut tun.“
Und da ist noch der Grundstücksmarkt, der der normalen Spekulation unterliege. „Grundstücke sind ein knappes Gut und sie sind teuer“, sagt Haeser. Öffentlich geförderter Wohnungsbau lasse sich da schwer darstellen. Wegen der niedrigen Zinsen könnten Bauherren auch ohne Förderung preiswert an Geld kommen. „Viele mögen sich den Anforderungen deshalb wohl nicht unterwerfen. Sie bauen frei finanziert und haben dann eine andere Mietstruktur“, so Haeser. Bei öffentlich finanzierten Neubauten ist die Miete beispielsweise in Wesel bei 5,80 Euro gedeckelt, im frei finanzierten Bereich bewegt sie sich von neun Euro an aufwärts. Ein Argument für viele Bauherren.
Bausünden der 70er Jahre wirken in den Köpfen nach
Frank Berger, Aufsichtsratsvorsitzender der Grafschaft Moers und CDU-Fraktionschef im Kreistag, sieht in der Grundstücksfrage die Kommunen in der Pflicht: Sie müssten Grundstücke für den öffentlich geförderten Wohnungsbau unter Marktpreis abgeben. „Alle betonen immer, dass preiswerte Wohnungen gebraucht werden. Kommt es aber zum Schwur, haben sie das Geld doch lieber im Stadtsäckel.“
Daran arbeite die Politik, denn selbst Kommunen in der Haushaltssicherung seien nicht gezwungen, an die Meistbietenden zu verkaufen. Die Wohnungsbaugesellschaften müssten bauen, bauen, bauen, „dafür sind wir ja da“. Man dürfe aber den Wegfall der Mietpreisbindung auch nicht überbewerten. „Die Wohnungen sind ja noch da und die Mieten können sich auch nicht mal eben verdoppeln.“
Ein Grund für die Zurückhaltung der Kommunen sei auch die Erinnerung an die Bausünden der 70er Jahre. Heute baue man anders, die Häuser seien modern, chic und barrierefrei. In Sonsbeck entstehe gerade ein Projekt, außerdem in Neukirchen-Vluyn, wo alte Gebäude modernisiert werden. Schermbeck werde derzeit Mitglied der Wohnbau Moers - es ist einiges in Bewegung, aber noch nicht genug.
Die Gesellschaften modernisieren ihren Altbestand
Der Bauverein Wesel, der 2300 Wohnungen besitzt, geht mangels Grundstücken wie viele andere über die Schiene der Modernisierung geeigneter Objekte, um preiswerten Wohnraum zu schaffen und die hohen Grundstückspreise zu umgehen.
Diese Punkte bestätigt der Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft Wesel und nennt als einen weiteren die Bürokratie: Sie war mit dem Plan gescheitert, vier öffentlich geförderte Wohnungen an der Kreuzstraße zu errichten. Dafür hatte es Kritik aus der Politik gegeben, denn die WBW hatte sich beim Erwerb des Grundstücks dazu verpflichtet.
Der Vorstand wehrt sich gegen die Schelte: Zum Zeitpunkt der Antragstellung Anfang 2017 seien die Fördertöpfe leer gewesen, erst ein Jahr später hätte ein Antrag bewilligt werden können. Pferdefuß: Die WBW hätte erst nach Bewilligung des Antrags mit dem Bau beginnen können. Sie hätte also das gesamte Projekt für ein Jahr auf Eis legen müssen. Die vier öffentlich geförderten Wohnungen wollte man – nachdem die Politik den Vorschlag, frei finanzierten Wohnraum in öffentlich geförderten umzuwandeln ablehnte – nun im Zuge des zweiten Bauabschnitts an der Isselstraße verwirklichen. Auch das scheiterte laut WBW an der Bürokratie: Nach mehreren Monaten sei der Eingang des Förderungsantrages bestätigt worden. Allerdings dürfe während der Bearbeitungszeit nicht gebaut werden - auch die 21 frei finanzierten Wohnungen sowie das Magazingebäude an der Isselstraße nicht.
„In jedem Monat, in dem die Genossenschaft durch Bauverzögerungen keine Mieteinnahmen generieren kann, erleidet sie einen wirtschaftlichen Verlust“, erläutert der Vorstand. Man zog den Förderantrag, der sich ohnehin nur auf 3,83 Prozent der geschätzten Gesamtkosten bezog, zurück, um bauen zu können.
Scharfe Kritik am starren bürokratischen Genehmigungsverfahren
„Selbstverständlich wird die WBW den vertraglichen Verpflichtungen nachkommen und die Errichtung öffentlich geförderter Wohnungen im innerstädtischen Bereich nachholen, auch wenn der hohe Bürokratieaufwand, das langwierige Genehmigungsverfahren, die fehlende Flexibilität der Bewilligungsbehörden und die unattraktiven Finanzierungskonditionen der öffentlichen Hand im Vergleich zu denen auf dem Finanzierungsmarkt erhältlichen Konditionen sich unwirtschaftlich und als Investitionshemmnis darstellen“, erklärt der Vorstand auf Anfrage. Derzeit aber gibt es kein Grundstück, auf dem die WBW bauen könnte.